Zur Sprache bringen

Dr. Anne-Kristin Cordes, Dr. Franziska Egert, Fabienne Hartig
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Sprachförderung ist eine wichtige Aufgabe in der Kita. Apps können die pädagogischen Fachkräfte dabei unterstützen, auch bei der Inklusion.

Die Frage, ob digitale Medien in Kin dertagesstätten eingesetzt werden sollten, wird derzeit von Fachkräften und Eltern, aber auch in der Politik und Gesellschaft kontrovers diskutiert. Einerseits sollen Kinder in der Kita Raum zum Spielen und Entdecken haben, andererseits sind digitale Medien so allgegenwärtig geworden, dass die Bedeutung früher Medienbildung zunimmt. Nur selten stützen sich die Positionen auf wissenschaftliche Befunde. Am Staatsinstitut für Frühpädagogik wird derzeit eine Studie zur Nutzung und Wirkung des Einsatzes digitaler Medien in der Kita durchgeführt. Forschungsergebnisse aus über hundert wissenschaftlichen Untersuchungen werden gesammelt und ausgewertet werden. In diese Analyse gehen sowohl positive als auch negative Einzelbefunde ein, unter anderem zum sprachlichen Lernen. In einem zweiten Projekt wird ein Sprachförderprogramm mithilfe digitaler Medien in Kitas erprobt. Aus diesen beiden Projekten ergeben sich Tipps für die digitale Sprachförderung in der Kita-Praxis, aber auch erste Einsichten zu Stolpersteinen.

Für welche Bereiche eignen sich Apps zur Sprachförderung?

Nicht alle Sprachbereiche eignen sich gleichermaßen für das Lernen mit digitalen Medien wie Tablet-PCs und Apps. Sie können vor allem passive Sprachbeherrschung wie Wort-, Satz- und Textverständnis fördern. Zur gezielten Erweiterung des Wortschatzes kann zum Beispiel eine kleine Zahl unbekannter Wörter wiederholt in passenden, lebensnahen Szenen gezeigt werden.

Digitale Medien können durch Animationen, also bewegte Bilder, das Verständnis von Sätzen und Geschichten unterstützen. Auch bei der Sprachproduktion gibt es Möglichkeiten zum Einsatz digitaler Medien: Bilderbuch-Apps können sprachanregendes Potenzial mitbringen. Eine Möglichkeit ist, dass Fachkräfte und Kinder die App gemeinsam betrachten. Bilderbuch-Apps mit Aufnahmefunktion können die kindliche Sprachproduktion anregen, indem das Kind die Geschichte einspricht. Diese Form der digitalen Förderung kann allerdings nur in Begleitung von pädagogischen Fachkräften erfolgen. Die Förderung von Mehrsprachigkeit in der Kita, insbesondere Verständnis, Aussprache und auch die Erstsprache, lässt sich durch digitale Medien einfach realisieren: So können Fachkräfte und Kinder beispielsweise eine Geschichte als Bilderbuch-App einmal auf Deutsch und ein anderes Mal in der Erstsprache ansehen.

Auch im Vorschulbereich lassen sich Apps einsetzen, beispielsweise um die Entwicklung phonologischer Bewusstheit und erste schriftsprachliche Fähigkeiten gezielt zu unterstützen. Fachkräfte können mit den Kindern Anlaute, Auslaute oder Reime durch Zuordnungsaufgaben mit vorgesprochenen Wörtern üben oder die Kinder Buchstaben auf dem Tablet nachspuren und schreiben lassen.

Wie sollten Apps zur Sprachförderung gestaltet sein?

Eine gute App zeichnet sich durch eine einfache und übersichtliche Gestaltung aus, bei der Kinder leicht den Lerngegenstand erkennen können. Denn eine gute App setzt ihre digitalen Funktionen zur Vermittlung des Lerninhalts ein. Daraus leitet sich auch der Mehrwert einer digitalen Anwendung ab. Dieser kann darin liegen, dass eine App Lerninhalte systematisch und wiederholt darbietet, beispielsweise durch das Vorsprechen von Wörtern und das Vorlesen von Geschichten, den Aufmerksamkeitsfokus lenkt und Inhalte visuell unterstützt, Animationen zur Verdeutlichung des Gesprochenen verwendet oder unmittelbares, individuelles Lernfeedback gibt. Lernfeedback wirkt insbesondere dann  lernunterstützend, wenn es informativ ist.

Es vermittelt nicht nur, ob die Antwort falsch oder richtig war, sondern greift Erklärungen für richtige Antworten nochmals auf oder gibt Hilfestellung bei falschen Antworten. Bei einer App zur Übung von Anlauten könnte einem Kind also statt „Richtig“ oder „Falsch“ zum Beispiel „Genau, das Wort fängt mit A an!“ oder „Höre noch einmal genau hin, wie das Wort beginnt!“ zurückgemeldet werden. Auf diese Weise rekapituliert das Kind den Weg zur richtigen Antwort oder erhält Hilfe für den zweiten Versuch. Haptisches, auditives und visuelles Feedback oder unspezifsche Rückmeldungen wie „Prima!“ tragen dagegen nicht zum Lernerfolg bei. Zusatzfunktionen Zusatzfunktionen sollten nur spärlich vorhanden und ausschaltbar sein. Das ist wichtig, denn Hintergrundgeräusche und Melodien stören die auditive Verarbeitung, die für den eigentlichen Lernvorgang benötigt wird. Sogar aktivierende Elemente wie Hotspots oder Charaktere wie eine winkende Katze am Bildrand, die Kinder bei Interesse anklicken können, halten Kinder zwar bei Laune, lenken aber vom Lernprozess ab. Besonders, wenn der Lerngegenstand eine Herausforderung für das Kind ist. In diesem Fall benötigt das Kind alle kognitiven Ressourcen für den Lernprozess. Die Tatsache, dass Kinder eine App eifrig oder ausdauernd nutzen, bedeutet nicht, dass der Lernprozess erfolgreich ist. Denn besonders bei überladenen Apps mit einer Vielzahl an anklickbaren Möglichkeiten und Funktionen kann das eigentliche Lernen zugunsten von Herumklicken und Spielen stark in den Hintergrund treten und sogar unmöglich werden.

Alleine oder zusammen?

Vor allem bei der Förderung der Sprachproduktion und dem Einsatz von BilderbuchApps mit Aufnahmefunktion ist die Begleitung der Fachkraft, wie bereits erwähnt, unabdingbar, um Feedback zu geben oder mit den Kindern über die Anwendung zu sprechen. Zudem können sie bei der Bedienung und bei technischen Schwierigkeiten Hilfestellung leisten.

Zur Förderung von passiven Sprachfähigkeiten und von phonologischer Bewusstheit kann es sich jedoch durchaus empfehlen, dass Kinder auch allein an einer von der Fachkraft ausgewählten App arbeiten. Gerade, wenn die auditive Wahrnehmung beim Lernen gefordert ist, kann dies durch Kopfhörer sichergestellt werden. Mehrsprachige Kinder können davon proftieren, allein oder mit einem anderen Kind ein bekanntes Bilderbuch als App in ihrer Erstsprache anzusehen und anzuhören.

Auswahl von Apps - Checkliste

Fachkräfte sollten Apps zur Sprachförderung – wie andere Lern-Apps – sorgfältig auswählen. So sollten sie bei der Auswahl digitaler Medien zur Sprachförderung zunächst einen bestimmten Entwicklungsbereich eingrenzen und ein konkretes Lernziel festlegen. Fachkräfte sollten überlegen, inwiefern eine App Vorteile gegenüber alternativen Lernmitteln birgt. Essentiell ist dabei, dass sie den Lern- und Kenntnisstand des Kindes gut einschätzen können. Denn nur dann können sie beurteilen, ob die ausgewählte App passend für das jeweilige Kind ist. Ist eine App inhaltlich zu einfach oder schwierig, so wird ein Kind schnell das Interesse verlieren, selbst wenn die Anwendung hervorragend ist. Folgende Fragen können sich Fachkräfte stellen, um Apps gewinnbringend zur Sprachförderung einzusetzen:

Kind und Lernbereich

  • Welches Kind soll gefördert werden?
  • Geht es um die Förderung aktiver oder passiver Sprachbeherrschung? Bietet sich eine App überhaupt an?
  • Um welchen Sprachbereich geht es genau? Bietet sich eine App hierfür an?
  • Wie ist der Entwicklungsstand des Kindes in diesem Bereich?

App

  • Mit welchem Ziel setze ich die App ein?
  • Was ist der Mehrwert oder Vorteil der App?
  • Ist die App gut strukturiert? Kann ein Kind leicht erkennen, worum es in der Anwendung geht?
  • Sind Zusatzfunktionen, Hintergrundmelodien, Hotspots und Ähnliches ausschaltbar?

Kind, Lernbereich und App

  • Passt die App zum für das Kind relevanten Sprachbereich?
  • Passt das Lernniveau der App zum Entwicklungsstand des Kindes?
  • Kann das Kind die App allein nutzen oder sollte ich die Nutzung begleiten?

Autorinnen

Anne-Kristin Cordes ist wissenschaftliche Referentin am Staatsinstitut für Frühpädagogik in München. Ihre Themenschwerpunkte sind Sprachentwicklung und
Sprachförderung im frühpädagogischen Kontext sowie frühkindliche Lernprozesse, unter anderem Lernen mit digitalen Medien.

Franziska Egert ist Professorin für Pädagogik an der Katholischen Stiftungshochschule München, University of Applied Science. Ihre Themenschwerpunkte sind frühkindliche Bildungs- und Entwicklungsprozesse, Fachkraft-Kind-Interaktionen sowie Sprachförderung in Kindertageseinrichtungen.

Fabienne Hartig ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Staatsinstitut für Frühpädagogik in München. Ihre Themenschwerpunkte sind Lernen mit digitalen Medien sowie Qualität in Tageseinrichtungen für
Schulkinder.

Dieser Beitrag wurde zuerst veröffentlicht in: Meine Kita - das didacta Magazin für die frühe Bildung, Ausgabe 4/2019, S. 18-20, www.fruehe-bildung.online

eingestellt am 17. März 2020

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