Elterliche Sorge - Teil 2: Was bedeutet und umfasst elterliche Sorge eigentlich?

Prof. Dr. Hans Schleicher/ Prof. Dr. Susanne Nothhafft
Susanne Nothhafft

In diesem Beitrag stehen die zentralen Fragestellungen rund um die elterliche Sorge im Fokus: Wie entsteht elterliche Sorge? Wann endet sie? Welches Handeln wird von der elterlichen Sorge umfasst und wo findet die elterliche Sorge Grenzen?

1. Wesen der elterlichen Sorge

Ein Kind ist, so lange es minderjährig ist (§ 2 BGB), der elterlichen Sorge anvertraut (§ 1626 Abs.1 BGB).

Bei Schaffung des BGB war diese wichtige elterliche Aufgabe als “elterliche Gewalt” bezeichnet worden. Erst 1980 wurde diese Bezeichnung abgeschafft, weil auch gesetzgeberisch klargestellt werden sollte, dass es sich hierbei um kein Herrschaftsrecht der Eltern über ihre Kinder handelt, sondern damit zentral die elterliche Fürsorgefunktion zum Ausdruck gebracht werden soll.

Bei der elterlichen Sorge stehen die Pflichten und nicht etwa die Berechtigungen der Eltern im Vordergrund. Das wird auch vom Gesetzgeber in § 1626 BGB betont („…Pflicht und Recht …” ). Daher ist es verfehlt, wenn von „Elternrecht“ gesprochen wird (z.B.: “er / sie hat das alleinige Sorgerecht”). Hier handelt es sich vielmehr um ein von den Eltern ausgeübtes “Recht im Interesse des Kindes” - ein sgn. pflichtgebundenes Recht -  für das die Bezeichnung ”Elternverantwortung“ treffender wäre.

Die elterliche Sorge ist somit ein Fürsorge- und Schutzverhältnis für minderjährige Kinder, das verfassungsrechtlich geschützt ist (Art. 6 Abs.2 GG), und grundlegend am Wohl des Kindes zu orientieren ist (§ 1627 BGB), das heißt zum Nutzen seiner Entwicklung zu einer selbständigen, eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit (vgl. § 1 Abs.1 SGB VIII).

Dieses Ziel ist nur zu erreichen, wenn die Eltern dem Kind mit zunehmendem Alter und entsprechend seiner Einsichtsfähigkeit ein Mitspracherecht in Angelegenheiten der elterlichen Sorge einräumen und ihm/ihr die Möglichkeit zu selbständigem und verantwortungsbewusstem Handeln geben (§ 1626 Abs.2 BGB). Die Eltern sollen das Kind also an Entscheidungen teilnehmen lassen (z. B. in Fragen des Taschengeldes, der Berufswahl, der Wahl des Ausbildungsplatzes, des Umgangs mit Freunden und Bekannten, Gestaltung der Freizeit). Das Gesetz fordert damit einen Erziehungsstil, der am partnerschaftlichen Dialog mit dem Kind ausgerichtet ist. Wenn kein Einvernehmen zu erzielen ist, haben die Eltern letztlich allein die Entscheidung zu treffen. Verstoßen sie gegen das Gebot einer partnerschaftlichen Erziehung (gesetzliches Leitbild der Erziehung), riskieren sie ggf. eine Einschränkung ihres Sorgerechts (§ 1666 BGB).

2. Inhaber der elterlichen Sorge

Das Gesetz unterscheidet bezüglich der elterlichen Sorge zwischen Kindern, deren Eltern verheiratet bzw. nicht verheiratet sind.

Verheiratete Eltern haben grundsätzlich gemeinsam die Pflicht und das Recht, für ihr minderjähriges Kind zu sorgen (§ 1626 Abs.1 S.1 BGB). Sind sie bei Geburt des Kindes bereits verheiratet, haben sie die gemeinsame Sorge von Anfang an; heiraten sie erst später, steht ihnen die gemeinsame Sorge ab dem Tag der Eheschließung zu (§ 1626 a Abs.1 Nr. 2 BGB).

Nicht miteinander verheirateten Eltern können gem. § 1626a Abs.1 BGB gemeinsam sorgeberechtigt sein,

1. wenn sie erklären, dass sie die Sorge gemeinsam übernehmen wollen (Sorgeerklärungen),

2. wenn sie einander heiraten oder

3. soweit ihnen das Familiengericht die elterliche Sorge gemeinsam überträgt.

Gem. 1626 a Abs.1 Nr.3, Abs.3 BGB überträgt das Familiengericht auf Antrag eines Elternteils die elterliche Sorge oder einen Teil der elterlichen Sorge beiden Eltern gemeinsam, wenn die Übertragung dem Kindeswohl nicht widerspricht. Trägt der andere Elternteil keine Gründe vor, die der Übertragung der gemeinsamen elterlichen Sorge entgegenstehen können, und sind solche Gründe auch sonst nicht ersichtlich, wird vermutet, dass die gemeinsame elterliche Sorge dem Kindeswohl nicht widerspricht.

Die Sorgeerklärungen i.S.v. § 1626 a Abs.1 Nr.1 BGB müssen öffentlich beurkundet werden (§ 1626 d Abs.1 BGB). Beurkundungen nehmen Jugendämter (§ 59 Abs.1 S.1 Nr.8 SGB VIII) und Notare vor. Im Falle des Streites in Bezug auf gemeinsame elterliche Sorge können sich beide Elternteile an das Jugendamt wenden (§ 18 Abs.2 SGB VIII) und dort beraten werden. Sofern der Einigungsversuch fehlschlägt oder eine Einigung von vornherein aussichtslos erscheint, kann das Familiengericht auf Antrag eines Elternteils den Eltern die gemeinsame elterliche Sorge übertragen, wenn die Übertragung dem Kindeswohl nicht widerspricht (§ 1626a Abs.2 S.1, Abs.1 Nr.3 BGB).

Steht die elterliche Sorge nicht gem. § 1626 a Abs.1 BGB beiden Elternteilen zu, verbleibt sie gem. § 1626 a Abs.3 BGB  „im Übrigen“ bei der Mutter.

Die gemeinsame Sorge muss in gegenseitigem Einvernehmen zum Wohl des Kindes ausgeübt werden. Bei Meinungsverschiedenheiten müssen die Eltern versuchen, sich zu einigen (§ 1627 BGB). Gelingt ihnen das nicht und handelt es sich um eine Angelegenheit, deren Regelung für das Kind von erheblicher Bedeutung ist (z. B. Wahl der Schule), kann das Familiengericht angerufen werden (§ 1628 BGB). Das Familiengericht darf aber nicht an Stelle der Eltern entscheiden. Es kann zunächst nur versuchen, doch noch auf eine Einigung der Eltern hinzuwirken (§ 156 Abs.1 FamFG). Dabei sollen die Beteiligten auf die Beratungsmöglichkeiten (z. B. nach § 17 Abs.1 S. 2 Nr.1 und 2 SGB VIII), die Möglichkeit der Mediation oder der sonstigen außergerichtlichen Streitbeilegung hingewiesen werden.

Wenn die Uneinigkeit dennoch weiter besteht, muss das Familiengericht einem Elternteil die Entscheidung in der strittigen Angelegenheit übertragen. Die Entscheidung bleibt also letztlich in der Familie.

3. Umfang und Inhalt der elterlichen Sorge

Die elterliche Sorge umfasst die Personensorge, die Vermögenssorge (§ 1626 Abs.1 BGB) und die Vertretung des Kindes in persönlichen Angelegenheiten und in Vermögensangelegenheiten (gesetzliche Vertretung, § 1629 Abs.1 BGB).

3.1 Personensorge

Die Personensorge umfasst sämtliche Angelegenheiten, die die Person eines Kindes betreffen. Da eine abschließende Festlegung des genauen Inhalts der Personensorge nicht möglich ist, nennt das BGB nur die wichtigsten Bereiche ausdrücklich (in der Sprache des BGB ausgedrückt durch das Wort „insbesondere“):

  • Pflege (§ 1631 Abs.1 BGB),
  • Erziehung (§ 1631 Abs.1 BGB),
  • Beaufsichtigung (§ 1631 Abs.1 BGB),
  • Aufenthaltsbestimmung (§ 1631 Abs.1 BGB),
  • Ausbildungs- und Berufswahl (§ 1631a BGB),
  • mit Freiheitsentzug verbundene Unterbringungen (§ 1631b BGB), 1)
  • Herausgabeanspruch gegenüber Dritten (§ 1632 Abs. 1 BGB),
  • Bestimmung des Umgangs mit anderen Personen (§ 1631 Abs. 2 BGB).

Darüber hinaus gibt es jedoch noch weitere, die Person eines Kindes betreffende Angelegenheiten der Personensorge, die in der Aufzählung nicht explizit genannt, aber möglich sind:

z.B.:

  • Vornamensgebung,
  • Festlegung (bzw. Nichtfestlegung) einer Religion,
  • Einwilligung in ärztliche Behandlungen und Operationen,
  • Förderung von musischen, sportlichen und künstlerischen Fähigkeiten und Neigungen etc.,
  • Geltendmachung von Rechtsansprüchen des Kindes jedweder Art (insbesondere von Schadensersatz- und Unterhaltsansprüchen)

Diese Inhalte fasst man auch unter dem Begriff "tatsächliche Personensorge" zusammen.

- Pflege

 Damit ist alles gemeint, was dem leiblichen und seelischen Wohlergehen des Kindes dient und seine Grundbedürfnisse nach Ernährung, Bekleidung, Wohnung, Behütung und Zuwendung befriedigt. Sie steht in einem untrennbaren Zusammenhang mit der Erziehung.

- Erziehung

 Der Gesetzgeber hat den Erziehungsbegriff nicht definiert. Er hat lediglich allgemeine Leitlinien aufgestellt und den Rahmen abgesteckt, innerhalb dessen die Eltern selbst entscheiden sollen (§§ 1626 Abs.2, 1627 BGB). Kraft ihres Erziehungsrechts haben die Eltern auch für eine angemessene Schul- und Berufsausbildung des Kindes zu sorgen. Weil sich gerade hier Fehlentscheidungen besonders nachteilig auswirken können, hat der Gesetzgeber die Eltern ganz besonders verpflichtet, ihr Bestimmungsrecht im Einklang mit den wohlverstandenen individuellen Interessen des Kindes auszuüben (§ 1631 a BGB). Lässt sich ein Einvernehmen zwischen Eltern und Kind nicht erzielen, sollen die Eltern den Rat einer geeigneten Person einholen; u. U., vor allem bei Unklarheit über Eignung und Berufsaussichten, kann auch die Berufsberatung des Arbeitsamtes wertvolle Dienste leisten.

Nach dem Gesetz über die religiöse Kindererziehung (RelKErzG) steht den Eltern das Recht zu, die religiöse Erziehung des Kindes zu bestimmen. Das Bestimmungsrecht endet aber nach § 5 RelKErzG mit der Religionsmündigkeit des Kindes, die bereits mit Vollendung des 14. Lebensjahres eintritt. Hat das Kind das 12. Lebensjahr vollendet, kann es einem Wechsel seines Bekenntnisses widersprechen und verlangen, in seinem bisherigen Bekenntnis erzogen zu werden.

Körperliche Bestrafungen als Erziehungsmaßnahmen sind unzulässig. Nach § 1631 Abs.2 BGB haben Kinder ein Recht auf gewaltfreie Erziehung. Durch diese Formulierung wird deutlich gemacht, dass Gewalt kein Erziehungsmittel sein kann. Es geht dem Gesetzgeber jedoch nicht in erster Linie um die Bestrafung gewalttätigen Verhaltens als Körperverletzung, sondern um dessen Verhinderung durch präventive Beratung. Deshalb ist gleichzeitig auch § 16 Abs.1 SGB VIII geändert worden, in dem nunmehr ein Beratungsanspruch zur gewaltfreien Lösung von Familienkonflikten normiert ist.

- Beaufsichtigung

Sie beinhaltet die Verpflichtung, das Kind und Dritte vor Schaden durch das Kind zu bewahren. 

 In das Grundrecht des Briefgeheimnisses (Art.10 GG) dürfen die Eltern nur eingreifen, wenn dies zur Abwendung einer dem Kind oder Dritten drohenden Gefahr geboten ist.

- Aufenthaltsbestimmung

Aufgrund dieses Rechts können die Eltern den Wohnort und damit auch die Unterbringung des Kindes, z. B. in einem Internat oder bei einer Pflegefamilie, bestimmen.  Soweit die Unterbringung mit Freiheitsentziehung verbunden ist (z. B. Entziehungskur in einer geschlossenen Einrichtung) brauchen die Eltern für diese Maßnahme nach § 1631b BGB die Genehmigung des Familiengerichts. Das Jugendamt wirkt bei dieser Entscheidung mit (§ 50 Abs.1 S.2 Nr.1 SGB VIII, § 162 FamFG). Verfahren dieser Art hat das Gericht vorrangig und beschleunigt durchzuführen (§ 155 FamFG).

- Unterstützung durch das Familiengericht (§ 1631 Abs.3)

Das Familiengericht muss die Eltern auf deren Antrag hin bei der Ausübung der elterlichen Sorge unterstützen. Es hat dazu vor seiner Entscheidung das Jugendamt zu hören ( § 50 Abs.1 S.2 Nr.1 SGB VIII, § 162 FamFG).

- Umgangsbestimmung (§ 1632 Abs.2)

 Umgangsverbote können Dritten gegenüber mit Hilfe des Familiengerichts durchgesetzt werden (§ 1632 Abs.3 BGB). Auch bei einem solchen Verfahren wirkt das Jugendamt mit (§ 50 Abs.1 S. 2 Nr.1 SGB VIII, § 162 FamFG). Das Familiengericht kann zur Befolgung seiner Anordnung ein Zwangsgeld, unter Umständen sogar Zwangshaft anordnen (§ 35 Abs.1 FamFG).

- Anspruch auf Herausgabe des Kindes (§ 1632 Abs.1)

Über Streitigkeiten mit Dritten oder über einen Herausgabestreit zwischen den Eltern entscheidet das Familiengericht (§ 1632 Abs.3 BGB). Ein Kind, das längere Zeit bei einer Pflegefamilie oder Pflegeperson gelebt hat, können die Eltern nicht mehr ohne weiteres von der Pflegeperson wegnehmen (§ 1632 Abs.4 BGB). Dabei kommt es darauf an, ob die Pflegezeit dazu geführt hat, dass das Kind in der Pflegefamilie seine Bezugswelt gefunden hat und durch die (eventuell abrupte) Herausnahme sein persönliches, insbesondere sein seelisches Wohl gefährdet würde. Auch bei diesem Verfahren soll das Gericht auf ein Einvernehmen der Beteiligten hinwirken und auf außergerichtliche Beratungsmöglichkeiten hinweisen (§ 156 FamFG). Mitwirkung des Jugendamtes: § 50 Abs.1 S. 2 Nr.1 SGB VIII, § 162 FamFG. Auch für dieses Verfahren gilt das Vorrang- und Beschleunigungsgebot (§ 155 FamFG).

- Einwilligung bei operativen Eingriffen (Verbot der Sterilisation § 1631c)

Die zu einem Eingriff (Operation, Schwangerschaftsabbruch) erforderliche Einwilligung müssen grundsätzlich die Eltern erteilen. Nur wenn das Kind die erforderliche Verstandesreife besitzt, um die Bedeutung und die Folgen des Eingriffs (Tragweite) beurteilen zu können, genügt seine Einwilligung. In eine Sterilisation des Kindes können die Eltern, aber auch das Kind selbst, nicht einwilligen.

- Beschneidung des männlichen Kindes (§ 1631d)

Die Personensorge umfasst auch das Recht, in eine medizinisch nicht erforderliche Beschneidung des nicht einsichts- und urteilsfähigen männlichen Kindes einzuwilligen, wenn diese nach den Regeln der ärztlichen Kunst durchgeführt werden soll. Dies gilt nicht, wenn durch die Beschneidung auch unter Berücksichtigung ihres Zwecks das Kindeswohl gefährdet wird.

In den ersten sechs Monaten nach der Geburt des Kindes dürfen auch von einer Religionsgesellschaft dazu vorgesehene Personen Beschneidungen gemäß § 1631d Abs.1 BGB durchführen, wenn sie dafür besonders ausgebildet und, ohne Arzt zu sein, für die Durchführung der Beschneidung vergleichbar befähigt sind."

3.2 Vermögenssorge

Vermögenssorge bedeutet das Recht und die Verpflichtung zur Erhaltung und Vermehrung des Kindesvermögens. Vermögen ist alles, was in Geld ausdrückbaren Wert hat. Zum sgn. Vermögen zählt nicht, was dem Kind zur freien Verfügung überlassen ist  - so fällt z.B. wegen der pädagogischen Zielsetzung Taschengeld in den Bereich der Personensorge.

Dieser Bereich der elterlichen Sorge umfasst also alle tatsächlichen und rechtlichen Handlungen, die die Erhaltung, Vermehrung und Verwertung des Kindesvermögens (Grundbesitz, Wertpapiere, Geschäftsanteile, namhafte Geldbeträge) betreffen. Dieser Komplex wird daher auch als “Vermögensverwaltung” bezeichnet. Da die wenigsten minderjährigen Kinder schon Vermögenswerte besitzen, kommt diesem Teil der elterlichen Sorge in der Praxis meist keine besondere Bedeutung zu.

Wenn Kinder allerdings infolge Schenkung oder Erbschaft oder anderer Vorgänge bereits eigenes Vermögen besitzen, kann die Vermögensverwaltung der Eltern durchaus problematisch sein. Der Gesetzgeber hat daher zum Schutz minderjähriger Kinder hier einige Beschränkungen vorgesehen:

  • Einige vom Gesetzgeber als besonders wichtig erachtete Rechtsgeschäfte (insbesondere bei Grundstücks- und Kreditgeschäften sowie bei Verträgen, bei denen Minderjährige über ein Jahr über die Volljährigkeit hinaus noch verpflichtet werden würden,) bedürfen der Genehmigung des Familiengerichts (vgl. im Einzelnen § 1643 Abs.1 BGB).
  • Der Genehmigung des Familiengerichts bedürfen gemäß § 1643 Abs.2 BGB auch die Ausschlagung einer Erbschaft oder eines Vermächtnisses sowie der Verzicht auf einen Pflichtteilsanspruch.
  • Bei der Verwaltung von Schenkungen und Erbschaften haben sich die Eltern grundsätzlich an (eventuelle) Anordnungen der Schenker bzw. Erblasser zu halten (§ 1639 BGB) und sind bei Zuwendungen über 15.000,- Euro verpflichtet, ein Vermögensverzeichnis anzulegen (§ 1640 BGB).
  • Eltern können von Schenkern und Erblassern aber auch ganz von der diesbezüglichen Verwaltung ausgeschlossen werden (§ 1638 BGB). Dann muss vom Vormundschaftsgericht hierfür ein Pfleger bestellt werden (§ 1909 Abs.1 Satz 2 BGB).
  • Eltern können zu Lasten des Kindes grundsätzlich keine Schenkungen vornehmen (§ 1641 BGB); diese wären gemäß § 134 BGB nichtig.
  • Geld, das der Vermögensverwaltung der Eltern unterliegt, haben diese nach den Grundsätzen einer wirtschaftlichen Vermögensverwaltung anzulegen, soweit es nicht zur Bestreitung von Ausgaben bereit zu halten ist (vgl. § 1642 BGB). Die Verpflichtung zur mündelsicheren Anlegung (vgl. § 1807 BGB) ist seit 1980 entfallen; hieran sind nur noch Vormünder oder Pfleger gebunden.
  • Bei drohender oder bereits eingetretener Pflichtverletzung bzgl. der Vermögensverwaltung kann das Familiengericht Sicherungsmaßnahmen anordnen (siehe § 1667 Absätze 1-3 BGB) oder bei Nichtbefolgen seiner Anordnungen sowie bei Gefährdung des Vermögens der Eltern ihnen die Vermögensverwaltung teilweise oder ganz entziehen (§ 1667 Abs.3 S. 4 BGB). Letzteres ist auch bei Unterhaltspflichtverletzungen der Eltern möglich (vgl. § 1666 Abs.  2 BGB).

Einkünfte aus dem Kindesvermögen (nicht die Substanz!) können nach Deckung der Verwaltungskosten für den Unterhalt des Kindes und nach Billigkeit auch zum Unterhalt der Eltern und der minderjährigen unverheirateten Geschwister des Kindes verwendet werden (§ 1649 BGB). Arbeitseinkünfte des Kindes dürfen nur für dessen Unterhalt verwendet werden. Wenn die Eltern mit Mitteln des Kindes bewegliche Sachen erwerben, wird mit dem Erwerb das Kind Eigentümer der Sachen (§ 1646 BGB).

3.3 Gesetzliche Vertretung (§ 1629)

Unter gesetzlicher Vertretung versteht man die Aufnahme, Änderung oder Aufhebung von Rechtsbeziehungen für das Kind zu Dritten; anders ausgedrückt: die Abgabe oder Annahme von Willenserklärungen oder die Vornahme anderer Rechtshandlungen für das Kind (z. B. Abschluss von Verträgen).

Zur gesetzlichen Vertretung zählen nicht nur rechtsgeschäftliche Handlungen (wie das Abschließen von Verträgen), sondern sämtliche Rechtshandlungen, die ein minderjähriges Kind betreffen.

Beispiele:

Einwilligung in eine bestimmte ärztliche Behandlung oder Operation, Zustimmung zur Adoption, Anträge bei Behörden (z.B.: auf Gewährung von Ausbildungsbeihilfen, Jugend- oder Sozialhilfeleistungen oder Schul-An-/Abmeldung).

Gesetzliche Vertretung bedeutet aber nicht, dass kraft Gesetzes die Eltern gegenüber den jeweiligen Rechtspartnern ihrer Kinder dann für die von ihnen vorgenommenen Rechtshandlungen haften. Denn die Rechtswirkungen dieses Handelns (d.h. die sich hieraus ergebenden Berechtigungen wie Verpflichtungen) treten nur bei den Vertretenen (d.h. also bei den Minderjährigen – und nicht etwa bei den Eltern !) ein, wie das bei Handlungen anderer Stellvertreter auch der Fall ist (vgl. § 164 Abs.1 Satz 1 BGB). – Allerdings ist seit 1999 durch das Minderjährigenhaftungsbeschränkungsgesetz die Haftung Minderjähriger für Verbindlichkeiten, die auf ein Tätigwerden ihrer gesetzlichen Vertreter beruhen, gesetzlich begrenzt worden, d.h. sie müssen diese nur erfüllen, soweit ihnen das aus einem bei Eintritt ihrer Volljährigkeit vorhandenen Vermögen möglich ist (vgl. § 1629 a BGB).

Gesetzliche Vertretung ist eine rechtliche Befugnis, von der die Eltern Gebrauch machen können oder auch nicht. Bei Missbräuchen kommt nur Schadensersatz (vgl. §§ 1664, 277 BGB) oder Entzug der Vertretung durch das Familiengericht gemäß § 1666 BGB und Bestellung eines Pflegers/einer Pflegerin nach § 1909 BGB in Betracht.

Wenn Eltern als gesetzliche Vertreter ihrer minderjährigen Kinder handeln, müssen sie dies deutlich machen. Tun sie das nicht, treffen die Rechtswirkungen ihrer Handlungen sie selbst.

Die Eltern vertreten in der Regel das Kind gemeinsam (§ 1629 Abs.1 BGB). Für die Empfangsvertretung genügt aber die Abgabe der Erklärung einem Elternteil gegenüber (§ 1629 Abs.1 S. 2 BGB). Ein Elternteil kann den anderen aber für bestimmte Angelegenheiten ausdrücklich zur Alleinvertretung bevollmächtigen. Eine stillschweigende Bevollmächtigung (Duldungsvollmacht) wird man nur bei weniger bedeutsamen Rechtshandlungen annehmen dürfen. Eine Einzelvertretung kennt das Gesetz sonst nur (§ 1629 Abs.1 S.3 BGB), wenn ein Elternteil das Sorgerecht kraft Gesetzes oder aufgrund richterlicher Entscheidung allein ausübt (so in den Fällen des § 1680, § 1678 Abs.1 i.V.m. §§ 1673, 1674 BGB) oder ihm die Entscheidung nach § 1628 übertragen ist. Praktisch wichtig ist die Regelung des § 1629 Abs.2 S. 2 BGB, wonach ein Elternteil, in dessen Obhut sich ein Kind befindet, Unterhaltsansprüche des Kindes gegenüber dem anderen Elternteil geltend machen kann, und zwar unabhängig davon, ob es sich um gemeinsame Sorge während bestehender Ehe, nach Auslösung der Ehe oder bei nicht miteinander verheirateten Eltern handelt.

3.4. Sonderregelung für verheiratete Minderjährige

Da es keinen Sinn machen würde, Jugendliche, die für ehemündig erklärt worden sind, im Bereich der tatsächlichen Personensorge noch dem Bestimmungsrecht ihrer Eltern zu unterwerfen, regelt § 1633 BGB, dass sich die Personensorge bei ihnen auf die gesetzliche Vertretung beschränkt.

4. Ruhen der elterlichen Sorge (§§ 1673 ff. BGB)

Die elterliche Sorge eines Elternteils kann ruhen, wenn er tatsächlich für längere Zeit verhindert ist (bei vorübergehender Verhinderung beider Elternteile s. § 1693), sie auszuüben (z. B. bei Auslandsaufenthalt, Strafhaft) und wenn dies durch Beschluss des Familiengerichts festgestellt ist (§ 1674). Wegen eines rechtlichen Hindernisses ruht die elterliche Sorge, wenn ein Elternteil geschäftsunfähig (§ 1673 Abs.1, § 104 Nr. 2) oder beschränkt geschäftsfähig ist (§ 1673 Abs.2 S. 1, § 106). Dieser Elternteil ist dann nicht berechtigt, die elterliche Sorge auszuüben (§ 1675). Lediglich die tatsächliche Personensorge steht ihm neben dem anderen Elternteil zu (§ 1673 Abs.2 S. 2).

Minderjährige Eltern können nicht Inhaber sämtlicher 3 Elemente der elterlichen Sorge sein; da sie gemäß § 106 BGB nur beschränkt geschäftsfähig sind und somit nicht in der Lage, die gesetzliche Vertretung für ihre Kinder wahrzunehmen. Diese Eltern sind jedoch nicht völlig von der elterlichen Sorge ausgeschlossen. Vielmehr sieht § 1673 Abs.2 BGB hier folgende Regelung vor:

  • Die Vermögenssorge steht ihnen überhaupt nicht zu.
  • Die Personensorge besitzen sie zwar, können ihr Kind bei eventuellen Rechtshandlungen jedoch nicht vertreten.

Da diese Eltern hier zwar inhaltlich für ihre Kinder sorgen, sie aber dabei rechtlich nicht vertreten können, sind für diese den Eltern verbleibenden Elemente der elterlichen Sorge die Begriffe “tatsächliche Personensorge” oder “tatsächliche Sorge” oder “tatsächliches Sorgerecht” gebräuchlich.

Bei Meinungsverschiedenheiten geht die Meinung des minderjährigen Elternteils vor, wenn der gesetzliche Vertreter des Kindes ein Vormund oder Pfleger ist. Von der tatsächlichen Personensorge abgesehen, wird das Sorgerecht dann grundsätzlich von dem anderen Elternteil ausgeübt (§ 1678 Abs.1 BGB). Wenn das nicht möglich ist, weil der andere Elternteil z. B. verstorben ist, erhält das Kind einen Vormund (§ 1773 Abs.1 BGB). Wenn die Eltern eines Kindes nicht miteinander verheiratet sind und die Mutter minderjährig oder geschäftsunfähig ist, übernimmt das Jugendamt, in dessen Bezirk die Mutter ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat (§ 87 c Abs.1 SGB VIII), die Vormundschaft (§§ 1673 Abs.2, 1675, 1773 Abs.1, 1791 c Abs.1 BGB; § 55 Abs.1 SGB III).

Dass diesem “tatsächlichen Sorgerecht” echte Bedeutung zukommt, zeigt sich am Beispiel einer minderjährigen Mutter. Ihr obliegen z.B. folgende Befugnisse:

  • Pflege, Erziehung und Beaufsichtigung,
  • Vornamensgebung,
  • Aufenthaltsbestimmung,
  • Festlegung der Religion,
  • Regelung des Umgangs mit anderen Personen,
  • Einwilligung in ärztliche Behandlungen, Operationen,
  • Zustimmung zur Adoption.

Obwohl die minderjährige Mutter bei diesen Beispielsfällen notwendig werdende Rechtshandlungen (z.B. das Abschließen von Verträgen) infolge ihrer beschränkten Geschäftsfähigkeit nicht vornehmen kann, sondern diesbezüglich der andere Elternteil oder ein Vormund allein tätig werden müsste, wäre dieses Handeln ohne ihr Einverständnis unwirksam. Bei Meinungsverschiedenheiten mit dem anderen uneingeschränkt sorgeberechtigten Elternteil wäre also nicht etwa dessen Auffassung ausschlaggebend, sondern es bliebe bei wichtigen Entscheidungen nur der Weg zum Familiengericht. Wenn kein anderer sorgeberechtigter Elternteil, sondern ein Vormund (z.B. das Jugendamt) vorhanden ist, könnte sich die minderjährige Mutter sogar zunächst stets durchsetzen (vgl. § 1673 Abs.2 BGB). Der Vormund müsste dann allerdings überlegen, ob er daraufhin das Familiengericht einschaltet (was jedoch nur bei zu befürchtenden Kindeswohl-Gefährdungen in Betracht kommen wird).

5. Beendigung der elterlichen Sorge

Das elterliche Sorgerecht beider Elternteile endet naturgemäß mit dem Tod des Kindes oder beider Elternteile, mit der Volljährigkeit des Kindes (§ 1626 Abs.1; § 2 BGB) und mit der Adoption des Kindes durch einen Dritten (§ 1755 BGB).

Das Sorgerecht eines Elternteils endet mit dem Tod des Elternteils; es steht dann dem anderen Elternteil allein zu (§ 1680 Abs.1 BGB).

Außerdem ist das Sorgerecht eines Elternteils beendet, falls es z. B. im Falle der Scheidung oder des Getrenntlebens der Eltern vom Familiengericht auf den anderen Elternteil allein übertragen wird (§ 1671 BGB). Auch mit dem Entzug des Sorgerechts durch das Familiengericht (§ 1666 BGB) endet die elterliche Sorge.

Autoren

Erstversion: Prof. Dr. Hans Schleicher, München

Überarbeitung und Aktualisierung: Prof. Dr. Susanne Nothhaft, Professorin für Recht an der Katholischen Stiftungsfachhochschule München.

Weitere Beiträge von Prof. Dr. Susanne Nothhafft in unserem Familienhandbuch:

Kontakt

E-Mail

erstellt am 22. April 2002, zuletzt geändert am 31.Oktober 2016

Staatsinstitut für Frühpädagogik und Medienkompetenz
Logo: Staatsinstitut für Frühpädagogik und Medienkompetenz