Warum es Gemüse auf Kindertellern oft schwer hat & was helfen kann

Eva Seehausen – Sarah Wiener Stiftung

Eva Seehausen

Kinder haben eine „natürliche Skepsis“ gegenüber Gemüse. Das liegt an biologischen, geschmacklichen und entwicklungspsychologischen Faktoren – etwa an bitteren Aromen, an weniger bekannten Texturen oder weil Gemüse nicht als „satt machend“ wahrgenommen wird. Doch diese Skepsis kann überwunden werden: gemeinsame Zubereitung, spielerisches Ausprobieren und ein wiederholter, positiver Kontakt sind Wege, Kindern Gemüse schmackhaft zu machen. Kochen mit Kindern ist dabei eine zentrale Möglichkeit, die mehrere positive Effekte bietet – nicht nur für Essverhalten, sondern auch für Entwicklung und Beziehung.

Eltern kennen die Situation gut: Während Nudeln, Pizza oder Obst meist gern gegessen werden, stoßen Brokkoli, Zucchini oder Spinat oft auf Ablehnung. Das ist zunächst ganz normal – und kein Grund zur Sorge. Entscheidend ist, wie Familien mit dieser Skepsis umgehen. Hier setzt die Idee der „Familienküche“ an: Kinder frühzeitig und spielerisch in die Zubereitung einzubeziehen, damit sie Lebensmittel mit allen Sinnen erfahren und eine positive Haltung zum Essen entwickeln können. So wird die Küche zum Lern- und Erlebnisraum für die ganze Familie.

Mögliche Gründe für die Skepsis gegenüber Gemüse

Neue oder bittere Geschmäcker
Ein bitterer Geschmack könnte ein Zeichen dafür sein, dass Pflanzen giftig oder verdorben sind. Deshalb reagieren Kinder instinktiv vorsichtiger auf bittere oder ungewohnte Aromen. Aus diesem Grund empfinden sie Gemüse, das bestimmte Bitterstoffe enthält, zunächst oft als unangenehm. Dieser Mechanismus schützt sie seit jeher. Kinder müssen erst lernen, was bitter und trotzdem essbar ist.

Ungewohnte Textur und Geruch
Kochen, Dämpfen oder andere Zubereitungsarten verändern Konsistenz und Duft von Gemüse. Wenn Kinder Gemüse zum ersten Mal in einer für sie ungewohnten Form erleben (z. B. weich, mehlig, warm), kann das irritierend sein. Gerüche, die sich beim Erhitzen entwickeln, können diese Unsicherheit verstärken. Tipps: Immer wieder anbieten, damit das Kind die neue Textur kennenlernen kann. Dem Kind ermöglichen, die neue Textur mit allen Sinnen zu erkunden.

Sättigungsgefühl und Vorliebe für süß oder fettig
Kinder bevorzugen häufig Geschmäcker, die süß oder fettig sind – diese liefern relativ schnell Energie und werden evolutionär positiv bewertet. Gemüse allein wirkt oft weniger „reichhaltig“ und unmittelbar belohnend, wodurch Kinder es intuitiv manchmal als weniger „wertvoll“ einstufen. Tipp: Gemüse mit einer reichhaltigen Soße oder Dip anbieten.

Gewöhnung und Wiederholung
Wenn Kinder Gemüse selten angeboten bekommen oder nur in Formen, die sie nicht mögen, entsteht wenig Chance zur Gewöhnung. Erfahrung und Häufigkeit spielen eine wichtige Rolle: Je öfter Gemüse in verschiedenen Zubereitungen, Texturen und Geschmacksprofilen angeboten wird, desto größer ist die Chance, dass Kinder es akzeptieren.

Psychologische Faktoren – Kontrolle, Macht und Vorbilder
Positive Erfahrungen bei den Mahlzeiten legen einen bedeutsamen​ Grundstein für ein gesundheitsförderndes Ernährungsverhalten. Zwang und Überreden führen bei Kindern eher zu Ablehnung – viele Erwachsene kennen noch heute die Abneigung gegen Lebensmittel, die sie als Kinder essen mussten. Daher ist die Maßgabe: Kein Kind muss aufessen oder probieren. Dieses Vorgehen respektiert nicht nur die kindliche Selbstbestimmung, sondern steht auch im Einklang mit zentralen Prinzipien der UN-Kinderrechtskonvention, insbesondere dem Recht auf Beteiligung (Artikel 12) und dem Recht auf Gesundheit (Artikel 24).
Kinder gucken sich zudem viel bei ihren Eltern ab: Wenn Eltern und das Umfeld Gemüse positiv bewerten, regelmäßig anbieten und selbst essen, erhöht das die Wahrscheinlichkeit, dass Kinder es ebenfalls mögen. Auch die Möglichkeit zur Mitbestimmung, etwa bei Auswahl oder Vorbereitung, ist wichtig.

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Wie Kochen mit Kindern helfen kann

Beim Schneiden, Riechen, Probieren und Kneten können Kinder Lebensmittel ganz ohne Druck mit allen Sinnen entdecken. So entwickeln sie ein natürliches Interesse am Essen, lernen neue Geschmäcker kennen und gewinnen Vertrauen im Umgang mit frischen Zutaten.

Vorteile vom Kochen mit Kindern

Sensorische Erfahrung
Kinder haben beim Kochen die Möglichkeit, Gemüse mit allen Sinnen kennenzulernen – wie es riecht, wie es sich anfühlt, wie es aussieht (u.a. Farbe, Form) und wie sich sein Geschmack verändert durch unterschiedliche Zubereitungsweisen. Diese Erfahrungen helfen, Unsicherheit und Abneigung abzubauen.

Selbstwirksamkeit und Mitbestimmung
Wenn Kinder mitwirken dürfen – etwa beim Waschen, Schneiden, Kochen – fühlen sie sich gehört und wichtig. Sie stellen selbst her, haben Einfluss darauf, wie etwas auf den Tisch kommt. Das stärkt Vertrauen und ebnet Wege, Gemüse zu akzeptieren.

Vielfalt und Wiederholung
Kochen ermöglicht, Gemüse immer wieder in neuen Formen anzubieten: roh, gekocht, gratiniert, gebraten etc. Durch Variation und Wiederholung gewöhnen sich Kinder an unterschiedliche Geschmäcker und Texturen.

Gemeinsame Familienmomente
Gemeinsames Kochen verbindet: Gespräche während des Kochens, das gemeinsame Probieren, das leckere Ergebnis auf dem Esstisch. Essen wird so nicht nur Nahrung, sondern zu einem positiv besetzten Erlebnis.

Praktische Tipps, wie Eltern und Familien Gemüse leichter zugänglich machen

Maßnahme

Wirkung

Gemüse in kleinen Portionen anbieten Reduziert Überforderung und Druck
Unterschiedliche Zubereitungsarten ausprobieren Textur und Geschmack variieren (gebraten, gedünstet, roh, püriert)
Kinder bei Auswahl und Einkauf mitbestimmen lassen Neugier wecken, Eigenverantwortung fördern
Regelmäßig Gemüse auf den Familienspeiseplan setzen Wiederholung fördert Gewöhnung


Rezepte für das Kochen mit Kindern

Für das Kochen mit Kindern eignen sich für den Einstieg vor allem einfache Rezepte. In dem kostenfreien Onlineangebot „Familienküche“ finden Eltern Rezepte, die extra so gestaltet sind, dass Kinder aktiv mitmachen können. Diese Rezepte sind einfach aufgebaut, haben wenige Arbeitsschritte und liefern klare Hinweise, wie Kinder mitkochen können. So bleibt der Ablauf überschaubar und der Spaß im Vordergrund. Wie wäre es beispielsweise mit Gemüsebratlingen, Knusperkartoffeln oder Möhrenwaffeln?

In der Familienküche finden Eltern außerdem Wochenpläne, Praxistipps und Webinare rund um das Thema Ernährung. Entwickelt wurde die Plattform von Ich kann kochen!, der gemeinsamen Initiative der Sarah Wiener Stiftung und der BARMER, die sich für praktische Ernährungsbildung einsetzt.

Fazit

Wenn Kinder skeptisch gegenüber Gemüse sind, kann das vielfältige Gründe haben – biologische, geschmackliche und psychologische. Um Kindern diese Skepsis zu nehmen, sind wiederholte positive Erfahrungen nötig. Kochen mit Kindern ist dabei ein Schlüssel: Es eröffnet eine Bühne, Gemüse als Teil eines lebendigen und freudvollen Familienalltags zu integrieren. Wer Kindern ermöglicht, aktiv mitzuwirken, auszuprobieren und mitzugestalten, legt das Fundament für eine selbstbestimmte und gesunde Ernährung.

Die Familienküche – ein Blick hinter die Initiative

Die Familienküche ist Teil von „Ich kann kochen!“, der bundesweiten Ernährungsinitiative von BARMER und der Sarah Wiener Stiftung. Sie wurde 2015 ins Leben gerufen, um Kinder frühzeitig für ausgewogene Ernährung zu begeistern und ihnen Freude am Selbermachen zu vermitteln. Über die Familienküche erhalten Familien Anregungen, Rezepte und Tipps, wie gemeinsames Kochen im Alltag gelingen kann.
Darüber hinaus bietet „Ich kann kochen!“ praxisnahe Fortbildungen für pädagogische Fach- und Lehrkräfte an. So werden nicht nur Familien, sondern auch Kinder in Kitas, Grundschulen und weiteren Bildungseinrichtungen erreicht – mit dem Ziel, Ernährungsbildung dauerhaft in den Alltag von Kindern zu integrieren.

Autorin

Eva Seehausen - Sarah Wiener Stiftung

Referentin Online Marketing
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Sarah Wiener Stiftung
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Tel.: + 49 (0)30 166370-100

www.sw-stiftung.de                                                                                          

www.ichkannkochen.de

www.familienkueche.de

eingestellt am 05. Dezember 2025