Teamfähigkeit – gemeinsam sind wir stark und erfolgreich

Petra Stamer-Brandt
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Die Fähigkeit im Team zu arbeiten gehört zu den Kernkompetenzen des 21. Jahrhunderts. Schon im Kita-Alter kann diese Fähigkeit spielerisch angebahnt werden. Sie erfahren in diesem Artikel welche Bedeutung Teamfähigkeit, auch für die Zukunft unserer Kinder hat und was Sie tun können, um die Teamfähigkeit zu fördern. Einfache teamfördernde Spiele und Spielaktionen, die sich ohne große Vorbereitung umsetzen lassen, runden den Artikel ab.

Madline spielt mit einer Freundin im Garten. Auf einem kleinen Stück des Gartens dürfen die Mädchen ein Beet anlegen und sie sind auch ganz eifrig bei der Sache. Nach einer Weile scheitern sie aber an einem großen Stein, der mitten im Beet liegt und beseitigt werden muss. Zum Glück schaut Erkan über den Zaun und fragt, ob er helfen darf. Gemeinsam graben die Kinder den Stein aus und schaffen ihn aus dem Weg. Erkan ist aber nicht nur stark, er hat auch eine weitere gute Idee. Sein Opa hat auch gerade ein paar Beete angelegt, vielleicht hat der etwas Saat, Knollen und andere Sachen übrig. Erkan wird ihn fragen. Und Madline fällt ein, dass Tine so gut zeichnen kann, vielleicht hilft die, eine Skizze für das geplante Beet anzufertigen. Und Erkan kommt nicht nur mit einer Tüte voll Samen zurück, er bringt auch den Großvater mit, der mit wichtigen Tipps helfen kann. Das „Beetprojekt“ wird ein voller Erfolg, vor allem deswegen, weil viele Hände mit angepackt haben und unterschiedliche Menschen ihre unterschiedlichen Fähigkeiten einbringen konnten.

Wie Kinder Teamfähigkeit entwickeln

Die Kinder haben erstaunlichen Teamfähigkeit und damit eine wichtige Zukunftsfähigkeit entwickelt. Sie werden, wenn sie sich diese Art des gemeinsamen Handelns erhalten können, ihre Zukunft gut meistern. Kleine Kinder sind in der Regel etwa vom vierten Lebensjahr an gerne mit anderen Kindern zusammen. Während sie vor dem dritten Lebensjahr zwar schon neben- aber nicht miteinander gespielt haben, genießen sie nun das gemeinsame soziale Spiel. Das ist aber durchaus auch mit Konflikten verbunden. Die Kinder lernen sich selber und andere im gemeinsamen Spiel besser kennen, sie loten die eigenen Grenzen aus, erkennen eigene Stärken und Schwächen im Vergleich zu anderen Kindern, übernehmen neue Rollen und beginnen, eine besondere Sensibilität für andere Menschen zu entwickeln (Empathie). In dieser Zeit entwickelt sich auch ihr moralisches Gewissen, das sie zur Gruppen anregt und sie in manchen Situationen “selbstlos” handeln lässt. Diese Entwicklung kann allerdings nur stattfinden, wenn

  • Kinder viel Gelegenheit zum gemeinsamen Spiel in heterogenen Gruppen erhalten (Kinder unterschiedlichen Alters, unterschiedlicher Herkunft,…);
  • Kinder Situationen erleben und damit Erfahrungen sammeln können, in denen gemeinsames Tun möglich und von Vorteil ist;
  • Erwachsene sich nicht ständig schlichtend und Lösungen vorwegnehmend in kindliches Spiel einmischen;
  • Erwachsene als Vorbilder ein entsprechendes Modell zur Nachahmung bieten.

Ein Kind, das ständig allein vor dem Computer, der Spielkonsole oder dem Fernsehgerät sitzt, dessen Spielpartner vorwiegend Erwachsene sind, kann nur schwer soziale Verhaltensweisen, wie z.B. den Teamgeist, entwickeln. Es wächst weitgehend isoliert von anderen Kindern auf und es fehlen zentrale Entwicklungserfahrungen. In der Auseinandersetzung mit anderen Spielpartner/innen erfahren die Kinder:

  • ich bin einzigartig und anders als andere Kinder, aber wir haben auch gemeinsame Interessen und Bedürfnisse,
  • jedes Kind hat besondere Interessen und Begabungen, im gemeinsamen Spiel können diese zur Geltung gebracht werden,
  • gemeinsames Spiel kann fantasievoll und erfolgreich sein,
  • solidarisches Verhalten und kooperatives Bewusstsein führen schneller zum Ziel als Alleingänge,
  • Absprachen mit anderen vereinfachen das gemeinsame Spiel,
  • gemeinsam lassen sich Strategien und Regeln entwickeln, die das Zusammenspiel erleichtern,
  • individuelle Bedürfnisse müssen manchmal zu Gunsten einer Gruppenentscheidung zurückgestellt werden,
  • in einer Gruppe kann ich mich sicher fühlen, Verantwortung abgeben, aber auch Verantwortung tragen.

Kleinen Kindern ist Wettbewerb und Konkurrenz noch fremd. Sie messen sich im Spiel nicht, um einen Sieger oder Verlierer auszuloten, sondern um die eigenen Stärken und Schwächen herauszufinden. Sie spielen um des Spieles willen und können sich auch über den Sieg eines anderen Kindes freuen und eine “Niederlage” gelassen hinnehmen. Erst ehrgeizige Eltern, zum Wettbewerb auffordernde Pädagogen, ältere Geschwister und andere Kinder forcieren Wettbewerbslust, die sonst vor Schuleintritt kaum in Erscheinung treten würde. Da das so ist, sollten Erwachsene vermeiden, Wettbewerb auch noch zu unterstützen oder gar herauszufordern. Ziel sollte es hingegen sein, Kinder in ihrem pro-sozialen Verhalten zu unterstützen:

  • Hilfsbereitschaft sollte zur Selbstverständlichkeit werden,
  • Verhaltensweisen die nicht von egoistischen Motiven geleitet werden, sollten angebahnt werden,
  • Kinder zeigen Leistungsbereitschaft, ohne Gegenleistung zu erwarten,
  • Sie entwickeln soziale Verantwortlichkeit,
  • Sie fühlen sich in sozial benachteiligte Kinder ein und sie fühlen mit.

Was Teamfähigkeit ausmacht

Wer über Teamfähigkeit verfügt, ist bereit, mit anderen zusammenzuarbeiten, versteht andere oder versucht zumindest, sich in sie einzufühlen. Ein teamfähiger Mensch weiß, dass Zusammenarbeit nicht nur nützlich sein kann, sondern auch Spaß macht. Das bedeutet auch, dass das teamfähige Kind sich auf andere Kinder einlassen, sie akzeptieren lernen und ihr Handeln in das eigene Vorhaben einbeziehen muss. Es ist bereit, Verantwortung für das eigene Handeln und das anderer Kinder zu übernehmen und kann eigene Interessen aufschieben oder zurück stecken. Es kennt kooperative Verhaltensformen und erkennt, wann andere Menschen Hilfe benötigen und bietet diese dann auch an. Teamgeist bedeutet aber nicht, Unterordnung, Verlust der Individualität, oder Gleichmacherei. Die eigenen Ziele behält der “Teamarbeiter” durchaus im Auge. Sie werden dazu genutzt, die Zusammenarbeit zu verbessern und ein gemeinsames Ziel zu verfolgen.

Warum Teamfähigkeit eine Basiskompetenz für die Zukunft ist

Wir leben in einer immer komplexer werdenden Welt mit großen Zukunftsproblemen. Einzelne Menschen werden die Probleme dieser Welt (zunehmende Technisierung, Arbeitslosigkeit, Armut, Ressourcenschwund, Überalterung …) nicht mehr lösen können. Nur wer schon in früher Kindheit gelernt hat, sich schnell auf andere einzustellen, mit anderen gemeinsam alle, auch die schlummernden, Ressourcen zu nutzen, hat eine gute Chance, das spätere Leben kompetent zu handhaben. Wer schon in der Sandkiste gelernt hat, anderen zuzuhören, ihre Kompetenzen zu nutzen und die eigenen entsprechend einzubringen, kann auch im Erwachsenenleben problemlos mit anderen komplizierte Probleme lösen.

Dabei soll hier nicht einem Mythos Team das Wort geredet werden. Teamfähigkeit ist wichtig, aber nicht allein selig machend. Unsere Kinder müssen ebenso lernen, eigenen Interessen wahrzunehmen, sie gegen andere abzuwären und bei Bedarf durchzusetzen. Es gibt auch Situationen, in denen sich ein Problem oder eine Aufgabe schneller und effektiver im Alleingang lösen lässt. Schon heute erwarten viele Arbeitgeber von ihren Mitarbeiterinnen beides: Selbstbewusstsein und Durchsetzungsfähigkeit und Teamfähigkeit.

Woran Sie erkennen können, ob Ihr Kind teamfähig ist

  • Ihr Kind spielt gerne mit anderen Kindern, kann aber auch alleine spielen.
  • Ihr Kind kann sich in eine Gruppe einordnen, ohne seine Individualität aufzugeben.
  • Ihr Kind ist kontaktfreudig, kommunikativ und verhält sich anderen Kindern gegenüber solidarisch.
  • Ihr Kind findet in Kindergruppen Akzeptanz und wird unterstützt.
  • Ihr Kind fürchtet sich nicht vor Konflikten, sondern löst sie mit anderen gemeinsam.
  • Ihr Kind fühlt sich in einem Sportverein, einer Kindergruppe, einer Musikschule … wohl.
  • Ihr Kind übernimmt gerne Aufgaben in der Familie und in anderen Gruppierungen.
  • Ihr Kind ist hilfsbereit, loyal und flexibel.
  • Ihr Kind kann um Hilfe bitten und sie auch annehmen.
  • Ihr Kind ist sensibel, einfühlsam und bescheiden.
  • Ihr Kind kann intensive Beziehungen knüpfen und pflegen.
  • Ihr Kind verfügt über ein ausgeprägtes soziales Bewusstsein und ist bereit, soziale Verantwortung zu übernehmen.
  • Ihr Kind verfügt über Organisationstalent.
  • Ihr Kind ist offen.
  • Ihr Kind ist selbstkritisch und für Kritik zugänglich.

Was Sie tun können, um den Teamfähigkeit Ihres Kindes zu fördern

Erwachsene können den Prozess der spielerischen Selbstbildung ihrer Kinder unterstützen indem sie

  • soziales, kooperatives Verhalten loben,
  • sich selbst vorbildlich verhalten,
  • Angebote unterbreiten, die Teamfähigkeit notwendig machen,
  • gemeinsam mit den Kindern Teams bilden, die gemeinsam den Abwasch bewältigen, das Aufräumen angenehmer machen, eine schwere Aufgabe erfreulicher werden lassen,
  • soziale Verhaltensweisen zum Thema machen: “Was hältst du davon, dass die alte Frau Müller ihren schweren Einkaufskorb alleine in den dritten Stock schleppen muss?” “Was passiert im Kindergarten, wenn Lena nicht zu Alis Geburtstagsfeier gehen darf?”
  • den Beweis antreten, dass auch Sie nicht alles alleine schaffen, sondern fleißige Familienhelfer brauchen, die Ihnen dabei helfen das richtige Geburtstagsgeschenk für Opa auszuwählen, den Tisch besonders schön für die Geburtstagsfeier zu decken, den Ablauf der Weihnachtsfeier zu planen,
  • häusliche Pflichten auf alle Familienmitglieder verteilen: auch der kleine Alexander kann schon Blumen gießen und ist stolz darauf, es ohne Hilfe zu können, während Amely die Geschirrspülmaschine ausräumt oder den Müll rausbringt,
  • bewusst viel gemeinsame Zeit mit Ihrem Kind verbringen und sie für gemeinsame Tätigkeiten und kooperatives Spiel nutzen,
  • über eigene Teamerfahrungen berichten: das gemeinsame Streichen des Klassenzimmers der großen Schwester, das Kirchenfest bei dem alle mit zugepackt haben, der Bazar, für den Sie gestrickt und Kuchen gebacken haben, der Umzug der Freunde bei dem alle mit angepackt haben, etc.
  • gerne Gastgeber sind, andere Familien und Kinder einladen. Zeigen Sie Ihrem Kind, wie schön es ist Besuch zu bekommen. Erlauben Sie Ihrem Kind auch, selbst Besuch einzuladen, damit es lernt, auf andere Kinder zuzugehen, sich um sie zu kümmern,
  • möglichst wenig Spielzeug für Einzelgänger anschaffen. Achten Sie vielmehr darauf, dass sich das Spielzeug zum gemeinsamen, fantasievollen Spiel eignet. Spielzeuge sollten zum Sprechen anregen, zu zweit oder zu mehreren gespielt werden können und möglichst vielseitig einsetzbar sein,
  • ihrem Kind viel Spielzeit schenken, die es mit anderen Kindern nutzen kann,
  • ihrem Kind schon früh die Möglichkeit bieten, Regeln gemeinsam auszuhandeln und für deren Einhaltung selbst zu sorgen.

Spielideen zur Förderung der Teamfähigkeit

Turmbau

Aufgabe der ganzen Familie ist es, einen möglichst hohen stabilen Turm zu bauen. Das kann ein Turm aus Bauklötzen, aus Pappkartons oder aus Papierstreifen werden. Wichtig ist: alle beteiligen sich. Wenn Sie den Turm aus Papierstreifen bauen, werden unterschiedliche Fähigkeiten zum Tragen kommen. Ein Familienmitglied schneidet die Streifen, ein anderes faltet sie, ein weiteres klebt die Streifen zusammen oder plant den weiteren Verlauf. “Arbeiten” Sie mit Bauklötzen, werden Regeln vereinbart: jeder kommt der Reihe nach dran, es darf nur ein Klotz zur Zeit gesetzt werden…

Zwei malen ein Bild

Sie sitzen zu zweit vor einem leeren Blatt Papier und nehmen gemeinsam einen Stift in die Hände. Ihre Aufgabe besteht darin, ein gemeinsames Bild zu malen, ohne dabei zu sprechen.

Ist das Bild fertig, was eine Menge an Einfühlungsvermögen voraussetzt, wird über die gemeinsame Erfahrung gesprochen.

  • Hat jemand gelenkt? Wer hat gelenkt? Wie kam es zu der Entscheidung?
  • Wie ist die Entscheidung für ein Motiv zustande gekommen?
  • Wer es schwer oder einfach das Bild zu malen?
  • Wie haben sich die PartnerInnen miteinander gefühlt?
  • Mussten Kompromisse eingegangen werden?

Paketspiel

Stellen Sie sich alle gemeinsam ganz dicht zusammen und umarmen sich dabei. Nun kann sich die Familie wie ein fest zugeschnürtes Paket fühlen und so versuchen, durch die Wohnräume zu gehen. Wie gelingt das? Werden alle Familienmitglieder mitgenommen? Bricht das Paket auseinander und wenn ja, warum? Wie kann das Spiel besser gelingen?

Alle auf einen Stuhl

Versuchen Sie einmal, die ganze Familie auf einen Stuhl zu setzen. Vielleicht können auch noch Freunde der Kinder einbezogen werden. Wie viele Menschen bekommt Ihre Familie auf einen Stuhl? Diskutieren Sie, was getan werden muss, um dieses Spiel möglichst erfolgreich zu beenden.

Literatur

  • Monika Murphy-Witt/Petra Stamer-Brandt (2004): Was Kinder für die Zukunft brauchen. Gräfe und Unzer, München.
  • Petra Stamer-Brandt (2004): Stark-mach-Spiele. Christophorus-Verlag. Freiburg.
  • Petra Stamer-Brandt/Monika Murphy-Witt (2002): Das Erziehungs-ABC. Gräfe und Unzer, München (1. Auflage).

Weitere Beiträge der Autorin hier in unserem Familienhandbuch

Autorin

Petra Stamer-Brandt ist Mutter von vier Kindern, Pädagogin und Fachjournalistin. Sie ist ausgebildete pädagogische Organisationsberaterin, Coach (Advanced Studies Universität Kiel) und hat zahlreiche Fachbücher und Elternratgeber geschrieben.

Erstellt am 13. Dezember 2013

Staatsinstitut für Frühpädagogik und Medienkompetenz
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