Eltern lassen sich online beraten

Anni Braun

Erziehung wird zunehmend schwieriger – und noch schwieriger ist es, jemanden zu finden, mit dem sich Eltern zwanglos über all die Alltäglichkeiten, Zweifel und Schwierigkeiten unterhalten könnten. Was liegt da näher, als solche Gespräche über das Internet aufzunehmen? Gerade dann, wenn man von Zweifeln geplagt wird, ob die eigenen Kindern sich richtig verhalten, noch “normal” sind. Oder wenn man nicht mehr weiter weiß, wie die Schwierigkeiten in der Erziehung zu lösen sind.

Daher liegt es auf der Hand, dass Eltern immer mehr die Möglichkeiten einer Online-Beratung nutzen – vor allem auch deshalb, weil bei einer Online-Beratung Ängste und Hemmschwellen, die üblicherweise eine Beratung begleiten, aufgrund der Anonymität eher gering sind.

Was ist Online-Beratung und wie funktioniert sie?

Online-Beratung ist eine neue Beratungsart neben den bisher üblichen Arten der Beratung: der persönlichen Beratung und der Telefonberatung. Man versteht darunter Beratung per Email. Man gibt in eine oder mehrere Suchmaschinen ein bestimmtes Stichwort ein; z.B. “Erziehungsberatung” oder “Elternberatung” . Dann bekommt man u.a. Links, über die man zu verschiedenen Homepages geleitet wird, die entsprechende Beratungsangebote anbieten – kostenlos oder gegen Gebühr.

Die Beratung erfolgt per Mail. In der Regel gibt es auf der Homepage des Beraters ein Emailformular, auf dem man sein Problem schildern kann. Die Antwort kommt dann auch per Mail, üblicherweise nach 1-3 Tagen.

Die Praxis zeigt: Es finden normalerweise ein oder mehrere Email-Beratungskontakte statt, je nach Art und Größe des Problems.

Welche Vorteile hat die Online-Beratung?

Die Online-Beratung hat mehrere Vorzüge gegenüber der persönlichen oder der Telefonberatung, vor allem durch den problemlosen Zugang und die Anonymität des Internets. Im Einzelnen sind folgende Vorteile zu nennen:

Online-Beratung kann jederzeit erfolgen – ohne Terminvereinbarung.
Sie ist bequem – man muss sich nicht aus dem Haus begeben.
Sie kann anonym erfolgen. Das ist vor allem für Menschen wichtig, denen es schwer fällt zuzugeben, dass sie Probleme haben, mit denen sie selbst nicht klar kommen. Hier gibt es geschlechtsspezifische Unterschiede. Frauen fällt es üblicherweise leichter, über ihre Probleme zu reden, als Männern. Das ist sicher auch ein Grund, warum bei der Online-Beratung mehr Männer um Rat nachsuchen.
Sie kann weltweit erfolgen. Das ist wichtig für Menschen, die im Ausland leben und oft wegen der Sprachprobleme keine Beratungsangebote vor Ort nutzen können.

Für welche Probleme ist Online-Beratung geeignet?

Grundsätzlich für alle Probleme. Es gibt inzwischen Online-Beratung durch die verschiedensten Berufsgruppen, z.B.: Rechtsanwälte, Ernährungsberater, Ärzte und Psychologen.

Für psychologischen Rat gilt, dass die Online-Beratung keine Psychotherapie ersetzen kann. Psychotherapie geht weit über eine schriftliche Beratung hinaus. Der Erfolg von Psychotherapie steht und fällt mit einem guten “emotionalen Draht” zwischen dem Klienten und dem Therapeuten. Nur im persönlichen Kontakt können die Wärme und Empathie vermittelt werden, die zum Aufbau einer guten emotionalen Beziehung nötig sind. Auch ist es bei der Behandlung von schwereren psychischen Störungen unabdingbar, dass Therapeuten direkt auf das Verhalten des Klienten reagieren können. Missverständnisse können dann sofort ausgeräumt werden.

Aber auch bei schwerwiegenden psychischen Problemen, wie z.B. Depressionen mit Selbstmordgedanken, Zwangserkrankungen u.ä., kann der Online-Berater die erste Anlaufstelle sein. Er kann Informationen liefern, wie der Betroffene in seiner Region einen fachkundigen Therapeuten findet und ihm Mut machen, diesen Schritt zu gehen. Denn die Hemmschwelle, einen Psychotherapeuten aufzusuchen, ist für viele Menschen immer noch sehr hoch.

Eine Ausnahme bilden Angsterkrankungen. Hier kann es sinnvoll sein, bei Klienten, die sich wegen starker Ängste nicht mehr aus dem Haus trauen, ein Angstbewältigungstraining über Email anzubieten, um auf diese Weise erst einmal die Voraussetzungen für eine spätere Psychotherapie vor Ort zu schaffen. Ich selbst biete ein solches Angstbewältigungstraining an.

Mit welchen Problemen lassen sich Eltern beraten?

Hierzu gibt es noch keine wissenschaftlichen Untersuchungen. So möchte ich auf meine Erfahrungen aus meiner dreijährigen Beratungstätigkeit im Internet verweisen: Am häufigsten wird das Problem “Wie soll ich mit den verschiedenen Ängsten meiner Kinder umgehen?” genannt. Bei kleinen Kindern geht es oft um die Angst, nachts allein in seinem Zimmer zu schlafen. Bei größeren Kindern sind es meistens Ängste, die mit der Schule zusammenhängen: Angst vor Lehrern oder vor Mitschülern bis hin zu Erpressungen, die offensichtlich recht häufig auftreten. Sehr häufig sind auch Fragen zu Schulproblemen jeglicher Art, z.B.: “Wie kann ich meinem Kind beim Lernen helfen?” “Wie kann ich es zum Lernen motivieren?”

Beratungsbedarf gibt es auch immer wieder bei unterschiedlichen Erziehungsauffassungen der Partner. Die Frage “Wer hat recht?” stellen hier vor allem die Mütter. Auch die Frage “Wie sage ich es meinem Kind, dass ich die Trennung von meinem Partner/ von meiner Partnerin will?” wird immer wieder gestellt. Ganz oben an steht dann auch die Frage der Eltern: “Wie kann verhindert werden, dass das Kind zu großen Schaden nimmt bei dieser Trennung?” Interessant ist, dass sich bei diesem Problem mehr Väter beraten lassen als Mütter. Väter scheinen hier unsicherer zu sein.

Natürlich spielt auch der Umgang mit Pubertierenden eine große Rolle bei der Beratung von Eltern. Hier sind viele Eltern sehr verunsichert, vor allem wenn z.B. aus ihrem braven Mädchen plötzlich eine aggressive unberechenbare Jugendliche wird. Gerade Mütter leiden sehr darunter. Es ist selbstverständlich, dass Jungen in der Pubertät schwierig sind. Aber Mädchen? “Die sollen doch normalerweise unauffällig und problemlos durch die Pubertät gehen” , denken noch viele Eltern. Und sie sind dann geschockt, wenn dies nicht der Fall ist.

Einen wichtigen Teil der Beratung nehmen Fragen ein wie: “Braucht mein Kind eine psychotherapeutische Behandlung?” “Wo ist die Grenze zwischen Lustlosigkeit und Depression?” “Liegt schon eine Zwangserkrankung vor, wenn das Kind sehr ordentlich ist?” Hier können, bei genauer Nachfrage, die Bedenken der Eltern oft zerstreut werden.

Immer wieder kommen auch Fragen zu den Themen: “Wie erkenne ich die ersten Anzeichen von Bulimie, Magersucht oder auch Drogenkonsum?” “Und wie kann ich als Mutter oder Vater richtig reagieren?”

Vorsicht vor “schwarzen Schafen” !

In der Anonymität des Internets kann sich jeder Berufsbezeichnungen und Titel zulegen, die er in Wirklichkeit gar nicht hat. Auf einer Homepage kann man alles Mögliche über sich erzählen, was mit der Wirklichkeit nichts zu tun haben muss. Eine gut aufgemachte Homepage ist kein Beweis dafür, dass das, was dort steht, auch stimmt. Jeder kann z.B. behaupten, er hätte Psychologie studiert, wäre Psychotherapeut oder Pädagoge. Deshalb sind Vorsicht und ein gesundes Misstrauen wichtig.

Wie findet man qualifizierte Berater?

Im psychologischen Beratungsbereich ist es wichtig, dass der Berater eine eindeutige Qualifikation hat. Wenn sich jemand Psychologe nennt, dann sollte er ein Diplom-Psychologe sein. Das beweist, dass dieser Berater ein Psychologiestudium an einer Universität abgeschlossen hat. Der Titel “Psychologe” ist inzwischen zwar rechtlich geschützt, wird aber immer noch missbräuchlich benutzt.

Wenn sich jemand Psychotherapeut nennt, dann sollte er neben dem Diplom in Psychologie oder einem abgeschlossenen Medizinstudium auch eine psychotherapeutische Ausbildung und eventuell eine Approbation nachweisen können. Psychologen, die diese Voraussetzungen erfüllen, finden Sie z.B. über die Homepage des Berufsverbandes der Deutschen Psychologen.

Bevor Sie eine Beratung gegen Honorar beginnen, sollten Sie sich vergewissern, dass der jeweilige Psychologe dort registriert ist. Wenn nicht, dann scheuen Sie sich nicht, eine Kopie seiner Diplom-Urkunde oder seiner Approbationsurkunde anzufordern, die per Fax oder Email-Anlage verschickt werden en kann.

Auch Pädagogen sind natürlich in der Elternberatung kompetent. Hier sollte man ebenfalls eine Kopie des jeweiligen Studienabschlusses als Lehrer, als Diplom-Pädagoge oder auch als Sozialpädagoge anfordern, wenn die Beratung gegen Honorar erfolgen soll. Wenn sich der Berater weigert, dies zu tun, dann hat er sich schon disqualifiziert.

Wie findet die Bezahlung statt?

Auch die Art der Bezahlung, die von den Beratern verlangt wird, kann helfen, die Spreu vom Weizen zu trennen. Größte Vorsicht ist immer geboten, wenn eine Beratung nur gegen Vorkasse geleistet wird. Solide Anbieter erbringen erst die Leistung und erwarten danach die vereinbarte Bezahlung, d.h. Vertrauen gegen Vertrauen.

Ich habe es übrigens noch nie erlebt, dass ein Klient meiner Online-Praxis bei einer Email-Beratung das vereinbarte Honorar nicht bezahlt hat.

Soll die Abrechnung über eine 0190er Nummer erfolgen, dann ist es wichtig, dass genau angegeben ist, was pro Minute verlangt wird. Auch sollte sich bei dieser Berechnung der Stundensatz in normalen Grenzen halten. Ein “normaler” Stundensatz wäre 1,00 bis 1,25 Euro pro Minute, d.h. 60 bis 75 Euro pro Stunde. Alles was über 1,50 Euro pro Minute hinausgeht (pro Stunde 90 Euro), halte ich für unangemessen.

Autorin

Anni Braun, Jahrgang 1947, Studium der Psychologie an der Uni Mainz, arbeitet seit 1983 in eigener Praxis in Wöllstein als Psychotherapeutin. Schwerpunkte ihrer Arbeit: Psychotherapie bei Ängsten, Zwängen und Depressionen; Beratung für Eltern und auch Paartherapie; Durchführung von Seminaren zur Persönlichkeitsentwicklung (Rhetorik, Kommunikationstraining u.ä.) und Seminaren zur Gesundheitsvorsorge (verschiedene Entspannungsverfahren, Stressbewältigungstraining u.ä.). Außerdem hält sie Vorträge für Eltern und Lehrer (Stress mit den Hausaufgaben, Wie machen wir unsere Kinder seelisch stark fürs Leben, ADS u.ä.).

Sie führt seit drei Jahren eine Online-Praxis im Internet. 

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Erstellt am 13. Oktober 2003, zuletzt geändert am 12. März 2010

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