Gezielte Desinformation zum Ukrainekrieg auf Telegram
Ein Jahr nach Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine gibt es auf Telegram viel Desinformation und Propaganda. Das zeigt ein aktueller Report von jugendschutz.net.
Seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine vor einem Jahr nutzen Menschen mit extremen Gedankengut die Ereignisse und Entwicklungen für ihre Propaganda. Vor allem auf Telegram werden gezielt Desinformationen und Verschwörungserzählungen verbreitet. Im Report „Ukrainekrieg auf Telegram“ beschäftigt sich jugendschutz.net mit aktuellen Propagandainhalten auf dem Netzwerk. Das Ergebnis belegt, dass dieses Umfeld auf Telegram für Kinder und Jugendliche eine Gefahr darstellen kann.
Telegram ist eine zentrale Plattform rechtsextremer Medienstrategien, um sich zu vernetzen, auszutauschen und zu mobilisieren. Im Vergleich zu anderen Messengern besitzt Telegram viele Funktionen, die eher an ein Soziales Netzwerk erinnern. Dies bietet immer wieder Anlass für Kritik: Durch große öffentliche Gruppen, reichweitenstarke Kanäle oder Verlinkungen gelangen NutzerInnen leicht an Inhalte, die offene Hetze beinhalten oder Gewalt verherrlichen. Wie Recherchen von jugendschutz.net bereits in den vergangenen Jahren belegen, reagiert der Dienst selbst bei Meldungen mangelhaft und geht kaum gegen Verstöße gegen den Jugendmedienschutz vor.
Auf Telegram haben sich zahlreiche Kanäle etabliert, die intensiv russische Kriegspropaganda vermitteln und teils eine sehr große Reichweite aufweisen. Dazu werden Desinformationen verbreitet, um den Krieg als legitim erscheinen zu lassen oder der ukrainischen Gegenseite Kriegsverbrechen zu unterstellen. Nachgewiesene russische Kriegsverbrechen werden hingegen verharmlost und geleugnet. Rechtsextreme AkteurInnen in Deutschland deuten die Entwicklungen in der Ukraine zu ihren Gunsten und versuchen, die Kriegsgeschehnisse in ihr Verschwörungsweltbild einzupflegen. Außerdem wird auf Telegram Hass auf Geflüchtete geschürt.
Risiken für junge NutzerInnen
JUGENDGEFÄHRDENDE INHALTE
jugendschutz.net verdeutlicht in dem Bericht, dass gerade Heranwachsende auf Telegram mit Inhalten in Kontakt kommen können, die gegen den Jugendmedienschutz verstoßen können – in Form von Texten, Bildern oder expliziten Gewaltvideos. Dazu zählen auch verbotene Kennzeichen, Verletzungen der Menschenwürde und Holocaust-Leugnungen.
EMOTIONALE BELASTUNG
Viele der Verschwörungserzählungen und Desinformationen zum Ukrainekrieg zielen darauf ab, starke Emotionen zu wecken, zu ängstigen, zu schockieren oder Hass zu verbreiten. Für junge Menschen ist der Krieg in der Ukraine seit vielen Monaten ein sehr präsentes Thema ihrer Lebensrealität, das mit Sorgen und Ungewissheit verbunden ist. Umso intensiver können entsprechende Inhalte auf Kinder und Jugendliche einwirken.
GEZIELTE BEEINFLUSSUNG
Zudem besteht das Risiko, dass Heranwachsende die Einstellungen und Meinungen übernehmen. Wenn antidemokratische und menschenverachtende Botschaften getarnt als „wahre“ Medieninhalte hohe Reichweiten erzielen, kann es jungen MediennutzerInnen schwerfallen, die Botschaften kritisch zu hinterfragen.
FEHLENDE MÖGLICHKEITEN ZUM PRÜFEN
Bei der Desinformation zum Ukrainekrieg wird es NutzerInnen erschwert, die Quelle der Nachrichten zu überprüfen: Nach nur wenigen Klicks stößt die Recherche schnell auf russischsprachige Inhalte. Durch diese Sprachbarriere haben auch Jugendliche keine Möglichkeit, auf Grundlage nachvollziehbarer Quellen Desinformationen aus eigenen Stücken zu enttarnen.
GEFAHR FÜR DIE DEMOKRATIE
Desinformationen und Verschwörungsmythen schwächen auf Dauer den sozialen Zusammenhalt und erschüttern das Vertrauen in die Demokratie, weil der Eindruck entsteht, die Öffentlichkeit wird systematisch getäuscht.
Wie Eltern ihre Kinder schützen können
Wichtig ist, durch die Wahl der Kommunikationsplattform sowie durch Sicherheitseinstellungen und -regeln den Zugang zu Desinformationen und Verschwörungserzählungen so gut wie möglich zu begrenzen. Allerdings zeigt sich im letzten Jahr immer wieder, dass Propagandainhalte zum Ukrainekrieg nicht nur auf Telegram kursieren: Sie können von dort leicht ihren Weg auf andere Social Media-Plattformen finden oder direkt dort gepostet werden. Auch wenn Heranwachsende den Dienst nicht benutzen, können sie dennoch mit Versuchen der Beeinflussung konfrontiert werden.
Daher ist es wichtig, dass Eltern gerade auch jüngere Kinder beim Surfen begleiten. So können sie einerseits darauf achten, kindgerechte Angebote zu nutzen, und sind andererseits an der Seite ihres Kindes, falls es auf bedenkliche Inhalte stößt. Wichtig ist, dass Eltern ihrem Kind dabei helfen, ein Gefühl dafür zu entwickeln, welche Informationen echt sein könnten und welche nicht. Dies erreichen sie am besten, wenn sie gemeinsam altersgerecht über das Weltgeschehen sprechen und dabei unterstützen, Nachrichten und Meinungen einzuordnen und zu hinterfragen. Schon früh können Eltern junge MediennutzerInnen sensibilisieren: Nicht alles, was im Internet steht, ist wahr.
Wenn Heranwachsende eigenständiger im Netz unterwegs sind, bleiben Eltern am besten mit ihnen über ihre Medienerfahrungen im Gespräch und weiterhin feste Ansprechpersonen. Wichtig ist dann, dass Kinder und Jugendliche Anzeichen für Fake News – etwa reißerische Formulierungen oder bewusst schockierende Fotos – und Möglichkeiten zum Melden von Inhalten kennen. Außerdem ist sinnvoll zu besprechen, warum NutzerInnen nicht alles teilen sollten, ohne vorher darüber nachgedacht zu haben. Mit mehr Erfahrung und zunehmendem Alter können Eltern mit ihrem Kind auch über Verschwörungsglauben und extremistische Weltanschauungen sprechen, damit ihre Kinder diese Art von Inhalt direkt einordnen und sich informiert gegen menschenfeindliche Botschaften stellen können.
Wenn Eltern merken, dass aktuelle Geschehnisse ihr Kind beschäftigen, können sie kindgerechte Informationen anbieten.