Kinder und Jugendliche wollen dazugehören – und wissen, was sie dafür brauchen
Aktivitäten im Freundeskreis stehen für Kinder und Jugendliche an oberster Stelle und ohne Handy fühlen sie sich ausgeschlossen. Das zeigt eine neue Studie, für die wir erstmals junge Menschen zwischen 10 bis 15 Jahren direkt befragt haben. Die Bedarfe nach sozialer und digitaler Teilhabe sind für Kinder und Jugendliche elementar, werden jedoch in den staatlichen Leistungen bislang nicht berücksichtigt. Der Wunsch nach mehr Beteiligung gilt auch für den Schulalltag.
Soziale Teilhabe ist für Kinder und Jugendliche von zentraler Bedeutung. Auf die Frage, was für ein gutes Leben am wichtigsten sei, nennt rund ein Drittel (32 Prozent) der 10- bis 15-Jährigen soziale Beziehungen zu Freund:innen und Gleichaltrigen. Danach folgen die Beziehungen zur Familie, denen jede:r Fünfte den größten Stellenwert beimisst. Die Bedeutung sozialer Kontakte spiegelt sich auch in dem hohen Bedürfnis nach digitaler Teilhabe: Gefragt danach, auf welchen Gegenstand sie nicht verzichten könnten, geben mehr als die Hälfte der Kinder und Jugendlichen (54 Prozent) Handy und mobiles Internet an.
Die Bedürfnisse der jungen Menschen decken sich mit ihren finanziellen Prioritäten: Für neun von zehn Befragten ist es wichtig, Geld für Aktivitäten mit Freund:innen zu haben. Es folgen "angesagte Dinge" wie Kleidung, Kosmetik und Technik (67 Prozent), Hobbies (61 Prozent) sowie Internet und Telefon (55 Prozent). Jede:r Zweite möchte Geld zum Sparen nutzen. Bemerkenswert ist, dass die finanziellen Mittel der Eltern kaum eine Rolle für die Höhe des Taschengelds spielen. Auch Eltern mit niedrigerem Einkommen versuchen, ihren Kindern ein angemessenes Taschengeld zu zahlen.
Soziale Kontakte leiden bei Geldmangel am meisten
Das Thema Geld insgesamt beschäftigt die jungen Menschen. Auch wenn die befragten 10- bis 15-Jährigen grundsätzlich sehr positiv in die Zukunft blicken, machen sie sich Gedanken um die eigene finanzielle Situation sowie die der Eltern. 46 Prozent von ihnen sorgen sich häufig oder manchmal darum, wie viel Geld die Familie hat. Rund die Hälfte gibt an, dass sie sich häufig oder manchmal Dinge nicht leisten konnten, die ihre Freund:innen gekauft haben. Da sie für Aktivitäten im Freundeskreis überwiegend selbst aufkommen müssen, leiden ihre sozialen Kontakte bei Geldmangel am meisten.
"Kinder und Jugendliche können ihre Bedarfe klar und differenziert benennen. Gemeinsame Aktivitäten mit Freund:innen und Mitschüler:innen stehen für sie an oberster Stelle. Unterstützungsleistungen müssen es ihnen daher auch ermöglichen, am sozialen Leben teilzuhaben. Nur die Existenz abzusichern, ist zu wenig", sagt Antje Funcke, unsere Expertin für Familienpolitik. Das Team aus Jugendlichen, das an der Studie beratend mitgewirkt hat, schreibt dazu in der Begleitbroschüre "Mit uns!": "Wer nicht genug Geld hat, bleibt oft zuhause – und das kann auf Dauer einsam machen."
Die hohen Bedarfe nach sozialer und digitaler Teilhabe sollten bei einer zukunftsorientierten Neubestimmung von existenzsichernden Leistungen für Kinder und Jugendliche berücksichtigt werden. Weder bei der aktuellen Regelbedarfsermittlung im Bürgergeld noch bei den Bildungs- und Teilhabeleistungen ist das der Fall. Da junge Menschen die Expert:innen für ihre Lebenswelt sind, empfehlen wir, Kinder und Jugendliche regelmäßig und systematisch nach ihren Bedarfen zu befragen. Zudem ist es wichtig, kostenlose Angebote für alle Kinder und Jugendlichen in den Bereichen Bildung, Freizeit, Sport und Kultur weiter auf- und auszubauen. Eine Reform der finanziellen Leistungen für Kinder und Familien kann nur in Verbindung mit einer gut ausgebauten Infrastruktur echte Teilhabechancen gewährleisten.
Mehr Mitsprachemöglichkeiten in der Schule gewünscht
Das starke Bedürfnis nach Teilhabe thematisieren Kinder und Jugendliche auch bezogen auf das schulische Umfeld. Obwohl sich die meisten insgesamt zufrieden mit ihrer Schule zeigen, beschreiben viele die Mitsprachemöglichkeiten im Unterricht als gering. Jeweils rund die Hälfte gibt an, weder bei der Wahl von Arbeitsmethoden noch den Lerninhalten ausreichend mitbestimmen zu können. Auf Kinder in der Grundschule trifft das häufiger zu als auf Jugendliche an den weiterführenden Schulen. Um in der Schule gut lernen zu können, brauchen die Befragten vor allem interessante Aufgaben (95 Prozent), genug Pausen und freie Zeit (94 Prozent) sowie die Möglichkeit zum Nachfragen bei der Lehrkraft (93 Prozent).
"Kinder und Jugendliche besuchen ihre Schule nachweislich lieber, wenn sie das Gefühl haben, diese mitgestalten zu können. Sie können und wollen Verantwortung für ihr Lernen mit übernehmen – wenn man sie lässt. Eine stärkere Beteiligung der Schüler:innen bei der Gestaltung des Unterrichts würde dazu beitragen, wesentliche Lernbedürfnisse besser zu berücksichtigen", erklärt Arne Halle, unser Experte für Schulpolitik.