Die Schubs®-Methode – ein Rechtschreibtraining mit allen Sinnen

Detlef Träbert
Traebert Porträt-2017-05

Der Artikel skizziert das Rechtschreibtraining mit der Schubs®-Methode. Diese stellt einen erfahrungsbasierten Ansatz dar, den der Autor aus seiner lerntherapeutischen Arbeit heraus entwickelt hat, und beruht auf vier Elementen: dem Durcharbeiten der Fehlerwörter, wobei durch das Abbauen vom Wortende her Lautanalyse, Lautsynthese und Speicherung des Wortbildes gleichzeitig unterstützt werden; dem visuellen, auditiven, motorischen und kognitiven Speichern der Wörter; das Schreiben in Wortdiktaten; das Einüben von Reaktionsverzögerungs- und Denkstrategien („Reflexivitätstraining“) zur Verringerung von Flüchtigkeitsfehlern.

„Mama, ich bin schon fertig mit den Hausaufgaben!“ – „Na prima, dann können wir ja noch ein bisschen Diktat üben.“ Wenn es diesen Dialog gelegentlich bei Ihnen zu Hause geben sollte, dann kennen Sie auch seine Fortsetzung. Sie verläuft meistens wenig harmonisch. Zahllose Mütter (Väter halten sich in der Regel eher zurück) sind mit ihrem Kind schon in die „Diktatfalle“ geraten: Einerseits sind sie sich sicher, dass sie mit ihm das Rechtschreiben üben müssen. Vielleicht hat die Lehrerin sogar nachdrücklich dazu aufgefordert: „Sie müssen mehr üben!“ Andererseits erzeugt dieses Üben ständig Streit und Disharmonie. Nicht selten fliegen sogar Hefte und Mäppchen durch die Gegend, fallen deftige Schimpfwörter und fließen Tränen. Dabei würden die meisten Kinder das Üben des Rechtschreibens gar nicht grundsätzlich ablehnen. Aber sie haben zu oft die Erfahrung gemacht, dass es nichts nützt. Wer immer wieder Diktate übt und trotzdem schlechte Noten schreibt, gewinnt schließlich die Überzeugung: „Ich kann ja üben, so viel ich will, ich werde eh nicht besser.“ Ohne Hoffnung auf Erfolg gibt es jedoch keine Motivation.

Üben muss Erfolgserlebnisse schaffen

Aus dieser Einsicht heraus habe ich vor rund 30 Jahren begonnen, eine Methode für das Rechtschreibtraining zu entwickeln, die nicht nur Erfolg verspricht, sondern auch viel Spaß macht. Heute ist meine Schubs®-Methode vielleicht noch wichtiger als in ihrer Anfangszeit, denn nach der jüngsten Studie des IQB (Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen, Humboldt Universität Berlin), dem IQB-Bildungstrend 2016, erreichen im Bundesdurchschnitt 22,1 Prozent aller Viertklässler nicht den Mindeststandard. Die Ursachen dafür liegen keinesfalls an Ansätzen wie Eigenfibeln, dem Spracherfahrungsansatz nach Brügelmann oder dem „Lesen durch Schreiben“ nach Jürgen Reichen. Speziell letztere Methode hat in jüngster Zeit viel Aufregung verursacht und in Baden-Württemberg Kultusministerin Eisenmann (CDU) zur Untersagung dieses Ansatzes veranlasst. Tatsächlich gibt es jedoch keinen wissenschaftlich haltbaren Grund für diese Maßnahme. Wenn Kinder Probleme mit der Schriftsprache haben, dann meistens aus Gründen einer genetischen Veranlagung, die sich unabhängig von der Schreiblernmethodik zeigt. Daneben spielt die Zunahme unserer elektronischen Medien im Alltag von Kindern eine enorme Rolle sowie die Tatsache, dass das Schreiben mit der Hand in unserer Gesellschaft insgesamt immer weniger praktiziert wird.

Die Schubs®-Methode ist ein ganzheitliches System zum Üben des richtigen Schreibens im häuslichen Bereich. Das Förderkonzept zielt auf „Hilfe zur Selbsthilfe“ und strebt an, eine erwachsene Bezugsperson (meistens ist das die Mutter) zu befähigen, auf eine bestimmte Art und Weise drei- bis viermal pro Woche für je 15 Minuten mit dem Kind zu arbeiten. Dadurch erübrigt sich in den meisten Fällen eine langwierige Therapie.

Jede Übungssituation muss kleine Erfolge beinhalten. Die erlebt ein Kind durch Lob. Darum gehört es zu den Grundbedingungen des Übens, dass Eltern ihre Perspektive wechseln: Nicht die Fehler, sondern jeder richtige Gedanke, jedes richtig geschriebene Wort sollten bemerkt werden. Erwischen Sie Ihr Kind beim Richtigen! Bestätigen Sie ein richtig geschriebenes Wort konsequent mit „ja“, „gut“, „okay“, „prima“ oder mit Lächeln und Kopfnicken. Sagen Sie Ihrem Kind immer wieder, dass etwas richtig war, „weil du gut aufgepasst / dich konzentriert / nachgedacht hast“. So erfahren Kinder wieder, dass ihre Anstrengung, ihr Nachdenken und ihre Aufmerksamkeit sich lohnen, und finden neue Motivation. Wer dagegen Fehler in den Mittelpunkt stellt, entmutigt - auch wenn die Absicht eigentlich positiv ist.

So funktioniert die Schubs®-Methode

Jede Mutter weiß, dass eine Übungseinheit für die Katz’ ist, wenn das Kind sie gezwungenermaßen und nur mit Widerstand über sich ergehen lässt. In der Tat, dann sollte man sie besser ausfallen lassen, denn mit einer negativen Einstellung bringt das Üben keinen Fortschritt und bestätigt das Kind nur in seiner Misserfolgsorientierung. Darum sollten die Übungszeiten mit ihm gemeinsam festgelegt und im Hausaufgabenheft oder dem Familien-Terminkalender eingetragen werden. So fühlen sich Kinder nicht „überfahren“, wenn es ans Üben geht. Dreimal in der Woche eine Viertelstunde ist dabei effektiver als einmal eine ganze Stunde. Wenn dann auch noch jede Übungseinheit mit einem kleinen Erfolg endet, weil Ihr letzter Satz heißt: „Prima, auch das war richtig. Du hast super mitgemacht!“, wird es Ihrem Kind nicht schwer fallen, bereitwillig zur nächsten Sitzung anzutreten.

Die Übungsbereitschaft wird noch steigen, wenn das Üben abwechslungsreich gestaltet wird. Das Diktattraining bewirkt nicht zuletzt deswegen wenig Positives, weil es langweilig und bewegungsarm verläuft. Außerdem beherrscht auch ein rechtschreibschwaches Kind 70 bis 90 Prozent aller Wörter, muss beim Diktat aber trotzdem alle zu Papier bringen, obwohl es wegen seiner vielen Misserfolge nicht gerne schreibt. Daher sollten nur die Fehlerwörter, die Sie systematisch sammeln, oder Übungswörter aus dem Unterricht trainiert werden.

Ihre Schreibweise wird besser gespeichert, wenn das Training mehrere Sinneskanäle anspricht und Bewegung beinhaltet. Üben Sie jedes Wort gründlich. Ihr Kind kann es beispielsweise

  • mit dem Finger auf die Tischplatte sowie an die Wand und mit der Fußspitze auf den Fußboden schreiben, und zwar so langsam und deutlich, dass Sie es lesen können;
  • silbenweise sprechen und dabei gleichzeitig mit dem Arm Silbenbögen in die Luft schwingen sowie je Silbe einen Schritt nach rechts machen;
  • mit dem Finger oben an die Zimmerdecke schreiben und dabei buchstabieren bzw. lautieren (je nach Lernstand);
  • mit dem „Nasenpinsel“ („Stell’ dir vor, an deiner Nasenspitze wäre ein Pinsel, mit dem du an die Decke schreiben kannst“) an die Decke schreiben und dazu buchstabieren;
  • mit dem Finger auf den Unterarm schreiben (der „erlaubte Spickzettel“);
  • abschließend auf einer Karteikarte notieren und auf der Rückseite verschiedene Formen des Wortes sowie seine Verwandten aus der Wortfamilie vermerken, die es im Wörterbuch nachschlägt.
  • Einen stark vertiefenden Effekt hat zudem das „rückwärts abbauende Lesen“, bei dem ein Wort Laut für Laut vom Ende her lautierend abgebaut und im Wechsel dazu von vorne her gelesen wird.

Derart durchgearbeitete Wörter können nun nach dem Prinzip der Lernkartei immer wieder in Form von Wortdiktaten wiederholt werden, bis sie gesichert sind. Die Kombination solcher Übungsschritte sorgt für Abwechslung und Freude beim Tun; fast alle Kinder haben großen Spaß an dieser Art von Arbeit, die ihnen gar nicht als solche vorkommt. Gleichzeitig werden Hören, Sprechen, Sehen, Tastsinn, Grob- und Feinmotorik, Gedächtnis sowie das Denken beansprucht und gefördert. So lernt Ihr Kind auf ganzheitliche Art und Weise und hat damit eine viel größere Chance, die geübten Wörter dauerhaft zu beherrschen.

Strategie gegen Flüchtigkeitsfehler

Für viele Kinder mit Rechtschreibproblemen sind ihre „Flüchtigkeitsfehler“ ein besonderes Thema. Weil sie nicht gerne schreiben, möchten sie schnell fertig sein – und verwenden daher wenig Aufmerksamkeit auf ihren Text. Oft sind sie mit ihren Gedanken schon weiter als mit dem Füller. Häufig wissen sie auch gar nicht, mit Hilfe welcher Gedanken sie ein Wort auf seine Schreibweise prüfen könnten; ihnen fehlt eine „Rechtschreib-Strategie“. Sie brauchen ein spezielles Training, um sich von „impulsiven“, gedankenlosen oder vorschnellen Schreibern zu „reflexiven“, denkenden entwickeln zu können. Der Sinn eines solchen Reflexivitätstrainings ist es, zum einen die Reaktion des Kindes beim Schreiben um eine Denkpause zu verzögern und ihm zum anderen jene Strategie zu vermitteln, mit der es in dieser Denkpause Entscheidungen über die korrekte Schreibung eines Wortes treffen kann.

Eine ganz einfache „Basis-Strategie“, die schon ab dem zweiten Schuljahr eingesetzt werden kann, besteht beispielsweise aus diesen zwei Aufgaben: „Ist das Wort ein Namenwort (Dingwort, Substantiv)? Buchstabiere es!“ Die richtige Antwort auf die Frage nach dem Substantiv hilft, Fehler in der Groß-/Kleinschreibung zu vermeiden, die alleine schon zwischen 30 und 50 Prozent aller Rechtschreibfehler ausmachen. Das Buchstabieren hilft, mit den Gedanken beim Wort zu bleiben und sich die Schriftzeichenabfolge vor dem Schreiben bewusst zu machen. In einem abgestuften Training wird eine solche Denkstrategie über mehrere Wochen hinweg nach und nach verinnerlicht und derart automatisiert, dass das Kind sie bei Bedarf ohne große Unterbrechung des Schreibflusses anwenden kann. Für ältere Schüler gibt es ausgefeiltere Strategien (ausführlich in „Rechtschreibtraining mit der Schubs®-Methode“, s. Kasten).

Mit System zum Erfolg

Diktate, das ist offensichtlich, taugen nicht zum Trainieren des Rechtschreibens. Sie bieten dem Übenden keine speziellen, individuellen Hilfen für sein Lernen an. Sie vermitteln keine Schreibstrategie und kein Rechtschreib-Gefühl, sondern verführen im Gegenteil zum Auswendiglernen, so dass die Lücken mancher Kinder erst beim freien Schreiben sichtbar werden. Das Arbeiten an den eigenen Fehlerwörtern mit Bewegung und Anregungen für die Sinne, das Wiederholen und Festigen nach dem Prinzip der Lernkartei und das Vermeiden von Flüchtigkeitsfehlern durch das „Einprogrammieren“ einer Denkstrategie im Reflexivitätstraining stellen dagegen ein System dar, mit dessen Hilfe die Rechtschreibkompetenz nach und nach, aber stetig, wächst.

„Meine Mama übt jetzt viel besser mit mir als früher!“, sagte einmal eine Schülerin, deren Mutter dieses Übungssystem in einem meiner Workshops erlernt hatte. Ein schöneres Lob können sich Eltern wohl kaum vorstellen, die zuvor in der Diktatfalle steckten. Viel wichtiger allerdings: Die Beziehung zwischen Mutter und Kind wird entspannter und die Lernfreude kehrt zurück - gute Voraussetzungen für wachsendes Selbstbewusstsein sowie weiteren Erfolg in der Schule!

Literatur

Detlef Träbert: Rechtschreibtraining mit der Schubs®-Methode, Dreieich (MEDU Verlag) 2017, 152 S., € 12,95 (ISBN 978-3-944948-91-1)

Der Autor stellt die Methode ausführlich in Vortragsveranstaltungen dar und übt sie mit interessierten TeilnehmerInnen auch in Workshops ein.

Weitere Beiträge des Autors hier in unserem Familienhandbuch

Autor

Detlef Träbert ist nach 18 Jahren als Lehrer und Beratungslehrer in Baden-Württemberg seit 1996 freiberuflich tätig. Der Diplom-Pädagoge betreibt seinen Schulberatungsservice Schubs® in Köln, von wo aus er Elternvorträge und –workshops sowie Fortbildungen für ErzieherInnen und Lehrkräfte in ganz Deutschland anbietet.

Er ist Autor zahlreicher Bücher im pädagogischen Bereich und seit 2016 Ehrenvorsitzender der Aktion Humane Schule e.V.

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Dipl.-Päd. Detlef Träbert
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eingestellt am 21. Dezember 2017

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