Das Prager Eltern-Kind-Programm PEKiP®

Liesel Polinski und Erika Roch
Polinski  Roch

 

 

Das Prager Eltern-Kind-Programm (PEKiP) ist ein gruppenpädagogisches Konzept für Eltern mit ihren Kindern im ersten Lebensjahr. Ab der 4. – 6. Lebenswoche treffen sich junge Eltern mit ihren Babys in kleinen Gruppen. Spiel- und Bewegungsanregungen, die von dem Prager Psychologen Dr. Jaroslav Koch entwickelt wurden, stehen im Mittelpunkt der Gruppenarbeit. Sie sind der jeweiligen Entwicklung des Kindes angemessen. Die Bewegungsspiele stellen eine aktivierende Lernform dar, in der das Baby mit seinen Kompetenzen und Bedürfnissen das Spielangebot bestimmt. Das PEKiP unterstützt den Aufbau der positiven Beziehung zwischen Eltern und Kind durch gemeinsames Erleben von Bewegung, Spiel und Freude.

In der PEKiP-Gruppe findet ein intensiver Erfahrungsaustausch über Erlebnisse mit dem Kind in und außerhalb der Gruppe statt, so dass mit diesem situations- und erfahrungsbezogenen Ansatz eine konkrete und praktische Qualifizierung der Eltern möglich wird.

Entwicklungs- und Erziehungsfragen aus dem Alltag junger Familien werden aufgegriffen und geben den Eltern einen Hintergrund für viele wichtige Entscheidungen.
Die Kinder erleben erste soziale Beziehungen zu Gleichaltrigen im Beisein ihrer Eltern. Durch die regelmäßigen Treffen im ersten Lebensjahr entsteht Vertrautheit zwischen Erwachsenen und Kindern.

Das PEKiP ist mit seinen Kontaktmöglichkeiten zwischen allen Gruppenmitgliedern ein Beitrag zum sozialen Netz junger Familien.

Wöchentlich nehmen ca. 65 000 Familien an PEKiP-Kursen teil. Eltern finden bis zu 1800 Adressen für PEKiP in Deutschland, der Schweiz, Österreich, Luxemburg und Liechtenstein hier

Es sind 2600 PEKiP-GruppenleiterInnen z. Zt. aktiv. Informationen über die berufliche Fortbildung zur PEKiP-GruppenleiterIn ebenfalls hier.

Die Welt begreifen

Neugeborene beginnen mit allen Sinnen die Welt zu begreifen. Schon mit sechs Wochen zeigen Babys, welches Spiel ihnen gut tut. Das Prager-Eltern-Kind-Programm (PEKiP) lädt Mütter und Väter ein, dieses Bedürfnis des Kindes nach Anregung und Spiel optimal zu unterstützen.

Fünf nackte Babys liegen auf dem warmen Fußboden. Marcel kräht laut. Julia. 5 1/2 Monate alt, wendet sich zu ihm hin, dreht sich auf die Seite und – schwupp – noch ein Stück weiter auf den Bauch. “Oh, was machst du denn?” ruft Julias Mutter überrascht, “jetzt hast du dich ja zum ersten Mal umgedreht!” Alle anderen Mütter freuen sich.

Ein Vater sitzt auf dem Boden, sein drei Monate altes Töchterchen liegt auf seinen Knien. Beide sind in ein inniges Zwiegespräch vertieft. Als er zu mir herüber schaut, signalisiere ich ihm: “Lasst euch von nichts ablenken.” Der Mann schaut seinem Baby weiterhin in die Augen, antwortet auf sein Gurren und Lallen, macht ihm etwas Neues vor und wartet ab, was daraufhin passiert, um wiederum zu reagieren. Später sagt er zu mir: “Ich habe noch nie einen solch intensiven Kontakt mit meiner Tochter erlebt. Jetzt habe ich eine Ahnung, was es heißt ihr Vater zu sein.”

Ein Angebot für Eltern und Kinder im ersten Lebensjahr

So ähnlich oder auch ganz anders geht es in vielen PEKiP-Gruppen zu. Die fünf Buchstaben stehen für das Prager-Eltern-Kind-Programm – ein gruppenpädagogisches Konzept, das die körperliche und geistige Entwicklung des Säuglings unterstützt. Die Idee dazu stammt von dem tschechischen Kinderpsychologen Dr. Jaroslav Koch. Ende der 1960er Jahre entwickelte er am „Prager Institut für Mutter und Kind“ Bewegungsspiele für Kinder im ersten Lebensjahr. Koch war der Ansicht, dass Säuglinge in unserer Kultur ihren Bewegungsdrang nicht ausreichend entfalten können. Zu häufig liegen die Kleinen im Bett und Kinderwagen oder werden durch enge Kleidung eingeengt. Mit der Möglichkeit sich zu bewegen, wird dem Säugling eine wichtige Ausdrucksform der körperlichen und geistigen Entwicklung gegeben. Kinder, mit denen Koch und seine MitarbeiterInnen regelmäßig spielten, entwickelten rascher einen gleichmäßigen Schlafrhythmus sowie eine zufriedenere Stimmung und wurden seltener krank.

PEKiP heute

In den 1970er Jahren griffen die Professoren Dr. Christa Ruppelt von der Evangelischen Fachhochschule in Bochum und Dr. Hans Ruppelt von der Gesamthochschule Wuppertal die Erkenntnisse von Koch auf. In Zusammenarbeit mit Sozialarbeiterinnen und Pädagoginnen entwickelten sie das Prager-Eltern-Kind-Programm. Mittlerweile werden in Deutschland und im deutschsprachigen Ausland PEKiP-Kurse angeboten.

Im Mittelpunkt stehen dabei vier gleichrangige Ziele, die sich ergänzen.

  • Das Baby in seiner Entwicklung begleiten

Direkt nach der Geburt führt der Säugling bereits eine Menge Bewegungen aus. Er kann Finger, Arme, Füße und Beine beugen und strecken. Durch die Bewegungen entdeckt er seine Umwelt und lernt ständig dazu. Dabei bestimmt er Wege und Ziele seiner Entwicklung selbst. Allerdings nur, wenn er genügend Gelegenheit hat, seinen Bewegungsdrang auszuleben.

Mit dem Kind auf dem Boden liegen (ab 2 Monate)
Legen Sie sich vor Ihr Kind auf den Fußboden, und schauen Sie es an: Wohin schaut es? Ist sein Gesichtsausdruck zufrieden? Lauscht es auf irgendwelche Geräusche? Lallt es, oder gibt es andere Geräusche von sich? Ist es in sich selbst versunken und ruhig? Freut es sich, Sie zu sehen? Woran merken Sie, dass es müde wird und genug hat?

  • Beziehung zwischen Eltern und Kind stärken

In den PEKiP-Gruppen erfahren Eltern, wie sie ihre Kleinen bereits in den ersten Wochen anregen können. Das genaue Hinschauen und Hinhören auf die feinen Signale der Babys und das sich daraus ergebende Spiel verstärkt die Freude am Zusammensein und gemeinsamen Tun

  • Kontakt und Erfahrungsaustausch unter Müttern und Vätern ermöglichen

Alle wichtigen Fragen der neuen Familiensituation, Freude, Anstrengung und Last mit dem Baby können in der Gruppe besprochen werden. Viele Kontakte entwickeln sich über die Zeit der Kursstunden hinaus. So ist PEKiP ein Beitrag zum sozialen Netz junger Familien.

  • Kontakte der Kinder zu Gleichaltrigen fördern

Die Kinder können untereinander erste Beziehungen knüpfen. Bereits am Ende des ersten Vierteljahres beobachtet der Säugling andere Kinder, ahmt sie nach oder berührt sie.

PEKiP-Gruppen werden in Familienbildungsstätten, Familienzentren, Hebammenpraxen, Krankenhäusern, Bürgerzentren oder anderen Einrichtungen der Erwachsenenbildung und auch privat angeboten. Nur GruppenleiterInnen, meist SozialpädagogInnen, die eine Ausbildung des PEKiP e. V. absolviert haben, dürfen solche Gruppen durchführen. Wöchentlich treffen sich bis zu acht Mütter oder Väter mit ihren Babys zum gemeinsamen Spiel und zu Gesprächen. Bereits mit vier bis sechs Wochen, nachdem die dritte Vorsorgeuntersuchung stattgefunden hat, kann mit PEKiP begonnen werden. Ideal ist es, wenn die Gruppe während des gesamten ersten Lebensjahres des Babys zusammen bleibt. Auch behinderte oder von Behinderung bedrohte Babys können mit ihren Eltern teilnehmen.

Kopf in Bauchlage heben (ab 2 Monate)
Das Baby liegt auf dem Bauch. Legen Sie Ihren Unterarm unter den Brustkorb des Kindes. Seine Oberarme liegen vor Ihrem Arm. Das Baby wird sich auf seinen Unterarmen abstützen und den Kopf heben. Manchmal macht es mit den Beinen Kriechbewegungen. Durch die Nähe und Berührung haben Sie einen sehr innigen Kontakt. Wenn das Baby den Kopf auf die Unterlage legt, hat es wahrscheinlich genug. Dann wird das Spiel beendet.

Nackte Babys bewegen sich intensiver

Die Treffen finden in einem warmen, freundlichen Raum statt. Eltern und Babys machen es sich auf dem Boden auf Matten bequem. Jetzt ist Zeit zum Spielen. Der Gruppenraum ist mollig warm, weil die Babys in den Spielstunden ganz ausgezogen werden. Ein nacktes Baby bewegt sich intensiver und sicherer und hat mehr Hautkontakt zu den Eltern. Es weint weniger und ist insgesamt zufriedener.

Im Verlauf der Treffen zeigt die Gruppenleiterin Anregungen, die der fortschreitenden Entwicklung der Kinder entsprechen und die jeweilige momentane Beziehung und Situation zwischen Eltern und Kind berücksichtigen. Das Baby wird angeregt, selbst aktiv zu werden. Es bestimmt, wie lange es spielen will. Wenn es müde ist, darf es schlafen, und wenn es hungrig ist, kann es trinken. Die Anregungen zu Spiel und Bewegung können die Eltern auch zu Hause nutzen.

Wasserball mit Händen und Füßen greifen (ab 5 Monate)
Das Kind liegt auf dem Rücken. Über die Brust des Kindes halten Sie einen Wasserball an einer Schnur. Das Kind wird den Ball vorsichtig mit den Händen berühren und versuchen, nach ihm zu fassen. Das Greifen gelingt am Anfang noch nicht so gut, wird aber von mal zu mal sicherer. Wenn Sie den Wasserball über seine Füße halten, winkelt es seine Beine an, um gegen den Ball zu treten. Zuerst strampelt das Baby unbewusst gegen den Ball, berührt ihn dann behutsamer und betastet ihn mit den Füßen. Am Ende des ersten Lebenshalbjahres überreicht das Kind den Ball von den Füßen an die Hände und umgekehrt oder klemmt ihn zwischen Händen und Füßen fest.

Von anderen Eltern lernen

Neben der Beschäftigung mit dem eigenen Kind haben Mütter und Väter Gelegenheit, nach anderen Kindern zu schauen. Es wird deutlich, dass jedes Kind einen eigenen Rhythmus sowie besondere Verhaltensweisen hat und sich individuell entwickelt. Dies hilft den Eltern, ihr Kind als eigenständige Person zu akzeptieren. Zusätzlich ist in den Kursen auch Zeit, in entspannter Atmosphäre mit anderen Eltern zu reden und Erfahrungen auszutauschen. Die Gruppenleiterin ergänzt das Gespräch – wenn nötig – durch fachliche Informationen. Gesprächsthemen sind beispielsweise die neue Rolle als Eltern, die Umorganisation des Alltags- und Berufslebens, Ernährung, Entwicklung, Pflege und Gesundheit des Kindes. Zusätzliche Gesprächsabende für Eltern können die wöchentlichen Treffen ergänzen.

Der ganzheitliche Ansatz des PEKiP hat sowohl die Kinder als auch ihre Eltern im Blick. Es geht dabei nicht um richtig oder falsch oder besser als andere, sondern um ein achtsames Miteinander, das Verbindungen herstellt und zusammenwachsen lässt. So wird das Vertrauen in die kindlichen Kompetenzen gestärkt, und elterliche Fähigkeiten können sich entfalten.

Krabbeln auf schräger Ebene (ab 9 Monate)
Es ist ein freudiges Ereignis, wenn sich das Kind mit ca. acht bis neun Monaten zum ersten Mal vorwärts bewegt. Krabbeln ist eine gute Grundlage für die spätere Koordination und Körperhaltung. Eine schräge Ebene regt Ihr Baby zu verschiedenen Bewegungen an. Zuerst legen Sie ein Brett (Regal- oder Bügelbrett) nur ein wenig schräg. Beim Krabbeln über das Brett übt das Kind sein Gleichgewicht so zu verlagern, dass es die Schräge in beide Richtungen überwinden kann. Wenn das Kind dies beherrscht, legen Sie das Brett etwas schräger. Beim Spazierengehen können Sie das Geübte vertiefen, indem Sie Ihr Kind ermuntern, einen Hang hinauf, hinunter oder schräg zu krabbeln.

Bewegung als Bildungschance  

Bewegung macht den Menschen von Anfang an beweglicher und erhöht seine Bildungschancen. Studien ergaben, dass Kinder sich heute weniger bewegen als früher. Kinder, die in ihrer frühen Kindheit körperlich aktiv sind z.B. durch die PEKiP-Spiele sind später sowohl in ihrer Bewegung als auch in ihrer Sprachentwicklung und Selbständigkeit weiter als Kinder, die diese Zeit eher passiv verbringen müssen.

Wichtig ist, dass Eltern Beweglichkeit vorleben. Das tut auch ihnen gut. Sie sind die Vorbilder ihrer Kinder. Ein Mensch, der sich bewegt, ist auch beweglicher in seinem Denken und Tun.

Weitere Anregungen und Hintergrundinformationen finden Sie in den Büchern und der DVD der Autorin:

  • Liesel Polinski (2001): PEKiP: Spiel und Bewegung mit Babys, rororo.
  • Liesel Polinski (2011): Wie ein Kleinkind seine Welt entdeckt, Beltz.
  • Liesel Polinski, Katrin Krüger (2009): Die PEKiP-DVD, WVG Medien GmbH.

Autorinnen

Liesel Polinski, Mitbegründerin des PEKiP®-Konzeptes
Roonstr. 13a, D-58239 Schwerte

Erika Roch, Mitbegründerin des PEKiP®-Konzeptes
Hoppenbeul 20 D-58640 Iserlohn

 

Erstellt am 2. Februar 2006, zuletzt geändert am 1. Juli 2013

 

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