Mit Jugendlichen reden, ohne dass sie “dicht machen”

Helga Gürtler
Hguertler

Eltern von Jugendlichen sind oft ziemlich verzweifelt. Sie reden wie mit Engelszungen, aber Sohn oder Tochter hören nicht zu. Oder sie sind sofort beleidigt. Oder sie antworten in einem Ton, den man sich einfach nicht gefallen lassen kann. Oder, oder…

Es gibt einiges, was man tun kann, um solche Gespräche etwas weniger explosiv zu gestalten. Für das, was übrig bleibt, mag der Satz trösten: Besser jeden Tag Streit als gar keine Gespräche.

Umgang mit einem unsicheren Selbstwertgefühl

Für einige Jahre werden Sie mit einem Kind umgehen, dessen Bild von sich selbst noch unscharf und starken Schwankungen unterworfen ist, dessen Selbstsicherheit durch nur kleine Erschütterungen leicht aus dem Gleichgewicht zu bringen ist. Das macht den Umgang mit ihm oft recht schwierig. Mal strotzt es vor Selbstüberschätzung, dann wieder wird es von Selbstzweifeln geplagt. Mal kann man sehr vernünftig mit ihm reden, ein anderes Mal nimmt es die harmloseste Bemerkung krumm.

Schon für den Umgang mit wesentlich gefestigteren Erwachsenen gilt, dass Gespräche dann besonders effektiv und für beide befriedigend verlaufen können, wenn keiner sich durch den anderen in seinem Selbstwertgefühl angegriffen fühlt.

Ein Beispiel: Zu einer Sachbearbeiterin kommt ihr Chef und fragt: “Ist das Angebot für die Firma X schon fertig?” Das ist eine ganz sachliche Frage, die die Frau mit einem einfachen Ja oder Nein beantworten kann, so lange sie nicht vermuten muss, dass dahinter eine Kritik an ihrem Arbeitstempo steckt. Nun ist ihr aber in den letzten Tagen ungewöhnlich viel liegen geblieben. Sie fühlt sich überlastet, fürchtet aber, dass der Chef ihr das ankreidet. Deshalb antwortet sie statt mit Ja oder Nein recht emotional: “Ich hab auch nur zwei Hände, ich kann doch nicht hexen!”

In dem Moment, in dem das Selbstwertgefühl in Gefahr gerät, kann der Betroffene nicht mehr sachlich reagieren. Er lässt das Visier herunter und fängt an sich zu verteidigen. Dabei ist nicht wichtig, ob der andere ihn wirklich angreifen wollte. Entscheidend ist, ob er sich angegriffen fühlt.

Der Chef, der seine Mitarbeiterin schätzt und auf die sachliche Gesprächsebene zurück möchte, muss jetzt erst einmal das gestörte Selbstwertgefühl der Sachbearbeiterin beruhigen. “Ich weiß”, kann er sagen, “es ist ja auch besonders viel zu tun in den letzten Tagen”.

Sobald die Frau erkennt, dass ihr Chef sie nicht angreifen wollte, kann das Gespräch auf der sachlichen Ebene weitergehen, sie können gemeinsam überlegen, bis wann das Angebot fertig sein wird.

Ganz besonders gilt das für Jugendliche, die sich eigentlich unentwegt angegriffen fühlen.

Gar zu leicht erleben sie selbst sachlich gemeinte Bemerkungen als verletzende Kritik. Der Lehrer, der den Stil im Aufsatz einer Schülerin bemängelt, fängt sich leicht die patzige Antwort ein:” Das ist eben mein Stil, muss Ihnen ja nicht gefallen!” Oder die Mutter, die eine Bemerkung über zu intensive Bemalung im Gesicht ihrer Tochter macht, kriegt zu hören: “Du bist ja bloß neidisch, dass du nicht mehr so gut aussiehst”.

Nicht so…

In einem solchen Fall können Sie nun ebenfalls gekränkt reagieren. Wie kommt diese dumme Göre dazu, Ihnen so etwas an den Kopf zu werfen, wo Sie nichts weiter als eine höfliche Kritik geäußert haben!

Vielleicht trifft die rüde Bemerkung ja auch eine schlimme Stelle in Ihrem Selbstwertgefühl. Und so geben Sie im gleichen Kaliber zurück, denn auf einen groben Klotz gehört ein grober Keil, denken Sie jedenfalls in dem Moment. “Du siehst aus wie ein wandelnder Tuschkasten, ich würde mich schämen, so auf die Straße zu gehen!”

Auf diesem Weg wird aus einer Bemerkung, die Einsicht wecken sollte, leicht ein Wortgefecht mit schweren, verletzenden Geschützen. Beide Partner kämpfen mit heruntergelassenem Visier, lassen nichts mehr an sich heran, geben nur noch zurück.

Sicher tun Eltern, die so reagieren, das mit einer gewissen Berechtigung. Auch sie möchten nicht so unvermittelt angegriffen werden. Und sie möchten ihrem Kind beibringen, dass es so mit anderen nicht umspringen darf. Nur klug ist es nicht. Denn auch diese Botschaft wird im Eifer des Gefechtes verloren gehen.

…sondern so:

Wir, die Gefestigteren, Selbstsicheren, müssen gewissermaßen ein Heilklima für das angeschlagene Selbstwertgefühl schaffen, müssen Zugeständnisse und Vorgaben machen, auch wenn uns das oft schwer fällt, auch wenn uns dafür oft nicht unmittelbar mit gleichem Verhalten gedankt wird.

Wie also hätten Sie sich anders verhalten können?

Sie wollten ja, im Gegensatz zu dem Chef im ersten Beispiel, wirklich eine Kritik anmelden. In welcher Formulierung hat sie wohl noch die größten Chancen, auf sachlicher Ebene Gehör zu finden, ohne eine Verteidigungshaltung zu provozieren?

“Sag mal, willst du zum Karneval?”

Diese Bemerkung soll vielleicht witzig klingen und das Kritische abmildern. Aber sie ist ironisch, und darauf reagieren Menschen mit schwachem Selbstwertgefühl wie auf ein rotes Tuch. Eine pampige Antwort oder eine zugeknallte Tür ist Ihnen gewiss.

“Du siehst unmöglich aus!”

Diese Bemerkung kritisiert nicht nur eine bestimmte Eigenheit, sondern recht pauschal und im Einzelnen nicht nachvollziehbar den ganzen Kerl. Das muss jemanden kränken, der sich gerade mit viel Mühe hergerichtet hat. Also bitte konkreter:

“Du siehst aus, als hättest du Blut geleckt”.

Finden Sie? Ihre Tochter findet das nicht, und das werden Sie gleich zu hören kriegen. Ist ja auch wirklich so. Es gibt viele Frauen, die ihre Lippen blutrot schminken und damit recht gut aussehen.

Sie finden doch nur, dass das zu dem zarten, jungen Gesicht Ihrer Tochter nicht passt. Außerdem ist es für Sie noch sehr ungewohnt, Ihr Kind wie eine Frau zurechtgemacht zu sehen. Und Sie meinen, dass das ihrem Alter nicht entspricht und auch auf andere Menschen befremdlich wirken wird.

Dann sagen Sie es doch so!

Sagen Sie vor allem auch nicht, “Du siehst aus, “Du bist…, sondern “Ich finde, dass…”

Das erscheint Ihnen vielleicht wie Wortkosmetik, ist es aber nicht.

Alle Bemerkungen, die mit “Du bist…” oder gar “Du bist ein…” beginnen, setzen die Kritik unmittelbar beim anderen an, hängen dem etwas an, lassen keine kritische Distanz zwischen den Gesprächspartnern zu. Das Urteil ist fertig, basta.

Solche Bemerkungen rücken dem Selbstwertgefühl des anderen sehr nahe und werden deshalb leicht als Angriff erlebt.

“Ich finde, dass…” setzt bei der eigenen Meinung an. Es berichtet über eigene Gedanken, Eindrücke, Empfindungen und stellt es dem anderen frei, sich dem anzuschließen oder eine andere Meinung daneben zu setzen. Sätze mit “Ich finde…”, “Ich denke…” laden zum Dialog, zur Auseinandersetzung ein – “…und was denkst du?”

Aber nehmen wir an, eine noch so vorsichtig gewählte Bemerkung hat Ihre Tochter trotzdem zu einer patzigen Antwort provoziert. Sie hat sich angegriffen gefühlt, obwohl Sie sie nicht angreifen wollten.

Obwohl Sie ärgerlich sind, möchten Sie es auf ein Wortgefecht mit heruntergeklapptem Visier nicht ankommen lassen. Also müssen Sie, wie der Chef im ersten Beispiel, das gereizte Selbstwertgefühl Ihrer Tochter erst ein bisschen streicheln. “Entschuldige, ich wollte dich nicht kränken. Mir gefällst du nur ohne so víel Farbe besser.”

Wenn Sie allerdings zu ärgerlich sind und diese Selbstbeherrschung nicht aufbringen, brechen Sie das Gespräch jetzt lieber ab. Das ist sicher besser als sich auf den verletzenden Stil einzulassen. Wenn Ihrer Tochter an Ihren Meinungen liegt, und meistens ist das ja doch so, wird sie sich nächstens bemühen, weniger ruppig zu reagieren.

Versuchen Sie eine Atmosphäre zu schaffen, die Ihrem Kind zeigt: Ich mag dich.

  • Ich halte dich grundsätzlich für einen wertvollen und liebenswerten Menschen, auch wenn ich einzelne deiner Verhaltensweisen kritisiere.
  • Ich interessiere mich für das, was du denkst und sagst. Es ist mir wichtig, deine Meinungen zu hören, auch wenn ich sie manchmal nicht teilen kann.
  • Ich will versuchen, die Dinge mit deinen Augen zu sehen, um dich zu verstehen.
  • Ich versuche, dein Recht auf Selbstbestimmung zu respektieren, auch wenn mir das manchmal schwer fällt, weil ich dich beschützen möchte.

Um in unserem Bild zu bleiben:

  • Du kannst dein Visier offen lassen. Ich möchte dich gern ansehen, ich will dich nicht verletzen.

Das Klima muss frei sein von schädigenden Einflüssen

Wenn wir ein Unsicherheit heilendes Klima erzeugen wollen, müssen wir einige besonders schädigende Einflüsse bewusst vermeiden. Auch die gelten nicht nur, aber besonders für den Umgang mit Jugendlichen.

Achten Sie lieber auf positive Ansätze, als auf negativen ständig herumzuhacken.

Nehmen wir an, Ihr Sohn hat in einem Anfall von Ordnungsliebe zwei Haufen aus Kleidungsstücken, Prospekten, Spielkram und Fahrradteilen vom Fußboden seines Zimmers wegsortiert. Nur der dritte unter dem Fenster, der liegt noch da.

Nun können Sie das betrachten wie das berühmte Glas Wasser, das entweder halb voll oder halb leer ist. Sie können sich darüber freuen, dass zwei Haufen weg sind, dass dabei sogar Ihre Schere wieder aufgetaucht ist, die Sie schon so lange vermissten. Sie können allerdings auch sagen: ”Und warum liegt der Haufen unter dem Fenster immer noch da? Nie kannst du was wirklich zu Ende bringen!”

Bei welcher Reaktion wird wohl die Wahrscheinlichkeit größer sein, dass der dritte Stapel in absehbarer Zeit auch noch verschwindet? Und selbst wenn er noch ewig dort liegen bleibt – Ihr Sohn hat bei seiner Aktion die Erfahrung gemacht, dass es sich mit sortierten Klamotten besser lebt, dass Dinge wieder auftauchen, die verschwunden waren. Das zählt!

Wenn Sie schon kritisieren müssen – verallgemeinern Sie nicht.

Je allgemeiner Sie formulieren, desto eher wird die Bemerkung als Angriff empfunden.

Kritisieren Sie nie die ganze Person, sondern immer nur einzelne Verhaltensweisen.
Streichen Sie Etikettierungen wie “Trödelliese”, “Schlamphuhn”, “Modepuppe” “Faulpelz” oder gar “Versager” aus Ihrem Wortschatz.

Bleiben Sie bei einzelnen konkret nachvollziehbaren Punkten.

  • Also nicht: “Wie hast du dich bloß wieder zurechtgemacht!” Sondern: “Ich finde, der Pulli passt überhaupt nicht zu der Hose.”
  • Sagen Sie nicht: “Du kommst ständig zu spät” sondern: “Das ist in dieser Woche das zweite Mal, dass du zu spät kommst”.
  • Nicht: “Immer musst du das letzte Wort haben”, sondern: “Lass mich bitte ausreden”.

Solche Verallgemeinerungen haben zusätzlich den verhängnisvollen Effekt, sich wie eine “self fulfilling prophecy” auszuwirken, wie eine Voraussage, die sich selbst erfüllt.

Mit Zusammenziehungen wie “Immer wieder”, “ständig”, “andauernd”, und erst recht mit Titulierungen wie “Du bist ein…” legen Sie ein noch suchendes Menschenkind auf bestimmte Verhaltensweisen gewissermaßen fest, ignorieren dazwischen andere, die sicher auch vorhanden sind. Die angebliche Trödelliese kann ja manchmal auch recht flott sein. Sie trödelt ja nicht immer. Wenn Sie sie aber oft genug so nennen, wird sie dieses Etikett womöglich in ihr Selbstbild aufnehmen.

Greifen Sie das Bild von sich selbst, mit dem ein junger Mensch gerade experimentiert, nicht an.

Denn gerade an dieser Stelle wird er besonders empfindlich sein. Sagen Sie Ihrer Tochter, die ihre sich rundenden Formen in Ihrer Meinung nach gar zu enge und auffällige Kleidung zwängt, nicht, sie sehe “ordinär” aus. Oder Ihrem Sohn, Sie fänden den Kult um seine Oberarmmuskeln lächerlich. “Mir gefällt es überhaupt nicht”, das können Sie schon sagen, aber Ihnen soll es ja wahrscheinlich auch nicht gefallen.

Seien Sie vor allem niemals überheblich oder ironisch.

Ironie kehrt immer eine gewisse Distanz und kritische Überlegenheit heraus. Und dagegen sind wenig selbstbewusste Menschen immer besonders empfindlich.

Wenn Ihr Sohn stundenlang darüber sinniert, ob er seine Angebetete nun vom Bus abholen soll oder nicht, wenn Ihre Tochter wegen eines Pickels auf der Nase die Welt zusammenstürzen sieht, lassen Sie nicht durchscheinen, unsereiner wäre froh, wenn er mal wieder so kleine Probleme hätte. Mit Fünfzehn hätten Sie das auch anders gesehen!

Und grinsen Sie nicht, wenn Ihre Tochter Ihnen ihre phantastischen Ideen für eine gerechtere Verteilung des Reichtums in der Welt entwickelt. Dass sie sich damit beschäftigt, ist erfreulich. Und Karl Marx hat sein “Kapital” auch nicht mit Vierzehn geschrieben.

Überheblichkeit und Ironie sind der sicherste Weg, Kinder resignieren und verstummen zu lassen. Warum soll man den Alten noch was erzählen, wenn sie es doch nicht begreifen wollen?

Was im Verhalten Jugendlicher wie maßlose Selbstüberschätzung und freche Anmaßung daherkommt, ist oft typisches Merkmal erlebter Schwäche.

Das ständig bohrende Minderwertigkeitsgefühl kann nur durch ein Verhalten, das überzogen selbstsicher daherkommt, übertönt werden.

Reagieren Eltern darauf mit Druck und Tadel, machen sie ihrem Kind seine Unterlegenheit erst recht bewusst, es muss sich noch mehr aufblasen, um das auszugleichen. Dagegen hilft nur, die positiven Seiten eines jungen Menschen mehr zu beachten und zu fördern. Mehr Anerkennung zu zeigen als Kritik und Tadel. Das ist allerdings verflixt schwer, wenn man sich immer wieder selbst angegriffen fühlt und ärgerlich ist.

Denken Sie daran, wenn Ihre Tochter, Ihr Sohn gerade mal wieder besonders großmäulig angibt. Womöglich singt hier jemand im dunklen Keller, womöglich wird hier mühsam aufgeblasen, was eigentlich klein und verletzlich ist.

Keiner versteht mich!

Dieser Satz könnte als Leitmotiv über den Pubertätsjahren manches Jugendlichen stehen.

Insbesondere Mädchen hocken oft kreuzunglücklich in ihrer Bude – keinen Bock auf gar nix, über Kreuz mit den Alten, den Kumpels, überhaupt der ganzen Welt. Alle wollen ihnen übel, alle stehen quasi Schlange, um ihnen auf die Füße zu treten. In dieser Stimmung sind sie dann recht unerfreuliche Zeitgenossen – für sich selbst und für andere.

Dieser Satz könnte aber auch der Stoßseufzer einer Mutter sein, die sich in dem Bemühen, es allen recht zu machen, wieder mal zwischen sämtliche Stühle gesetzt hat. Gerade hat sie versucht, im Streit zwischen Vater und Tochter zu vermitteln – wollte die rüde Ausdrucksweise der Tochter etwas abfedern, wollte erreichen, dass der Vater mehr Verständnis für die Wünsche der Tochter hat.

Ihr Mann nimmt das übel. Jetzt hat sie die dicke Luft zu ertragen. Und? Dankt es ihr die Tochter? Könnte sie nicht mal freiwillig ihre Hilfe beim Renovieren anbieten? Ausgeflogen ist sie – auf und davon mit diesem windigen jungen Mann, den die Mutter so wenig mag. Auf den wirklich vorsichtig formulierten Vorwurf setzte sie noch eine patzige Bemerkung. Egoistisch und undankbar ist sie. Gleich wird ihr Mann triumphieren: “Da siehst du, was du von deiner Gutmütigkeit hast!”

Auch die Tochter fühlt sich gründlich missverstanden. Sie findet, dass die Parteinahme der Mutter zu halbherzig war. Letztlich hacken ja doch beide Eltern ständig auf ihr herum. Mutter tut zwar oft so verständnisvoll, aber wenn es darauf ankommt, kneift sie. Missverstanden fühlt sich aber auch der Vater. Hat er sich nicht immer sehr um seine Tochter bemüht? Müssen die Frauensleute ihn jetzt als eifersüchtigen Pascha hinstellen? Warum muss seine Frau ihm ständig in den Rücken fallen? Ihre Parteinahme für die Tochter ist doch völlig unkritisch. Affenliebe ist das!

So verheddern sich gerade in den Zeiten, da die Kinder selbständig werden wollen, ganze Familien in wechselseitigen Missverständnissen, Enttäuschungen, unausgesprochenen Vorwürfen und Kränkungen. Jeder interpretiert in die Worte und Handlungen der anderen etwas hinein und hält seine Sicht der Dinge für die selbstverständlich einzig richtige. Jeder ist sauer auf den anderen, keiner versteht den anderen, manch einer nicht mal sich selbst.

Was können wir tun, um einander besser zu verstehen?

“Hör mir doch erst mal zu!”

Menschen unterhalten sich manchmal, als spielten sie Pingpong. Einer sagt was, der andere sagt seinen Kommentar dazu. Wenn er aufhört, spinnt der andere seinen Faden weiter, dann der zweite den seinen.

  • Jeder wartet nur, bis der andere eine Pause macht, um mit seiner Sicht der Dinge fortzufahren.
  • Jeder versucht den anderen von seiner Meinung zu überzeugen, ohne sich auf die des anderen wirklich einzulassen.

Um im Bild zu bleiben:

  • Jeder schlägt den Ball des anderen sofort zurück, anstatt ihn erst mal aufzufangen, von allen Seiten zu betrachten und dann erst zurückzugeben. Beim Pingpongspielen wäre das wohl störend, bei Gesprächen ist es das nicht.

Wenn wir uns auf die Sichtweise, auf die Gedanken eines Anderen einlassen wollen, müssen wir erst einmal versuchen, die Dinge auch mit seinen Augen zu sehen, um sie zu verstehen.

  • Antworten Sie nicht auf jede Bemerkung Ihres Gegenübers gleich mit einem Kommentar.
  • Versuchen Sie erst einmal zu verstehen, was er oder sie eigentlich meint.Das gilt für Erwachsene ebenso wie für Kinder.

Nehmen wir an, Ihr Sohn kommt aus der Schule:

Der erste Satz eines Gespräches ist ja oft nur ein Vorgeplänkel, eine Gefühlsäußerung, ein Abtasten der Gesprächsbereitschaft des Anderen.
“So eine Scheiße!”
Darauf können Sie (wie ein Pingpong-Spieler) mit einer Belehrung darüber antworten, was man als wohlerzogener Mensch sagt und was man nicht sagt. Sie können es aber auch lassen. Stattdessen können Sie nach der Ursache der Verärgerung gründeln. “Was hat dich denn so geärgert?” “Die Bettina ist eine blöde Kuh!” Wenn Sie jetzt antworten: “Ich denke, Bettina ist deine Freundin?” entwickelt sich das Gespräch in eine ganz andere Richtung.

Den Grund für dieses Urteil werden Sie nur erfahren, wenn Sie sich mit Kommentaren zurückhalten und erst mal zuhören, nur vorsichtig zum Weiterreden ermutigen. Vielleicht erfahren Sie so nach und nach, dass es in der Schule Ärger gab, weil Bettina ihn während der Klassenarbeit nicht abschreiben lassen wollte. Beim Versuch, ins Buch zu gucken, hat die Lehrerin ihn erwischt, ihm die Arbeit abgenommen und eine Sechs gegeben.

Dass Ihr Sohn aufs Abschreiben angewiesen war, weil er gestern die fürs Wiederholen nötige Zeit anderweitig verplant hatte, dass er im Grunde die schlechte Zensur verdient hatte, das brauchen Sie ihm nicht zu sagen, das weiß er selbst. Wenn Sie es ihm aber sagen, wird er wahrscheinlich das Visier herunterlassen und sich wütend verteidigen.

Keine Abwehrmanöver provozieren

Wenn Eltern mit ihren Kindern reden, tun sie das oft mehr unter pädagogischen als unter kommunikationspsychologischen Gesichtspunkten.

  • Ich, deine Mutter, dein Vater, sage dir etwas, damit du, mein Kind, deine Schlüsse daraus ziehst und dich entsprechend verhältst.
  • Wenn ich in der Sache recht habe, solltest du das einsehen und nicht beleidigt sein.
  • Wenn du auf eine harmlose Bemerkung hin mit den Türen knallst, ist das ungezogen!

So läuft das aber nicht.

Die Gespräche mit unseren Kindern unterliegen den gleichen Regeln, wir machen dabei die gleichen Fehler, tappen in die gleichen Fallen, müssen mit den gleichen Reaktionen rechnen wie Erwachsene im Gespräch miteinander. Vor allem sollte der Stil, in dem wir mit unseren Kindern reden, ihnen als Modell dienen können dafür, wie wir von ihnen angeredet werden möchten, wie sie auch mit anderen reden können. Das leistet der pädagogische Stil nicht. Das leistet nur ein Gesprächsstil, in dem für jeden die gleichen Regeln gelten.

Fühlt ein Mensch sich durch eine Entgegnung in seinem Selbstwertgefühl angegriffen, dann verteidigt er sich mit typischen Abwehrmanövern.

Das könnte im Beispiel Ihres Sohnes so aussehen:

Auf Vorwürfe und Ermahnungen würde er vielleicht antworten:
“Behaupte bloß nicht, du hättest in deiner Schulzeit nie abgeschrieben!”
Der eigene Fehler wird erträglicher, wenn man dem anderen das gleiche vorwerfen kann.
Wenn Sie diesen Ball jetzt annehmen und etwas zu Ihren eigenen Schulleistungen sagen, sind Sie schon wieder beim Pingpong-Spielen.

Ein anderes Abwehrmanöver: Wenn ich mich selbst größer mache, kann mich der Angriff
des Anderen nicht so klein machen:
“Denkst du, die blöde Sechs macht mir was aus? Wenn ich erst berühmt bin, werde ich mich mit diesem Scheiß sowieso nicht mehr beschäftigen.”

Oder noch anders: Man verteidigt die eigene Größe, indem man den anderen klein macht:

“Dich interessieren doch sowieso nur meine Zensuren, und nicht wie es mir geht.”

Wenn Sie diese Abwehrmanöver erkennen, wissen Sie, dass Sie das Selbstwertgefühl Ihres Gegenübers angegriffen haben.

Dann können Sie es vermeiden, Ihrerseits darauf mit einem Abwehrmanöver zu reagieren.Wenn Sie sich Ihre Kommentare verkneifen, kann das Gespräch offen weitergehen.

Habe ich das richtig verstanden?

Das aufmerksame Zuhören hilft nicht nur Ihnen, das Erlebnis Ihres Gegenübers mit seinen Augen zu sehen, seine Gefühle dabei nachzuempfinden. Es hilft vor allem auch ihm selbst, sich klarer zu werden über das, was passiert ist, was es dabei empfunden hat und welche Schlüsse es daraus ziehen will. Das hilft ihm viel mehr als Ihre Ermahnungen.

Manchmal wird Ihnen nicht gleich klar werden, was Ihnen Ihr Kind eigentlich mitteilen will. Vielleicht hat es sich ungeschickt ausgedrückt, vielleicht ist es ihm aber auch selbst noch nicht klar.

Sie können sich und ihm helfen, wenn Sie, wiederum anstelle einer Entgegnung, einfach erst mal sagen, was Sie verstanden haben, was bei Ihnen angekommen ist. Und zwar nicht so sehr die Worte, sondern der gefühlsmäßige Hintergrund.Also auf “So eine Scheiße” etwa: “Du scheinst dich ja sehr geärgert zu haben.”

Ohne Worte teilen Sie dadurch auch mit: “Ich habe meine Antennen ausgefahren, ich versuche zu verstehen, erzähl weiter”. Ihr Sohn kann dann weitermachen mit: “Ja, weil….” Haben Sie mal was nicht richtig verstanden, gefällt ihm Ihre Rückmeldung nicht, kann er sagen: “Nein, das nicht, aber…”, und so das Ganze zurechtrücken. So können Sie nach und nach beide gemeinsam klären, was eigentlich so ärgerlich, so erfreulich, so traurig war.

Wenn Sie sich mit Entgegnungen und Kommentaren zurückhalten, wagt Ihr Sohn vielleicht sogar eine selbstkritische Bemerkung zu seiner Geschichte, sagt selbst etwas, was Sie ihm nicht hätten sagen dürfen. Das kann er aber nur, wenn er von Ihrer Seite keinen Angriff auf sein lädiertes Selbstwertgefühl befürchten muss.

Selbstkritisch über eigene Schwächen oder Fehler zu reden, ist für Jugendliche ganz besonders schwer.

Dabei ist Einsicht und Selbstkritik der einzige Weg zu einer verlässlichen Änderung. Sie können sich das auch so vorstellen, als wenn eine Schnecke langsam und vorsichtig ihre Fühler aus dem schützenden Haus streckt. Eine grobe Berührung, und sie zieht sie wieder zurück.

Kritische, herablassende, ironische Elternbemerkungen sind solche groben Berührungen.
Machen Sie es der Schnecke nicht unnütz schwer.

Sagen Sie offen, was Sie denken, fühlen, wünschen

Nun heißt das nicht, dass Sie Ihre heranwachsenden Kinder wie rohe Eier behandeln sollen und Ihren Partner vielleicht noch gleich mit. Dass Sie immer erst überlegen sollen, was wem unter welchem Aspekt vielleicht sauer aufstoßen könnte, um es dann lieber für sich zu behalten. Im Gegenteil. Je älter Ihre Kinder werden, desto mehr Verständnis können sie für psychische Zusammenhänge aufbringen. Mussten Sie sich, als die Kinder kleiner waren, so manche bittere Reaktion verkneifen, weil die Kinder sie nicht verstanden hätten, müssen Sie das jetzt immer weniger. Sie können mit Jugendlichen auch über eigene Ängste und Unzulänglichkeiten, über zwiespältige und widerstreitende Gefühle reden. Die Kinder und Sie werden zunehmend zu gleichberechtigten Partnern, bei denen jeder die Gefühle des anderen verstehen, ertragen, auf sie Rücksicht nehmen muss.

Kinder mögen es, wenn ihnen klar gesagt wird, was Sache ist.

Mütter dagegen neigen oft zu eher verdeckten Äußerungen und Appellen. Sie wollen nicht so mit der Tür ins Haus fallen, sie wollen rücksichtsvoll formulieren, niemanden vor den Kopf stoßen. Eine Frau, deren Mann viel zu spät von der Arbeit heimkommt, sagt deshalb oft nicht: “Ich bin ärgerlich, weil du oft so spät nach Hause kommst, ich möchte gern, dass du eher kommst”, sondern, mit leise vorwurfsvollem Unterton: “Du kommst ja wieder so spät”. Sie hofft, dass der Mann den Appell aus dieser sachlichen Bemerkung heraushört, ohne ärgerlich zu werden. Jedenfalls, wenn er sie liebt.

Solche verdeckten Appelle sind oft erfolgreicher, weil sie geeignet sind, den Widerstand und die Abwehr des anderen zu unterlaufen. Auf einen offenen Appell riskiert man eine klare Absage: “Wenn das so einfach wäre, würde ich es ja tun. Es geht aber nicht.” Das kränkt. Der leise Vorwurf und die traurigen Augen bringen den Mann vielleicht eher dazu, etwas zu ändern.
Es kann allerdings auch sein, dass er auf diese “heimliche Tour” erst recht allergisch reagiert, dass ihm klare Worte letztlich doch lieber sind.

Diese Methode der verdeckten Äußerungen verwenden Mütter oft auch gegenüber den Kindern.

Aber Kinder mögen solche verdeckten Appelle nicht. Sie fühlen sich in der Deutung oft unsicher. Sie wollen wissen, woran sie sind.

Nehmen wir an, Ihrer Tochter fragt, ob sie bei ihrer Freundin übernachten darf.
Sie antworten: “Ja, ja, geh nur. Woanders ist es ja immer schöner als zu Hause.” Aber Ihr zerknitterter Gesichtsausdruck passt nicht zu der eindeutig formulierten Zustimmung. Das verunsichert. Oder es macht ärgerlich. Denn Ihre Tochter spürt, dass Sie nicht einverstanden sind, aber wie sehr, und warum, das kann sie Ihrer Reaktion nicht entnehmen. Wenn sie dann aber wirklich geht, nehmen Sie übel. Auch Übelnehmen ist eine verdeckte Reaktion, die Missverständnisse fördert, weil sie verschiedene Deutungen zulässt. Und da der, der Übel nimmt, meistens schweigt, kann der andere auch nicht überprüfen, ob seine Deutung richtig ist.

Sagen Sie doch klar und offen, was Ihnen nicht passt.

Kinder geben sich verdeckten Appellen gegenüber oft ausgesprochen dickfellig. Selbst wenn sie sie verstehen, sie wollen es nicht. Wie heißt es bei Goethe? “Man merkt die Absicht, und man ist verstimmt”. In Berlin sagt man auch: “Nachtigall, ick hör dir trapsen”.

Da ärgern Sie sich zum Beispiel seit Monaten, dass Ihr Sohn nie von sich aus einkaufen geht, höchstens seine Wünsche auf die Einkaufsrolle schreibt. Immer wieder werfen Sie mit Spitzen: “Warum muss eigentlich immer ich einkaufen?” “Schön, wenn man so seine Bedienung hat”. “Ich möchte einmal erleben, …” Und dann ärgern Sie sich krumm, weil nichts passiert. Sagen Sie doch klipp und klar: “Ich möchte, dass du heute das Einkaufen übernimmst.”

Es hat keinen Zweck, wenn Eltern heranwachsender Kinder um des lieben Friedens willen ihre eigenen Gefühle, Enttäuschungen hinunterschlucken oder höchstens in so unterschwelligen Andeutungen herauslassen. Das bekommt den Eltern nicht und den Kindern auch nicht.

Eltern, die sich in ihrer Haut wohlfühlen, weil sie aus ihrem Herzen keine Mördergrube machen, Eltern, die mit sich im reinen sind, sind auch bessere Eltern.

Mütter und Väter, die selbst in ihren Äußerungen zaghaft sind, erwarten das auch von ihren Kindern. Aber Kinder haben in ihrer Wortwahl viel weniger Skrupel als wir, greifen auch häufiger mal daneben. Vielleicht gelingt es Ihnen, sich bei einer solchen Äußerung nicht zu fragen: “Warum kränkt mich der Bengel so?”, sondern: “Was ärgert ihn so?”

Wenn Ihnen das aber nicht gelingt, wenn seine Frechheiten Sie auf die Palme bringen, dann sagen Sie es – laut und heftig, wenn es sein muss. Verabschieden Sie sich von der Vorstellung, in einer guten, intakten Familie müsse man immer wohltemperiert und abgewogen miteinander reden.

Lautstarke Gefühlsausbrüche, heftige, aber einigermaßen faire Auseinandersetzungen können reinigend wirken wie ein Gewitter. Deshalb halte ich es gerade beim Umgang mit Pubertierenden mit dem Satz: Lieber jeden Tag Streit als gar keine Gespräche.

Reden ist Gold, Schweigen ist Silber

Vergessen wir aber über aller Begeisterung für klärende Gespräche nicht, dass auch in der wohlwollendsten Atmosphäre nicht jeder ständig Lust hat, über alles zu reden.

Manchmal reagieren junge Leute auf Fragen oder das Angebot von Gesprächen ausgesprochen muffelig.

  • Sie fühlen sich ausgefragt.
  • Sie wollen darüber nicht reden.
  • Sie wollen erst mal selbst mit einer Sache ins Reine kommen oder das Ganze lieber mit Freunden besprechen.

Dann ist weiteres Bohren unzulässig und schädlich. Denn wenn ich einem anderen zu sehr auf die Pelle rücke, bedeutet das auch eine Missachtung seiner Intimsphäre. Und dagegen sind Jugendliche besonders allergisch.

Ausfragen verführt zum Lügen!

Wenn Eltern hier zu sehr drängen, verleiten sie ihre Kinder, ihnen eine wohlfeile Ausrede als Antwort anzubieten, damit sie in Ruhe gelassen werden Deshalb sollte in jedem Alter und auf jede Frage auch die Antwort erlaubt sein:” Darüber möchte ich jetzt nicht reden”.

Es ist ein notwendiger Vertrauensbeweis und eine Anerkennung der kindlichen Autonomie, eine solche Antwort zuzulassen, auch wenn es manchmal schwer fällt. Besonders wenn Sie sich über etwas Sorgen machen, möchten Sie wahrscheinlich wissen, was los ist. Erzwingen dürfen Sie es trotzdem nicht.

Lassen Sie sich auch niemals dazu verführen, heimlich Briefe oder Tagebuchaufzeichnungen Ihrer Kinder zu lesen.

Das ist ein so schwerer und folgenreicher Vertrauensbruch, dass er höchstens durch Lebensgefahr zu rechtfertigen ist.

Das Kunststück, das Sie fertigbringen müssen, ist sich anzubieten ohne sich aufzudrängen. Ihre Kinder müssen das sichere Gefühl haben, dass sie Ihre Unterstützung jederzeit als Notnagel in der Hinterhand behalten, wenn sie mal nicht allein zurechtkommen. “Wenn ich sie brauche, sind sie da.”.

Lassen Sie sich helfen, wenn Sie nicht mehr mit einander klarkommen

Es ist leicht, in einer ruhigen Stunde das, was man in schlauen Büchern liest, einzusehen und gute Vorsätze zu fassen. Es ist meistens viel schwerer, sie auch in die Realität umzusetzen.

  • Wenn Angst oder Wut Ihr besonnenes Handeln immer wieder blockieren,
  • wenn Sie allein keinen Weg mehr zueinander finden,
  • wenn einer den anderen immer wieder missversteht, lassen Sie sich von Fachleuten helfen.
  • Gehen Sie zu einer Familienberatungsstelle. Die finden Sie im Telefonbuch Ihrer Heimatstadt oder des nächsten größeren Ortes als Angebot der Stadt oder freier Träger wie Caritas, Diakonisches Werk oder Kinderschutzbund. Oder im Internet bei der BKE.

Eine solche Stelle in Anspruch zu nehmen ist kein Eingestehen eigener Unfähigkeit. Oft wird derjenige betriebsblind oder in seiner Handlungsfähigkeit eingeschränkt, der an einem Problem zu dicht dran ist, mit zu heftigen eigenen Gefühlen daran beteiligt ist. Ein Fremder dagegen, erst recht einer mit besonders geschultem Blick, kann das Ganze eher kühlen Herzens und mit kritischem Abstand betrachten. Und das ist sehr hilfreich.

Am besten ist es natürlich, wenn die ganze Familie gemeinsam gehen kann. Denn keiner ist unbeteiligt, wenn Menschen so eng zusammenleben. Es wird freilich schwer sein, Ihren Sohn, Ihre Tochter davon zu überzeugen, mitzugehen. Sie gegen ihren Willen unter Druck mitzuschleppen, ist völlig sinnlos.

Vermeiden Sie bei Ihren Überzeugungsversuchen jede Schuldzuschreibung. Also nicht: “Ich möchte, dass wir da hingehen, weil du…” sondern: “…weil ich dich besser verstehen möchte”, “…weil man uns vielleicht helfen kann, besser miteinander auszukommen.” Gelingt es Ihnen nicht, Sohn, Tochter, Partner zum Mitgehen zu bewegen, können Sie auch allein gehen. Da in einer Familie das Verhalten aller aufeinander einwirkt und voneinander abhängig ist, können Sie damit rechnen, dass eine Veränderung Ihres Verhaltens auch Veränderungen bei anderen Familienmitgliedern nach sich ziehen wird.

Bei Gesprächen in einer Beratungsstelle wird Ihnen nicht vorgehalten, was Sie alles verkehrt machen. Man überschüttet Sie auch nicht mit Ratschlägen, die Sie wiederum nicht realisieren können. Man hilft Ihnen vielmehr, Ihre eigenen Gefühle und Gedanken zu ergründen und zu sortieren, sich darüber klar zu werden, was Sie ändern möchten. Man unterstützt Sie dabei, das in kleinen, gangbaren Schritten auch zu tun.

Wenn Sie gemeinsam zur Beratung gehen, wird man Ihnen helfen, so miteinander zu reden, dass jeder zu seinem Recht kommt, keiner gekränkt oder untergebügelt wird, dass die Gespräche klären und nicht verletzen. Bestimmt wird kein Berater darüber richten, wer bei Auseinandersetzungen im Recht, wer im Unrecht ist, wer besser argumentiert, wer schlechter. Niemand wird für oder gegen einen von Ihnen Partei ergreifen. Deshalb werden auch alle gleichermaßen von solchen Gesprächen einen Gewinn haben.

Weitere Beiträge der Autorin hier in unserem Familienhandbuch

Autorin

Helga Gürtler ist Diplom-Psychologin. Sie schreibt Bücher und Zeitschriften-Artikel zu Erziehungsthemen, hält Vorträge, arbeitet mit Elterngruppen und in der Fortbildung von Erzieherinnen.

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Erstellt am 23. Juni 2003, zuletzt geändert am 9. September 2013