„Schreibaby“: Eltern sollten sich frühzeitig Unterstützung holen

Schreit ein Baby aus unerklärlichen Gründen mehrere Tage sehr lange und viel und lässt sich nicht beruhigen, sollten Eltern sich an ihren Kinder- und Jugendarzt wenden. Ein Schreitagebuch kann Eltern dabei helfen, die tatsächlich Schreidauer ihres Kindes zu ermitteln. Mithilfe einer Videosprechstunde können Eltern mit ihrem Kinder- und Jugendarzt evtl. bereits vorab klären, ob ein Praxisbesuch erforderlich ist.

„Bei Bedarf wird der Kinder- und Jugendarzt die Eltern in die Praxis bitten, um sicherzugehen, dass keine Krankheiten die Ursache für das Schreien sind, erklärt Dr. Herman Josef Kahl, Kinder- und Jugendarzt sowie Mitglied des Expertengremiums vom Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ). In den meisten Fällen kann der Pädiater Eltern beruhigen und sie in dieser schwierigen Zeit mit Empfehlungen unterstützen. Etwa zwei von 10 Säuglingen sind von Regulationsstörungen betroffen und schreien ungewöhnlich viel - vorwiegend nachmittags und in der ersten Nachthälfte. Wichtig ist es, dass Eltern sich keine Vorwürfe machen, wenn nichts zu helfen scheint. Sie dürfen aber auch nicht die Nerven verlieren und auf keinen Fall das Kind schütteln, da dies zu schweren Schäden oder sogar zum Tod führen kann (sogenanntes Schütteltrauma).

Mögliche Hilfe: Fenchel, Probiotika und Fahrradbewegungen mit den Beinen

Eine Übersichtsarbeit hat alternative Therapien untersucht. Doch die Autoren kamen zu dem Schluss, dass weitere Forschungsarbeiten nötig seien, um eindeutige Empfehlungen aussprechen zu können. Fenchel und Probiotika – hier vor allem Lactobacillus reuteri – zeigten zumindest tendenziell Erfolge. Häufiges Aufstoßen lassen beim Füttern und Fahrradbewegungen mit den Beinen können Babys mit Blähungen helfen. Ein empfindliches oder sich noch entwickelndes Verdauungs- und Nervensystem, Nahrungsmittelunverträglichkeiten, Überempfindlichkeit oder Überstimulation stehen als auslösende Faktoren in Verdacht. Auch ob Darmkoliken vielleicht die Ursache oder die Folge des Schreiens sind, ist noch nicht geklärt. „Typisch ist, dass das Baby beim Weinen den Körper anspannt, die Fäuste ballt, den Rücken wölbt und die Beine hochzieht. Es kann beim Weinen auch ein gerötetes Gesicht entwickeln“, beschreibt Dr. Kahl die typischen Anzeichen.

Säuglinge, die täglich mehr als drei Stunden an mindestens drei Tagen der Woche aus unerklärlichen Gründen schreien und sich kaum beruhigen lassen, gelten als „Schreibabys“. Meist beginnen die Schreiattacken etwa im Alter von zwei Wochen und lassen dann etwa mit drei Monaten nach. Eine Studie, die das Schreiverhalten von fast 9.000 Babys weltweit auswertete, fand heraus, dass Neugeborene in den ersten sechs Wochen durchschnittlich zwei Stunden pro Tag schreien. Im Alter von 8 bis zwölf Wochen sink die Dauer demnach auf durchschnittlich etwa eine Stunde (68 Minuten). In manchen Ländern tendierten die Babys dazu, länger zu schreien (z.B. in den Niederlanden und Kanada), während in anderen die Schreidauer im Mittel geringer war (z.B. Dänemark).

Quellen: Newswise/LifeBridge Health, Systematic Reviews, Indian Pediatrics, Somnologie, J Pediatr.

Quelle

Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte e.V. (BVKJ)

Staatsinstitut für Frühpädagogik und Medienkompetenz
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