Fern-Beziehung und Wochenendbeziehung – Chancen und Belastungen für die Partnerschaft

Dr. Peter Wendl

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Partnerschaft auf Distanz: die Ausgangslage

Eine Beziehungsform, bei der zwei Partner räumlich voneinander getrennt leben – oft viele Auto-, Zug-, oder Flugstunden voneinander entfernt, ist keine Seltenheit. Im Zeitalter der Mobilität entstehen so für Partnerschaft und Familie ganz eigene Lebensbedingungen. Nicht nur Soldaten und deren Partner, auch Manager, Fernfahrer, Politiker, Studenten, Montagearbeiter, Außendienstler, Seefahrer usw. erleben häufig vom Partner räumlich getrennte Zeiten – “immer wieder” oder gar regelmäßig. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung spricht von 12,8 %, andere Schätzungen kommen gar auf etwa jede siebte Beziehung in Deutschland, die demnach als Fernbeziehung zwischen Abschied und Wiedersehen gelebt wird. Die eigentliche Zahl dürfte um ein Vielfaches höher liegen, wenn jene Berufstätigen berücksichtigt werden, die nicht in zwei getrennten Haushalten leben, sondern bei Abwesenheit von Zuhause in Gemeinschaftsunterkünften bzw. Hotels wohnen. Die tatsächliche Zahl ist kaum messbar. Bei Akademikern wird ein Schnitt von etwa 25 % angenommen, die im Lauf ihres Berufslebens mindestens über Jahre eine Fern- bzw. Wochenendbeziehung leben.

Unabhängig davon, ob die Distanz nun bewusst von den Partnern so gewählt, also gewollt ist, oder aber ob berufliche bzw. private Rahmenbedingungen diese Entfernung erzwingen, die Fernbeziehung also ungewollt ist und so schnell wie möglich beendet werden soll, stellen sich verschiedene Fragen für die Partner auf Distanz immer wieder neu: Können wir uns treu sein? Verändern wir uns und leben uns auseinander? Wie gestalten wir unsere unterschiedlichen “Alltage” so, dass der Partner daran teilhaben kann? Wie gestalten wir, stets aufs Neue, das Wiedersehen so, dass die oft knapp bemessene gemeinsame Partnerschaftszeit für uns erfüllend ist und bleibt?

Diese Fragestellungen besitzen gleichermaßen ständige Aktualität bei Trennungen über Wochen und Monaten wie auch bei Trennungen bei Wochenendbeziehungen. In den vorliegenden Überlegungen wird daher nicht immer unterschieden, wie lange die getrennte Zeit dauert, auch wenn die psychische Belastung und das subjektive Empfinden der Beziehungsqualität der Partner stark davon abhängig sein können. Die hier aufgezeigten grundlegenden Bedingungen sind für längere Fernbeziehungen und für Wochenendbeziehungen analog.

Die Kernprobleme der Fernbeziehung

Die zwei verschiedenen Alltags- und Erlebniswelten

Ein Kernproblem der räumlich getrennten Beziehung ist die Tatsache, dass die beiden Partner bei jedem Wiedersehen aus meist gänzlich verschiedenen Alltagen kommen – und so bei der Rückkehr des einen zwei verschiedene Lebenswelten aufeinanderprallen. Die zentralste aller Herausforderungen für das Paar ist es daher, eine eigene Art und Weise in der Kommunikation entwickeln zu müssen. Das Paar muss versuchen, sowohl die je unterschiedlichen positiven und negativen Erlebnisse im Alltag, Befindlichkeiten, Erwartungen bzw. Hoffnungen, Ängste bzw. Befürchtungen “mit-zu-teilen”, um an der Erlebniswelt und an der Gefühlswelt des anderen teilhaben zu können.

Auch wenn die Partner versuchen, den anderen nach besten Möglichkeiten am eigenen Alltag teilhaben zu lassen und den Alltag des anderen mitgeteilt zu bekommen, so bleibt doch das Kernproblem bestehen: Egal ob nach einer Arbeitswoche oder nach Wochen und Monaten der Trennung, die beiden Persönlichkeiten müssen bei jedem Wiedersehen Erlebnisse, aber auch innere und äußerliche Veränderungen und Entwicklungen, zur gemeinsamen Erlebniswelt zusammenfügen.

Zentrale Erfüllungs- und Belastungsfaktoren der Fernbeziehung

Zentrale Erfüllungs- und Belastungsfaktoren in einer Partnerschaft sind die folgenden wichtigen Aspekte, deren Qualität darüber entscheidet, wie zufrieden stellend bzw. erfüllend oder eben entsprechend belastet die Partnerschaft empfunden wird:

  • Liebe,
  • gelingende Kommunikation (verbal und nonverbal),
  • Geborgenheit (Intimität) und Vertrauen sowie
  • erfüllende Sexualität.

Liebe steht für die grundlegende geistige Verbundenheit und Basis des Paares. Damit sind ebenso die gegenseitige Wertschätzung sowie der Verzicht darauf, den Partner beherrschen zu wollen, gemeint. Der gelingenden Kommunikation, sowohl in Worten als auch nonverbal (in Gesten, Mimik usw.), kommt die herausragende Stellung in der Partnerschaft im Allgemeinen und in der Fernbeziehung im Besonderen zu. Die gegenseitige Geborgenheit (Intimität) und das Vertrauen stehen für das Gemeinsamkeitsgefühl (Wir-Gefühl) sowie für eine gegenseitige Verlässlichkeit und ermöglichen auch körperlich spürbar ein “Sich-Anlehnen-und-Fallenlassen-Können”. Darüber hinaus ist die eigene Form gemeinsamer, erfüllender Sexualität die vierte wesentliche Säule, die für die langfristige Beziehungszufriedenheit und damit die Stabilität verantwortlich ist.

Werden nun eine oder mehrere Säulen auf Dauer in der Partnerschaft als nicht zufrieden stellend erlebt, so ist die Partnerschaft entsprechend belastet.

Hier zeigt sich – neben den unterschiedlichen Lebenswelten – eine weitere wesentliche Problematik der Fernbeziehung: Alle vier Dimensionen können während der örtlichen Trennung nicht auf “konventionelle” Weise, wie in einer “Nahbeziehung”, ge- und erlebt werden. Sowohl die Kommunikation und die Geborgenheit bzw. Intimität als auch die erfüllende Sexualität können in den Zeiten der Trennung naturgemäß nur auf meist defizitäre Weise, also “bruchstückhaft” bzw. einseitig, erlebt werden. Daraus kann dann abgeleitet werden, dass die Qualität der Liebe stark davon abhängig ist, wie es dem Paar gelingt, sich über die Gedanken- und die Gefühlswelt, aber vor allem auch die erfüllende Gestaltung dieser zentralen Faktoren sowohl während der getrennten als auch in den gemeinsamen Zeiten zu verständigen.

Der Ablauf der Gefühlsentwicklung in der Fernbeziehung (“emotionale Entwicklungszyklen”)

Tatsächlich erleben viele Paare gewisse Abläufe und Gefühlsentwicklungen bei aller Individualität immer wieder auf ähnliche (analoge) Weise. So sind generell Krisen- bzw. Trauerphasen im Ablauf der einzelnen Abschnitte der Fernbeziehung zu erkennen. Selbstverständlich sind die Entwicklungen je nach Grund, Dauer, Häufigkeit, Rahmenbelastungen (psychische und physische Erlebniswelt) und Belastung bzw. Erfüllung im getrennten Alltag verschieden. Auch die prinzipielle Beziehungszufriedenheit und -stabilität wirken sich unmittelbar auf die Gefühlsentwicklung aus. Davon abgesehen sind jedoch folgende Phasen vor der (unmittelbaren) Abreise, während der Trennung und beim bzw. nach dem Wiedersehen, ähnlich wie belastenden Ereignissen (wie z.B. der Diagnose einer lebensbedrohenden Krankheit), zu erkennen:

1. Phase: Distanzierung, Rückzug und Verleugnung der Problematik (Isolation und Negation),
2. Phase: Wut, Zorn, Traurigkeit bis hin zur starken Traurigkeit oder auch Depression und schließlich langsame Akzeptanz des veränderten Zustandes,
3. Phase: Loslösung (Distanz) und Annahme der veränderten Voraussetzungen (Akzeptanz) und daraus folgende zunehmende Neugestaltung der veränderten Situation. Hinzu kommt schließlich ein zunehmender Austausch (Interaktion) mit wichtigen Menschen über die Konsequenzen bzw. die allmähliche Fähigkeit, wieder auf andere zuzugehen (Solidarität).

Unmittelbar vor der Abreise distanzieren sich die Partner sehr oft voneinander – oder haben ein außergewöhnlich hohes Anlehnungsbedürfnis. Der Rückzug vom Partner bedeutet in dieser Abreisephase oft nichts anderes, als dass die bevorstehende Abreise schon unmittelbar “vorab betrauert” wird (prospektive Trauer). Auch wenn eigentlich beide Partner die wenige verbleibende gemeinsame Zeit möglichst harmonisch gestalten wollen, so wirft doch die Trennung schon ihre Schatten voraus.

Ähnlich wie vor einem anderem belastendem Ereignis (z.B. einer schweren Operation) oder auch in anderen Zeiten, in denen die Partner die gemeinsame Zeit besonders harmonisch und gefühlvoll erleben möchten („Weihnachtseffekt“: vgl. Wendl: Gelingende Fern-Beziehung, 5. Auflage 2012 sowie Wendl: Soldat im Einsatz – Partnerschaft im Einsatz 2011), ist es für die Paare wichtig zu wissen, dass nun gerade in diesen Phasen oft gestritten und diskutiert wird – und sich die Partner voneinander distanzieren. Wichtig ist für die Paare das beruhigende Wissen, dass diese Konflikte (Disharmonien) nicht unüblich sind – und dass in diesen Zeiten nicht gezeigte Gefühle (Emotionen) in keiner Weise bedeuten müssen, dass die Gefühle generell fehlen würden.

In der Wochenendbeziehung kann dieses Gefühl als “Sonntags-Gefühl” bei der Abreise bezeichnet werden. Ab spätestens Mittag beginnen dann oft die Planungen für die kommende Woche. Abreise- und Fahrtplanungen, aber auch das Vorbereiten der Logistik (Wäsche, Festlegung der Abfahrtszeit, Wochenplanungen) belasten die verbleibende gemeinsame Zeit und sorgen oft für ein Gefühl der Beklemmung unter den Partnern.
Unmittelbar bei der Abreise und in den Tagen danach erleben die Paare dann oft ein “Verlorenheitsgefühl” mit eventuell großen Gefühlsschwankungen (“emotionale Desorganisation”). Wut (auf die Fernbeziehung, auf den Partner, den Arbeitgeber usw.), Zorn und Traurigkeit gehen oft ebenso damit einher (“Sonntags-/ Montagsgefühl”).

Hat sich die Gefühlswelt in der getrennten Zeitspanne langsam eingependelt, stabilisiert sich bei den Partnern der zunehmend souveräne Umgang mit dem neuen Alleinsein (vgl. Akzeptanz und Neugestaltung). Im Laufe der Woche erleben die Partner, je nach Qualität der Beziehung, immer wieder Sehnsucht und Einsamkeit (“Jojo-Effekt” der Gefühle), aber auch zunehmende Stabilität. Die Partner können nun die Chancen und Freiräume erkennen und gestalten; das Selbstbewusstsein wird durch das Bewältigen der Trennung gestärkt.

Kurz vor der Rückkehr beginnen die Planungen für die gemeinsame Zeit. Es werden Pläne für das Wiedersehen geschmiedet. Nun aber prallen bei der Rückkehr die beschriebenen Lebens- und Alltagswelten aufeinander. Trotz Befürchtungen, Erwartungen, Hoffnungen und dem Wissen um die angespannte Situation möchten beide Partner das Wiedersehen bzw. die Rückkehr möglichst harmonisch gestalten. Anstelle der erstrebten Harmonie “regieren” aber oft wieder – nachdem sich die erste Freude über das Wiedersehen eingependelt hat – Streit, Auseinandersetzung und Disput. Dies führt nicht selten zu Enttäuschungen und zu dem Gefühl, sich auseinander gelebt zu haben bzw. sich fremd geworden zu sein.

Aber auch hier ist es für die Paare wichtig zu wissen, dass dies normale Entwicklungen sind, die das Paar überwinden bzw. dazu nutzen kann, sich weiter zu entwickeln. Es muss “nur” einsehen, dass das neue Aneinander-Gewöhnen Zeit braucht. Als zeitliche Faustregel gilt, dass das Wiedergewöhnen der Partner aneinander etwa so lange dauert, wie die Trennung selbst – und bis zu 50 % länger. Bei einer Trennung von vier Monaten (vgl. Auslandseinsätze von Soldaten) kann die Zeit, die das Paar benötigt, wieder ein neues, gemeinsames “Team” zu werden, demnach etwa vier bis sechs Monate beanspruchen. Erst dann sind oft auch alle wesentlichen Rituale, Zuständigkeiten und der Umgang miteinander neu eingespielt.

Legt man diese Faustregel für die Fernbeziehung zugrunde, zeigt sich auch die besondere Belastung der Wochenendbeziehung. Einerseits sieht sich das Paar relativ oft, meist also jedes Wochenende. Darüber hinaus aber bleibt auf Dauer eine knapp bemessene, oft nicht ausreichende, gemeinsame Zeit, um die getrennte Zeit, den Alltag, aufzuarbeiten. Die eigentliche gemeinsame Partnerschaftsphase beschränkt sich, nachdem sich die “Stürme” des Wiedersehens (“Freitags-Gefühl”) gelegt haben, auf den Samstag und den eingeschränkten, meist nur halben Sonntag. Lediglich diese kurze Zeitspanne steht für die Aufarbeitung des Vergangenen und die Planung und Gestaltung des Kommenden zur Verfügung.

Auf Dauer besteht also neben der Problematik, keinen gemeinsamen Alltag zu haben, die Gefahr einer “Veroberflächlichung” der Beziehung mit zu wenig Gelegenheit, Gefühle, Hoffnungen bzw. Erwartungen und Ängste bzw. Befürchtungen auszutauschen.

Die Chancen und Gestaltungsmöglichkeiten der Fernbeziehung

Lernt das Paar, sich mit den Belastungen der Partnerschaft auf Distanz zu arrangieren und die besonderen entstehenden Freiräume zu nutzen, bietet die Fernbeziehung eine außergewöhnliche Chance, Partnerschaft intensiv und kreativ zu gestalten und zu erleben. Wesentliche Belastungen und Chancen bei Fernbeziehungen sind demnach (vgl. Wendl: Gelingende Fern-Beziehung 2012; Soldat im Einsatz – Partnerschaft im Einsatz 2011; Schneider/Limmer/Ruckdeschel 2002):

  • der große Anteil an gemeinsamer Lebenszeit, die im wahrsten Sinne des Wortes “auf der Strecke bleibt”;
  • der eigene Lebensrhythmus schließt oftmals andere (Freunde und Verwandte) sowie beispielsweise ein liebgewordenes Hobby aus;
  • die Entwicklung unterschiedlicher Lebenswelten zwischen den Paaren und die Problematik, diese Unterschiede – je nach gemeinsamen Zeit-Frequenzen – stets neu als gemeinsame Beziehungswelt erringen zu müssen;
  • die außergewöhnliche Chance auf Selbständigkeit und Selbstbewusstsein in der Partnerschaft: Single-Zeiten wechseln sich mit intensiver Verbundenheit ab;
  • die Tatsache, dass gemeinsames Alltagsleben nur in den gemeinsamen Zeiten gelebt werden kann. Partner können in den getrennten Zeiten kaum unmittelbar mit dem Lebenspartner rechnen;
  • da meist ein Partner deutlich mehr Zeit in der gemeinsamen Wohnung verbringt, wird das Zuhause zunehmend unterschiedlich (meist sogar nicht mehr neutral, sondern positiv oder negativ) empfunden. Es besteht stets die Gefahr, dass ein Partner die gemeinsame Zeit als “Einbruch” in den eigenen Alltag empfinden könnte (“Erleichterung” nach der Abreise, wieder allein sein zu können im eigenen Reich oder sich als Gast im eigenen Zuhause fühlen). So spielen sich Rituale, z.B. einerseits für die gemeinsamen Zeiten, andererseits für die getrennten Zeiten, ein. Es besteht aber auch die große Chance der stetigen Verlebendigung und die Möglichkeit, einen “Alltagstrott der Beziehung” zu verhindern. Das einseitig Eingespielte und Langweilende im Alltagstrott ist immerhin eine der größten Gefahren für viele Beziehungen;
  • die Partner verändern sich während längerer Trennungen (“äußerlich und innerlich“). Kleinste Veränderungen werden intensiver (positiv wie negativ) wahrgenommen.

Die Auswirkungen dieser Grundlagen auf die Partnerschaft variieren je nach Zustand der Beziehung (Stabilität und Beziehungszufriedenheit der Partner) sowie je nach den Rahmenbedingen der Partnerschaft (Angehörige, Kinder, Belastungen bzw. Unterstützung im privaten und beruflichen Bereich usw.) und abhängig vom Faktor Stress.

Orientierungsregeln für die Wochenendbeziehung

Auch wenn jede Fernbeziehung letztlich vom Paar selbst bewältigt werden muss, so sind folgende Regeln doch als Orientierung zu nennen, wie Fernbeziehungen gelingen können (nach G. Bodenmann, vgl. auch Wendl 2012, S. 150):

  • Definieren Sie sich als Paar und erhalten Sie das Wir-Gefühl.
  • Vereinbaren Sie regelmäßige Treffen und lassen Sie diese nicht ausfallen.
  • Verabschieden Sie sich möglichst nicht voneinander, ohne zu wissen, wann Sie sich wieder sehen werden.
  • Sie vermeiden Enttäuschungen, wenn Sie das gemeinsame Wochenende nicht mit überhöhten Erwartungen überfrachten.
  • Belasten Sie die gemeinsame Zeit nicht mit zu vielen Verpflichtungen wie Einkaufen, Putzen oder Besuchen bei Verwandten.
  • Kommunizieren Sie auch während der Woche regelmäßig miteinander und lassen Sie den Partner an Ihrem Alltag teilhaben.
  • Schaffen Sie Rituale. Diese verstärken das Gefühl der Gemeinsamkeit.
  • Sprechen Sie Konflikte an und lösen Sie diese schnell, auch wenn es die Harmonie der raren gemeinsamen Zeit stört.
  • Lernen Sie Auseinandersetzungen auch am Telefon zu lösen, so dass Sie das gemeinsame Wochenende ohne Ärger beginnen können.
  • Lassen Sie die letzten gemeinsamen Stunden nicht nur von Traurigkeit beherrschen, falls Ihnen der Abschied schwer fällt. Vermeiden Sie schmerzhafte und lange Abschiedsszenen.
  • Klären Sie, wie lange Sie die Partnerschaft auf Distanz leben wollen und können sowie welche Voraussetzungen jeder Partner dafür benötigt.

Die Situation von Kindern in Fernbeziehungen

Insbesondere bei Auslandseinsätzen, aber auch in Wochenendbeziehungen der Eltern reagieren Kinder in der Familie je nach Persönlichkeit und nach Situation unterschiedlich auf einmalige oder regelmäßige Vater- oder Mutterentbehrung in Fernbeziehungszeiten. Erziehungsfragen und die Bindung der beiden Eltern zu den Kindern spielen dann eine besondere Rolle. Zu diesen Themen gibt es im Rahmen der Zusammenarbeit des Zentralinstituts für Ehe und Familie in der Gesellschaft (ZFG) der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt mit dem Katholischen Militärbischofsamt laufende Untersuchungen sowie zahlreiche Publikationen. An dieser Stelle sollen nur einige zentrale Orientierungen angedeutet werden. (Ausführlich wird dieses Thema u. a. behandelt in: P. Wendl: Soldat im Einsatz – Partnerschaft im Einsatz. Praxis- und Arbeitsbuch für Paare und Familien in Auslandseinsatz und Wochenendbeziehung, besonders Kapitel 4 und 5).

Wie erleben Kinder die Fernbeziehung ihrer Eltern und wie wirkt sich die Abwesenheit eines Elternteils auf die Kinder, aber auch auf das Verhältnis der Eltern zu ihren Kindern aus? Unterschiede können nach den jeweiligen Rahmenbedingungen, z. B. der Familiensituation, den Geschwistern, aber auch der Schul- oder Freizeitsituation festgestellt werden. Besonders das Alter der Kinder ist ausschlaggebend für den Umgang mit der Abwesenheit eines Elternteils bzw. für die Vorbereitung auf die räumliche Trennung. Wichtig ist auch, ob es sich dabei um ein Mädchen oder einen Jungen handelt, da diese, je nach Alter, verschieden reagieren. In der genannten Literatur wird nach den Altersphasen Säuglinge und Kleinkinder, Kindergartenkinder, Schulkinder sowie Jugendliche und Pubertierende unterschieden. Wie nun können Eltern ihren Kindern helfen? Dass jedes Kind eine andere Unterstützung braucht, klingt in diesem Zusammenhang vielleicht wie eine Binsenweisheit. Doch wenn sich jedes Kind individuell vorbereitet, begleitet und behandelt fühlt, entsteht ein Rahmen, in dem eigene Angst oder Not leichter mitgeteilt werden können. Darüber hinaus können altersbezogene und altersunabhängige Tipps unterschieden werden:

Wichtige Merksätze für Eltern in Fernbeziehungen (P. Wendl: Soldat im Einsatz – Partnerschaft im Einsatz. Praxis- und Arbeitsbuch für Paare und Familien in Auslandseinsatz und Wochenendbeziehung, Seite 36):

  • Sie sind nicht alleinerziehend! Der Partner/die Partnerin kann trotz der Entfernung in wichtige Entscheidungen einbezogen werden. Bisweilen genügt es auch, dem Kind klarzumachen, dass eine Entscheidung von beiden Eltern getragen wird.
  • Gerade Heimkehrenden muss klar sein, dass sich das Leben des Kindes zuhause weiterentwickelt hat. Auch wird eine Zeit der Wiedergewöhnung notwendig sein. Es kann also nicht davon ausgegangen werden, dass wie selbstverständlich der „gewohnte Elternplatz“ eingenommen werden kann.
  • Es ist hilfreich, gemeinsam mit den Kindern die Phasen der Fernbeziehung als positives und vor allem gemeinsames Familienprojekt zu gestalten.
  • Vermeiden Sie den Eindruck, dass das Kind den entfernten Elternteil ersetzen müsste oder könnte. Sätze wie „jetzt unterstützt du ganz fest die Mama/den Papa, wenn ich nicht da bin“ oder „ich bin ganz stolz auf dich, weil du so tapfer bist und nicht weinst“, sind gut gemeint, führen aber meist zu einer unguten und langfristigen Überforderung des Kindes.
  • Zeitlos wichtig ist: Konflikte und Streit der Eltern immer ohne die Kinder klären. Dies gilt insbesondere beim Abschied und beim Wiedersehen, da diese für Kinder ohnehin emotional besonders fordernde Zeitphasen sind.

Anmerkungen/Literatur

Dieser Beitrag ist angelehnt an folgenden Publikationen:

  • Wendl, Peter: Gelingende Fern-Beziehung. Entfernt zusammen wachsen. Verlag Herder, Freiburg i. Br., 5. Auflage, 2012.
  • Wendl, Peter: Soldat im Einsatz – Partnerschaft im Einsatz. Praxis- und Arbeitsbuch für Paare und Familien in Auslandseinsatz und Wochenendbeziehung . Verlag Herder, Freiburg i. Br. 2011.
  • Wendl, Peter: Fernbeziehung als Chance! In: Eysmondt, Katja von: „Du, Schatz …“. Erfolgreich eine Fernbeziehung führen. Wie kann es gehen? Mit einem Nachwort von Peter Wendl, Hamburg 2011, 152-157.

In diesen Büchern finden Sie weitere Übersichten, Orientierungen und Regeln sowie Strategievorlagen für die gelingende Partnerschaft auf Distanz bzw. Tipps zur Erziehung in Fernbeziehungen.

Weiterhin verwendete Literatur

  • Mödl, Johanna: Wir schaffen das! Eine Hilfestellung für Eltern, die die Zeiten berufsbedingter Trennung meistern wollen. Eine Initiative im Kontext der Kooperation des Zentralinstituts für Ehe und Familie in der Gesellschaft (ZFG) mit dem Katholischen Militärbischofsamt.
  • Schneider, Norbert F./Limmer, Ruth/Ruckdeschel, Kerstin: Mobil, flexibel, gebunden. Familie und Beruf in der mobilen Gesellschaft. Frankfurt a. M. 2002, S. 163-165.
  • Wendl, Peter: Brücken schlagen: Fernbeziehung bedeutet zwischen zwei Lebenswelten wandeln. In: Y.-Magazin der Bundeswehr, August 2007.
  • Wendl, Peter: Herausforderung Fern-Beziehung? Partnerschaft auf Distanz von Soldaten und deren Partnern bei Auslandseinsätzen. In: Kümmel, Gerhard (Hrsg.): Diener zweier Herren: Soldaten zwischen Bundeswehr und Familie, Frankfurt a. M. 2005, 123-147.
  • Wendl, Peter: Pakt mit der Sehnsucht “. Focus 17/2003, S. 150.

Autor

Dr. Peter Wendl, Diplom-Theologe sowie Einzel-, Paar- und Familientherapeut, ist wissenschaftlicher Projektleiter am Zentralinstitut für Ehe und Familie in der Gesellschaft (ZFG) der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt. Im Rahmen einer langfristigen Kooperation mit dem Katholischen Militärbischofsamt für die deutsche Bundeswehr (Berlin) ist er am ZFG seit 2002 zuständig für die Entwicklung wissenschaftlicher und praktischer Initiativen für das Gelingen von Fernbeziehungen. Er erforscht dort beziehungsstabilisierende und -destabilisierende Faktoren vor dem Hintergrund von Auslandseinsätzen und Wochenendbeziehungen, besonders im Kontext von Soldaten und deren Familienangehörigen. Darüber hinaus bearbeitete der Autor die Thematik der Distanzbeziehungen auch im Rahmen seiner Dissertation bei Prof. Dr. Eberhard Schockenhoff, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i.Br. Er leitete bisher mehr als 150 meist mehrtägige Intensivveranstaltungen vor oder nach längeren Auslandseinsätzen mit mehr als 900 Paaren. Von ihm sind zahlreiche Publikationen zu Themenkomplexen wie „Mobilität, Partnerschaft, Familie“ (Fernbeziehungen), Resilienzforschung und Salutogenese erschienen.

Kontakt

Dr. Peter Wendl
Zentralinstitut für Ehe und Familie in der Gesellschaft (ZFG)
Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt
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Telefon: 08421 – 93 11 41

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Soldat-Familie-Partnerschaft
 

Erstellt am 30. Januar 2012, zuletzt geändert am 29. Januar 2012

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