„Frau Lehrerin, das, was Du sagst, ist rassistisch!“ Kinder, Jugendliche und Alltagsrassismus

Eine neue Studienreihe des Internationalen Zentralinstituts für das Jugend- und Bildungsfernsehen (IZI) zeigt, was Kinder und Jugendliche zum Thema Rassismus wissen und wie Pädagogik und Qualitätsmedien Alltagsrassismus entgegenwirken können. Die Ergebnisse der Studien sind in einem neuen Buch und einem Artikel zusammengefasst, welche jetzt frei zugänglich auf der Homepage des IZI abrufbar sind.

Jedes dritte Kind bzw. jede*r dritte Jugendliche*r in Deutschland ist mit Alltagsrassismus konfrontiert. Die Grundtendenz ist dabei: Je sichtbarer der Migrationshintergrund, desto häufiger widerfahren den Kindern und Jugendlichen Beschimpfungen, Benachteiligung und rassistische Klischees etc. Wie Medien und Pädagogik Alltagsrassismus begegnen können, zeigt das Internationale Zentralinstitut für das Jugend- und Bildungsfernsehen (IZI) beim Bayerischen Rundfunk in dem aktuell erschienenen Buch mit dem Titel: „Frau Lehrerin, das, was Du sagst, ist rassistisch!“ Eine repräsentative Studie zeigt, wie ausgeprägt das Wissen zum Thema (Alltags-) Rassismus in Deutschland ist. Anhand von sechs weiteren Studien im Kontext der Entwicklung der antirassistischen Sketch-Comedy-Sendung "Moooment!" (KiKA) wird aufgezeigt, wo es in der Entwicklung von Medieninhalten besonderer Sensibilität bedarf und wo pädagogische Handlungsräume ansetzen könnten.

Grundwissen: Menschen können nicht in Rassen unterteilt werden!

Während sich Hunde, Katzen oder Pferde genetisch in Rassen unterteilen lassen, gilt das für den Menschen nicht. Forschung zeigt zweifelsfrei: Vom Aussehen oder Wohnort eines Menschen lässt sich nicht auf seine genetische Veranlagung schließen. Die genetische Vielfalt der Menschen ist immer größer als die Ähnlichkeit bei Individuen mit einer ähnlichen Hauttönung, Augenform oder sonstigen äußeren Merkmalen. Es gibt kein einziges Gen, noch nicht mal ein einziges Basenpaar, keinen einzigen fixierten Unterschied, der zum Beispiel Asiat*innen von Nicht-Asiat*innen trennt. Die repräsentative Studie des IZI zeigt: Dass sich Menschen nicht in Rassen unterteilen lassen, wissen durchschnittlich 57 % der Erwachsenen mit einer deutlichen Alterstendenz. Während sieben von zehn 20- bis 29-Jährigen dieses Grundwissen haben, zeigt sich bei den 6- bis 9-Jährigen sowie den über 60-Jährigen das niedrigste Wissensniveau.

Dass es keine Rassen beim Menschen gibt, wissen 74 % der Lehrer*innen und knapp neun von zehn Lehrer*innen ist bekannt, dass Deutschland Kolonien hatte und vom Sklavenhandel profitierte. Damit liegen die Lehrer*innen mit ihrem Wissensstand deutlich über dem bundesdeutschen Durchschnitt. Dennoch berichten Kinder mehrfach von Kommentaren wie „Du kannst aber gut Deutsch sprechen“ zu einem einen Hijab tragenden Mädchen. Vermutlich meinte die Lehrerin es sogar nett, für die in Deutschland geborene und muttersprachlich deutsch aufgewachsene Saira (11 Jahre) war es dennoch verletzend. Hier fehlte es der Lehrerin an Sensibilität und Wissen um Stereotype. Noch deutlicher wird der Nachholbedarf bei Erzieher*innen. Zwar geben neun von zehn Erzieher*innen an, sich mit dem Thema Rassismus beschäftigt zu haben, dennoch fehlt vielen Grundlagenwissen.

Heranwachsende mit Migrationshintergrund erfahren (Alltags-)Rassismus, können ihn aber nicht immer als solchen einordnen

In der repräsentativen Studie mit Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen wird deutlich: Menschen, die selbst bzw. deren Eltern in einem anderen Land geboren wurden, sind nicht zwangsläufig besser über das Thema Alltagsrassismus informiert als Menschen, die keinen Migrationshintergrund in erster oder zweiter Generation haben. Dies bedeutet u. a., dass Heranwachsende mit Zuwanderungsgeschichte ihre eigenen Rassismuserfahrungen nicht als solche einordnen und bewerten können. Genau dieses Wissen bräuchten sie aber, um sich nicht individuell als schuldig oder defizitär zu empfinden.

Kindersendungen können Wissen vermitteln

Die meisten befragten Kinder wollen Rassismus aktiv entgegentreten. Oft fehlt ihnen jedoch das notwendige Grundwissen, um Alltagsrassismus zu erkennen und die Perspektive der rassistisch Angesprochenen nachzuvollziehen. Entsprechend wichtig sind Sendungen, die sich explizit mit dem Thema Rassismus auseinandersetzen. Die wissenschaftliche Begleitung der Sendung "Moooment!" (KiKA) zeigt dabei: Um eine Sendung zu produzieren, die explizit antirassistisch wirksam werden soll, braucht es ein diverses Team, viel Sensibilität und Hintergrundwissen.

Kinder brauchen Räume, um sich mit dem Thema Rassismus auseinanderzusetzen

Aktiv Rassismus entgegenzutreten, braucht aber noch mehr als Wissen. Wie es gelingen kann, dass Kinder und Jugendliche zu Verbündeten (Allys) der mit Rassismus Konfrontierten werden können, zeigt eine siebte Studie. Anhand von realen Fallbeispielen diskutierten Schüler*innen Möglichkeiten, wie sie Mitschüler*innen konkret unterstützen könnten. Die Auswertung zeigt: Kinder und Jugendliche kommen auf diverse Ansätze zur Unterstützung, brauchen aber auch an einigen Stellen pädagogische Einordnungshilfe, um z. B. die Betroffenen nicht zu bevormunden.

„Die Aussagen der Kinder in den Studien verdeutlichen, wie wenig Raum Alltagrassismus im Kontext Schule bekommt und wie sehr Kinder profitieren, wenn es zum Thema gemacht wird“, sagt Studienleiterin Dr. Maya Götz. „Kinder mit und ohne Zuwanderungsgeschichte brauchen zumindest ein Grundwissen um das Thema Alltagsrassismus.“ Wie das im Einzelnen aussehen kann, zeigt der neu erschienene Band 2 „Frau Lehrerin, das, was Du sagst, ist rassistisch!“, der auf der Homepage des IZI  frei abrufbar ist.

Quelle

Internationales Zentralinstitut für das Jugend- und Bildungsfernsehen (IZI)

Staatsinstitut für Frühpädagogik und Medienkompetenz
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