Handys im Alltag von Kindern und Jugendlichen

Neue Medien als wiederkehrende Herausforderung für Bildung und Erziehung

Prof. Dr. Johannes Fromme
Fromme

Kinder und Jugendliche wachsen in einer Lebenswelt auf, die durch vielfältige technische Medien und einen ständigen technisch-medialen Wandel geprägt ist. Dies stellt für Eltern, Lehrer/innen und andere Erziehende eine Herausforderung dar, denn wer in einer zunehmend mediatisierten Alltagswelt angemessen pädagogisch handeln will, benötigt eigene Kenntnisse und Kompetenzen – einerseits in fachlicher Hinsicht (dazu gehören Kenntnisse und Kompetenzen in Bezug auf die Medien), und andererseits in pädagogischer und didaktischer Hinsicht (dazu gehören Fähigkeiten der Gestaltung geeigneter Lehr- und Lernsituationen). Der Beitrag verfolgt das Ziel, zu einem neuen Medium – dem Mobiltelefon – orientierende Informationen und Überlegungen für pädagogische Akteure anzubieten. Er bietet einen medienpädagogisch gerahmten Einblick in den Themenbereich Handy an. Die leitende pädagogische Idee dabei ist die einer „akzeptierenden Medienpädagogik“.

Einleitung

Das Anliegen dieses Beitrags ist es, zu einem neuen Medium – dem Mobiltelefon – Informationen und Überlegungen anzubieten, die pädagogischen Akteuren bei der Orientierung in unserer modernen Medienwelt helfen können. Angemessenes pädagogisches oder erzieherisches Handeln, so die leitende Annahme dieses Beitrags, setzt hinreichende eigene Kenntnisse und Kompetenzen voraus, und zwar einerseits in fachlicher Hinsicht (dazu gehören Kenntnisse und Kompetenzen in Bezug auf die Medien), und andererseits in pädagogischer und didaktischer Hinsicht (dazu gehören Fähigkeiten der Gestaltung geeigneter Lehr- und Lernsituationen). Die Mehrzahl der pädagogischen Fachkräfte verfügt allerdings bisher nicht über eine medienpädagogische Aus- oder Weiterbildung. Zwar ist in den vergangenen Jahrzehnten in einigen Universitäten und Fachhochschulen die Medienpädagogik als neue Teildisziplin der wissenschaftlichen Pädagogik eingeführt worden, und es widmen sich inzwischen auch verschiedenste Einrichtungen und Organisationen der Aufgabe der praktischen Förderung von Medienkompetenz, aber von einer nachhaltigen Verankerung der Medienbildung in allen Bereichen der Bildung sind wir noch weit entfernt.[1] Der gesellschaftliche Bedarf wird aber immer offensichtlicher, wie auch diese Veröffentlichung und die ihr zugrunde liegende Vortragsreihe zeigt.

Neben Lehrern/innen und anderen pädagogischen Fachkräften sind im Bereich der Medienerziehung vor allem die Eltern in der Verantwortung. Sie eignen sich die entsprechenden Kenntnisse überwiegend informell an, das heißt sie greifen auf Informationen aus ganz unterschiedlichen Quellen zurück. Neben Gesprächen und Informationsveranstaltungen spielen dabei vor allem unterschiedlichste Medien eine wichtige Rolle, etwa Zeitschriften, Fernsehsendungen, Internetseiten, Bücher usw. Dieser Buchbeitrag versteht sich als ein solches Informationsangebot. Es bietet einen medienpädagogisch gerahmten Einblick in den Themenbereich Handy an. Die dabei zugrunde gelegte pädagogische Programmatik kann als „akzeptierende Medienpädagogik“ bezeichnet werden.[2] Damit ist gemeint, dass das Medienhandeln von Kindern und Jugendlichen prinzipiell akzeptiert, also nicht von vornherein unter den Verdacht gestellt wird, problematisch, krankhaft, verdorben, dumm oder ähnliches zu sein. Das, was Kinder und Jugendliche mit Medien machen, hat in der Regel zu tun mit der Arbeit an ihrer Identität. Es geht also um Identifikation, Abgrenzung, Dazugehören und Anerkennung, aber auch um die Auseinandersetzung mit Wünschen, Ängsten, Träumen, Gefühlen usw. in einer Lebensphase, in der besonders intensiv an der Persönlichkeit bzw. Identität gearbeitet wird. Wenn Jungen beispielsweise gewalthaltige Computerspiele spielen, dann machen sie das nicht, um die Erwachsenen zu ärgern, sondern weil sie in den Spielen irgendetwas suchen (und vermutlich auch finden), was sie beschäftigt. Das muss in diesem Beispiel gar nicht das Thema Gewalt sein, es kann auch um Wettkampf gehen (sich messen) oder um soziale Zugehörigkeit (die Freunde spielen es auch) oder um die Auseinandersetzung mit der eigenen Geschlechtsrolle. Akzeptierende Medienpädagogik bedeutet also zunächst, dem Medienhandeln der Kinder und Jugendlichen vorurteilsfrei zu begegnen, sich für dieses Handeln und seine subjektive wie auch sozialisatorische Bedeutung zu interessieren und grundlegende Kenntnisse über die Medien, Nutzungsweisen und Nutzungskontexte zu haben oder zu erwerben. Da auf Seiten der Heranwachsenden ein kompetentes und sozial verantwortliches Medienhandeln (oft) jedoch nicht von allein entsteht, bedeutet prinzipielle Akzeptanz nicht den Verzicht auf pädagogische Begleitung, Anregung, Unterstützung und Kritik. Wer aber pädagogisch begleiten, anregen, unterstützen oder in einen kritischen Diskurs mit den Heranwachsenden über Medien treten will, der sollte wissen, wovon er spricht.

Handy – Siegeszug eines neuen Mediums

Man muss heute nicht mehr erklären, dass ein Handy[3] ein tragbares Telefon ist, mit dem man – sofern ein entsprechendes Funknetz erreichbar ist – von jedem Ort aus telefonieren kann. Inzwischen ist diese technische Erweiterung unserer Kommunikationsmöglichkeiten für uns selbstverständlich geworden, und wir haben schon beinahe vergessen, dass wir noch vor 20 Jahren Telefonzellen aufgesucht haben, wenn wir von unterwegs jemanden anrufen wollten. Allerdings wird diese Funktionsbeschreibung (mobil telefonieren können) der Multifunktionalität der heutigen Geräte nicht mehr gerecht, und wenn Handys nur Telefone wären, dann wären sie bei Kindern und Jugendlichen sicher nicht so beliebt und verbreitet, wie es der Fall ist. Handys sind ein gutes Beispiel dafür, wie schnell und umfassend sich technische Medien und damit auch der Medienalltag in wenigen Jahren verändern können. Entscheidend für den Wandel hin zu einem Alltagsmedium war vor allem die Einführung volldigitaler Mobilfunknetze seit 1992 (sog. D-Netz), denn damit wurde der Weg bereitet für das Versenden und Empfangen von SMS und MMS (Multimedia-Nachrichten) und die Entwicklung des Handys hin zu einem mobilen Multifunktionsgerät (mit integrierter Kamera, Bluetooth usw.).

Der Trend geht derzeit hin zu Smartphones, die von der Bedienung her eher auf andere Anwendungen als das mobile Telefonieren hin ausgerichtet sind und auf denen – wie bei Computern – zusätzliche Anwendungen (sog. Apps) installiert werden können. Vermutlich wird es in einigen Jahren bei uns kaum noch klassische Handys, sondern fast nur noch Smartphones geben. Damit werden Handys zunehmend zu All-in-One-Geräten, die eine Vielzahl von Funktionen in sich vereinen. Das Handy ist somit ein Paradebeispiel für die Medienkonvergenz im digitalen Zeitalter: Wir erleben eine zunehmende Integration telekommunikativer und multimedialer Funktionen auf der gleichen technischen Basis, also ein Zusammenwachsen von Medien, die in analogen Zeiten separat existierten. Die technische Entwicklungsdynamik im Handybereich spiegelt sich auch in einer im Vergleich zu anderen Medien und technischen Geräten sehr kurzen (und aus einer Nachhaltigkeitsperspektive kritisch zu bewertenden) durchschnittlichen Besitzdauer von nur 18 bis 24 Monaten in Deutschland wider.

Im Folgenden sollen nun zunächst einige Basisdaten zu Handybesitz und Handynutzung von Kindern und anschließend von Jugendlichen vorgestellt werden, die einen ersten Eindruck von der Bedeutung dieses neuen Mediums für die Heranwachsenden vermitteln. Dabei werden vor allem Daten aus den KIM- und JIM-Studien des Medienpädagogischen Forschungsverbunds Südwest verwendet, die auf repräsentativen Befragungen beruhen und kostenlos im Internet verfügbar sind.[4] Anschließend gehe ich auf die Frage ein, welche Rolle das Handy im Alltag der Heranwachsenden spielt.

Handybesitz und -nutzung von Kindern

Beim Handybesitz von 6- bis 13-Jährigen ist in den letzten zehn Jahren eine deutliche Zunahme zu verzeichnen (vgl. Abb. 1):

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Abb. 1: Entwicklung des Handybesitzes von 6- bis 13-Jährigen (in Prozent)

Quelle: Eigene Zusammenstellung auf der Basis der KIM-Studien von 2000 bis 2010 [5]

Mehr als die Hälfte der Kinder hat mittlerweile ein eigenes Handy, die Ausstattung hat also ein beachtliches Ausmaß erreicht. Dabei sind deutliche Unterschiede nach dem Alter der Kinder festzustellen. Während nur 14% der 6- bis 7-Jährigen ein eigenes Handy besitzen, sind es bei den 10- bis 11-Jährigen 71% und bei den 12- bis 13-Jährigen sogar 90%. Das heißt, der größte Sprung findet zwischen der Altersgruppe 8/9 Jahre (33%) und 10/11 Jahre (71%) statt. Ab 10 Jahren wird das Handy also zunehmend zur Normalität.[6] Dagegen gibt es keine nennenswerten Unterschiede nach Geschlecht, das heißt, Jungen und Mädchen sind in gleicher Weise mit eigenen Handys ausgestattet.[7]

Das Handy gehört zu den persönlichen Medien, bei denen das eigene Gerät quasi die Voraussetzung für die Nutzung ist: 54% der Kinder verfügen über ein Handy, 52% haben ein eigenes Handy – Verfügbarkeit und Besitz fallen also weitgehend zusammen. Die Nutzung des Handys ist aber keine besonders wichtige Freizeitbeschäftigung. Nur 7% der 6- bis 13-Jährigen geben „Handy nutzen“ als eine ihrer drei liebsten Beschäftigungen in der Freizeit an. Die liebsten Freizeitbeschäftigungen in dieser Altersgruppe sind übrigens „Freunde treffen“ (52%) und „draußen spielen“ (43%), gefolgt von „Fernsehen“ (32%).[8]

Die technische Ausstattung der Handys wird immer besser, das heißt, immer mehr Handys bieten zusätzliche Funktionalitäten wie Kamera, Bluetooth oder MP3-Player. Zwischen 2008 und 2010 ist der Anteil der Kinder mit eigenem Handy nur um 2% gestiegen, aber die Ausstattung der Geräte ist im gleichen Zeitraum deutlich besser geworden (vgl. Abb. 2).

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Abb. 2: Technische Ausstattung der Handys von Kindern 2008 und 2010 – zur größeren Darstellung bitte auf die Abbildung klicken

Quelle: MPFS 2010, S. 53

Viele Funktionen der Geräte spielen im Alltag der 6- bis 13-Jährigen allerdings nur eine untergeordnete Rolle. Die am häufigsten verwendeten Funktionen sind SMS und Telefonieren: 38% der Kinder bekommen täglich oder fast jeden Tag SMS, weitere 42% ein- oder mehrmals pro Woche. 33% schicken (fast) jeden Tag SMS, weitere 43% ein- oder mehrmals pro Woche. Auch bei der Telefonfunktion hat die Variante des Angerufenwerdens eine größere Bedeutung als die des Anrufens: 33% der Kinder geben an, (fast) täglich von ihren Eltern angerufen zu werden, „nur“ 23% rufen (fast) täglich ihre Eltern an. 30% der Kinder werden (fast) täglich von anderen Leuten angerufen, 26% rufen selber (fast) täglich andere an.[9] Eine recht große Bedeutung hat bei Kindern außerdem die Nutzung des Handys zum Spielen (10% täglich oder fast täglich, 28% ein- oder mehrmals pro Woche) sowie zum Fotografieren oder Filmen (6% täglich/fast täglich, 27% ein- oder mehrmals pro Woche).

Bei der Handynutzung zeichnet sich im Altersverlauf ein deutlicher Wandel ab. Die Kommunikation über SMS nimmt mit dem Alter deutlich zu, bei den 12- und 13-Jährigen ist es die häufigsten Form der Handykommunikation. Bei Kindern unter 10 Jahren dominiert die Kommunikation mit den Eltern, ab 10 Jahren werden dagegen die Gleichaltrigen immer wichtiger. Die familiäre Kommunikation bleibt gleichwohl auch bei den älteren Kindern eine zentrale Funktion der Handynutzung.

Zu diesen Ergebnissen passt auch der Umstand, dass Kinder ihr erstes Handy meist von den Eltern erhalten. Begründet wird dies in der Regel mit der besseren gegenseitigen Erreichbarkeit: Kinder sollen die Eltern unterwegs bei Bedarf erreichen können, zum anderen wollen die Eltern die Kinder erreichen können. Insofern scheint auch ein Sicherheitsgedanke im Spiel zu sein, auf den ich unten noch einmal zu sprechen komme.

Handybesitz und -nutzung bei Jugendlichen

Mit zunehmendem Alter wird das Handy ein selbstverständlicher Bestandteil des Medienalltags. Im Jugendalter kann heute im Prinzip von einer Vollausstattung ausgegangen werden, denn 96% der 12- bis 19-Jährigen haben ein eigenes Handy. Den stärksten Schub gab es zwischen den Jahren 1998 und 2004, denn innerhalb dieser sechs Jahre stieg der Anteil der jugendlichen Handybesitzer von 8% auf 90% (vgl. Abb. 3).

 

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Abb. 3: Entwicklung des Handybesitzes der 12- bis 19-Jährigen (in Prozent)

Quelle: Eigene Zusammenstellung auf der Basis der JIM-Studien 1998-2011

Es finden sich aktuell kaum noch Unterschiede nach Alter, nach Geschlecht oder nach besuchtem Schultyp. Bemerkenswert erscheint, dass die Mädchen (98%) derzeit etwas häufiger ein Handy besitzen als die Jungen (94%). Allerdings liegen die Jungen bei der Ausstattung mit Smartphones vor den Mädchen (27% zu 22%).[10] 68% der Jugendlichen nutzen ihr Handy mit einer Prepaid-Karte, je älter die Jugendlichen sind, desto größer ist aber der Anteil mit einem eigenen Vertrag (bei den 18- bis 19-Jährigen sind es 51%). Ein Blick auf die mediale Geräteausstattung der Jugendlichen[11] zeigt, dass das Handy auf Platz 1 liegt, gefolgt von MP3-Player (82%), Computer/Laptop (78%), Radio (64%), Digitalkamera (53%) und Fernseher (52%).

Man kann davon sprechen, dass das Handy im Jugendalter zum ständigen Begleiter wird. Es ist das Medium mit der höchsten Nutzungsfrequenz, die Nutzungsdauer ist dagegen relativ gering. Die überwiegend genutzten Funktionen (wie SMS senden) benötigen nicht sehr viel Zeit, werden aber oft mehrfach am Tag genutzt.

Bedeutung der Handys für Heranwachsende

Die Bedeutung von Medien ergibt sich aus der sozial und kulturell gerahmten Auseinandersetzung der Nutzer/innen mit den jeweiligen technischen Möglichkeiten der Geräte und Programme. Soziale und kulturelle Rahmung meint, dass Mediennutzung eingebettet ist in sozial-kulturelle Bedingungen, Verhältnisse und Prozesse, die wiederum mit bestimmten Erwartungen, Einstellungen, Vorlieben usw. einhergehen. Rahmung bedeutet nicht, dass die Mediennutzung durch die sozialen oder kulturellen Kontexte vorgegeben bzw. festgelegt wird, aber die Gebrauchsweisen von Medien und die Medienvorlieben der Heranwachsenden entstehen natürlich im Kontext von (also in der Auseinandersetzung mit) Familie, Freunden und Gleichaltrigen.

In modernen, erlebnisorientierten Gesellschaften hat sich das Verhältnis der Menschen zu Gütern und Dienstleistungen in der Weise verändert, dass nicht mehr der Gebrauchswert im Zentrum des Interesses steht, sondern der (erwartete) Erlebniswert, der auf ästhetischen und symbolischen Qualitäten beruht. Diese Entwicklung zeigt sich auch im Handybereich, wo z.B. das Image bestimmter Marken oder Gerätetypen bei der Anschaffung und beim Vorführen im Bekanntenkreis eine große Rolle spielt. Auch die technischen Daten (z.B. Speicherkapazität oder Auflösung der integrierten Kamera), die Ausstattungsmerkmale (z.B. Bluetooth, GPS, MP3-Player) oder die installierten Applikationen bei neueren Smartphones haben häufig eher einen symbolischen Wert und bedeuten nicht, dass sie regelmäßig gebraucht werden. Diese Verschiebung hin zur ästhetisch-symbolischen Seite der Dinge mag man kritisch sehen, weil sie dazu beiträgt, dass viele „überflüssige“ oder „unnütze“ Dinge gekauft werden und insgesamt das Projekt des schönen Lebens an den Konsum geknüpft wird. Allerdings trifft dies auf Erwachsene mindestens im gleichen Maße zu wie auf Kinder und Jugendliche, und wer selber (heimlich) Wein trinkt, der erscheint wenig glaubwürdig, wenn er (öffentlich) Wasser predigt.[12] Weiterhin ist zu bedenken, dass das Unnütze, Überflüssige und Ästhetische auf den Bereich der Kultur bzw. den Umstand verweist, dass der Mensch ein kulturelles Wesen ist und sich eben nicht auf das Notwendige und Instrumentelle beschränken lässt. In jedem Fall können wir davon ausgehen, dass bei der Frage nach der Bedeutung von Medien die (alltags-) kulturellen Funktionen in der Regel interessanter und relevanter sind als die rein instrumentellen Aspekte.

Bei der folgenden Übersicht über mögliche Handyfunktionen für Heranwachsende werden sowohl instrumentelle wie auch kulturell-symbolische Aspekte berücksichtigt. Die Darstellung ist angelehnt an Nicola Döring (2006), ich übernehme aber nicht alle in ihrer Zusammenschau von Forschungsergebnissen herausgearbeiteten Bedeutungsdimensionen, weil mir einige davon nicht ganz trennscharf erscheinen.

Sicherheitsfunktion: Dieser Aspekt wurde oben bereits angesprochen. Viele Eltern schenken ihren Kindern ein Handy, damit diese unterwegs Hilfe anfordern können bzw. erreichbar sind. Diese Überlegung kann aber auch zu übermäßiger Kontrolle führen oder unbegründete Ängste auslösen, wenn die Kinder mal nicht erreichbar sind, z.B. aus technischen Gründen. Es gibt Firmen, die versuchen, (zweifelhafte) Geschäfte mit den Sicherheitsbedürfnissen der Eltern zu machen. So wird Eltern beispielsweise der Ortungsdienst TrackYourKid[13] angeboten, mit dessen Hilfe der Aufenthaltsort des Kindes (bzw. des entsprechenden Handys) abgefragt werden kann. Was auf der Webseite des Anbieters als „sanfte und sichere Kontrollmöglichkeit“ bezeichnet wird, ist faktisch eine ethisch und pädagogisch fragwürdige (unbemerkte) Kontrolle: „Mit TrackYourKid können Sie den Aufenthaltsort Ihres Kindes abfragen! TrackYourKid ortet das Handy Ihres Kindes und teilt Ihnen mit, wo es sich gerade befindet. So bietet die Handyortung über TrackYourKid eine ganz neue Art der Sicherheit“.[14] Die Ortung einer Handy-Nummer setzt voraus, dass das Gerät beim jeweiligen Mobilfunkbetreiber durch Senden einer entsprechenden SMS freigeschaltet wird. Dazu muss das Gerät für den Antragsteller „verfügbar“ sein. Auf der Webseite von TrackYourKid wird den Eltern nahe gelegt, die Freischaltung des zu ortenden Handys selbst (und ohne Rücksprache mit den Kindern) zu beantragen. Bei Erwachsenen ist so ein Vorgehen schlicht illegal. Die Frage nach dem angemessenen Verhältnis von Kontrolle (im Namen der „Sicherheit“) und Vertrauen muss grundsätzlich sorgsam abgewogen werden, so auch im Umgang mit (eigenen) Kindern. Dabei sollte auch der Umstand bedacht werden, dass eine 100%ige Sicherheit selbst bei umfassender Kontrolle nicht erreichbar ist, und dass in vielen Fällen die versprochene Sicherheit nur eine scheinbare ist. Die von TrackYourKid angebotene Ortung nutzt beispielsweise nicht das Global Positioning System (GPS), sondern das Mobilfunknetz selbst, so dass die Ortungsgenauigkeit nur bei rund 250 Metern liegt.

Organisationsfunktion: Auch Kinder und Jugendliche sind heute aufgefordert, ihre Zeit und Termine zu planen (z.B. Vereins- und andere Freizeitaktivitäten), den Ablauf des Alltags mit der Familie oder mit Freunden zu koordinieren oder kurzfristige Vereinbarungen zu treffen. Das Handy erlaubt eine flexible Planung und Koordination (vor allem per SMS), was auch dazu führt, dass im Kreis der Freunde und Gleichaltrigen häufig auf feste und längerfristige Absprachen von Terminen und Treffpunkten zugunsten zeitnaher Absprachen verzichtet wird oder dass vorherige Absprachen per Handy noch mal bestätigt oder auch spontan verändert oder abgesagt werden. Solche kurzfristigen Änderungen können einerseits ärgerlich werden, wenn z.B. Verabredungen in letzter Minute noch abgesagt werden, sie können andererseits aber auch Ärger oder Besorgnis vermeiden helfen, z.B. wenn ein Wartender per SMS oder Anruf über eine Bus- oder Zugverspätung informiert werden kann.

Beziehungsfunktion: Speziell für Jugendliche ist das Handy inzwischen mit den gespeicherten Kontaktdaten aller wichtigen Menschen zur „Schaltzentrale ihres sozialen Netzwerkes“ geworden.[15] Das Handy dient vor allem der Aufrechterhaltung und Bestärkung bestehender Beziehungen, weniger dem Aufbau neuer Kontakte. Allerdings werden neu geknüpfte Kontakte gern zunächst per SMS weitergeführt, weil diese Kommunikationsform für die meisten eine geringere Schwelle bildet als ein Anruf. Auch innerhalb bestehender Beziehungen fällt es vielen Jugendlichen in der schriftlichen SMS-Kommunikation leichter, Gefühle offen auszudrücken. Gerade ängstliche oder schüchterne Jugendliche geben an, dass sie sich per SMS ehrlicher äußern können. Kennzeichnend für die SMS-Kommunikation sind weiterhin die hohe Kommunikationsfrequenz und die Gewohnheit, eingehende Kurznachrichten sofort zu beantworten. Bei der Beziehungsfunktion geht es also einerseits darum, Kontakte auch über die Distanz (z.B. nach der Schule) fortzusetzen und z.B. den Gruppenzusammenhalt im Freundeskreis aufrechtzuerhalten. Andererseits eignet sich die Handykommunikation (speziell per SMS) auch dazu, Beziehungen durch das (einfachere) Ausdrücken von Gefühlen oder „das Versenden kleiner digitaler Geschenke wie z.B. Logos, Fotos, Gedichte oder Witze“[16] zu bekräftigen. Die Face-to-Face-Kommunikation mit dem Freundes- und Bekanntenkreis wird durch die Handy-Kommunikation nicht ersetzt, sondern fortgesetzt, ergänzt und ggf. sogar vertieft.

Identitätsfunktion: Für Kinder ab etwa 10 Jahren wird das Handy zu einem Symbol, mit dem nach außen das Größer- bzw. Erwachsenwerden demonstriert werden kann. Dazu gehört zunächst der Gerätebesitz selbst sowie alle Formen der individuellen Aneignung und des Vorführens in der Gruppe, also z.B. die Auswahl und das Vorspielen persönlicher Klingeltöne oder die Verzierung mit Anhängern, Aufklebern oder Ähnlichem. Weitere Formen der Personalisierung sind z.B. eigene Hintergrundbilder, die Integration von Fotos in das digitale Adressbuch, das Anlegen eigener Fotoalben und Musiklisten oder – bei neueren Handys – das Installieren besonderer Apps. Die Selbstdarstellung mit dem Handy betrifft sowohl das Auftreten in der Öffentlichkeit (Straße, Straßenbahn, Bus usw.) als auch im eher privaten Kreis der Freunde und Bekannten. Das Handy ist zugleich ein besonders persönliches Medium, das es Heranwachsenden erlaubt, (erste) autonome Kontakte zum anderen Geschlecht zu pflegen, die von den Eltern nicht kontrolliert werden. Das Handy kann also den Prozess der Identitätsfindung bzw. Identitätskonstruktion durch die Entwicklung und Pflege eigener Beziehungen sowie die allmähliche Ablösung vom Elternhaus unterstützen. Es kann in der Pubertät ebenso zum Austesten von Grenzen und zum Tabubruch genutzt werden. Dabei können auch Grenzen zu sozial problematischen oder kriminellen Verhaltensweisen überschritten werden, die pädagogische (oder andere) Interventionen herausfordern.

Unterhaltungsfunktion: Da das Handy für Heranwachsende ab dem 10. Lebensjahr mehr oder weniger zum ständigen Begleiter wird, werden bestimmte Handyfunktionen unterwegs auch zum Zeitvertreib und zur Unterhaltung genutzt. Die SMS-Kommunikation kann auch diese Funktion übernehmen, z.B. wenn es Wartezeiten zu überbrücken gilt. Auch Handyspiele oder auf dem Handy gespeicherte Musik werden zur Unterhaltung verwendet, zumal sie auch noch zur Verfügung stehen, wenn das Guthaben auf der Prepaid-Karte verbraucht ist. Bei den neueren Smartphones erweitern sich die Unterhaltungsmöglichkeiten durch den mobilen Internetzugang und die Möglichkeit, sich mit der Suche, der Installation und dem Erproben neuer Applikationen zu beschäftigen, noch mal erheblich. Sie erhöhen aber auch das Risiko des Zugangs zu nicht altersgerechten Medieninhalten (siehe unten).

Informationsfunktion: Über das Handy lassen sich auch unterschiedliche Informationsangebote abrufen, z.B. Nachrichtendienste per SMS. Auch hier eröffnen die neueren Smartphones mit Internetzugang viele neue Möglichkeiten. Bisher wird diese Funktion von Kindern und Jugendlichen nur in relativ geringem Umfang genutzt. Sie dürfte aber künftig auch in dieser Altersgruppe an Bedeutung gewinnen. Und es sind nicht zuletzt diese Möglichkeiten, die derzeit in Projekten und Diskussionen zum Mobile Learning oder Micro-Learning aufgegriffen werden, bei denen es darum geht, Handys (und andere mobile Geräte) zur Unterstützung von Lernprozessen einzusetzen.

Empowermentfunktion: Der Begriff Empowerment wird vor allem in sozialpädagogischen Zusammenhängen verwendet, um eine zentrale Zielstellung der sozialen Arbeit zu bezeichnen, nämlich die Stärkung benachteiligter Gruppen und Einzelner. Ein wichtiger Aspekt dabei ist es, die demokratische Teilhabe und Teilnahme am sozialen und kulturellen Leben zu ermöglichen, z.B. durch die Beseitigung von Zugangsbarrieren. Durch die neuen, digitalen Medien ergeben sich hier diverse neue Chancen. Die SMS-Funktion des Handys erleichtert beispielsweise gehörlosen Kindern und Jugendlichen nicht nur die selbstständige Kontaktaufnahme zu Verwandten, sondern auch die Teilnahme an der Gleichaltrigenkommunikation. Auch Beratungsstellen, Selbsthilfegruppen oder andere Ansprechpartner sind über das Handy leicht und auf Wunsch auch anonym erreichbar. Bei Handys mit Internetzugang erweitern sich die Potenziale für das Empowerment wiederum deutlich.

Risiken und Probleme

Die Risiken des klassischen Telefons und Telefonierens waren überschaubar. Hauptsächlich musste man darauf achten, dass es nicht zu teuer wurde, vor allem bei sog, Ferngesprächen. Wenn man sich an einfache Regeln hielt wie „fasse dich kurz“ und „keine unnötigen Telefongespräche“, dann war das Risiko einer hohen Telefonrechnung am Monatsende gering. Bis in die zweite Hälfte der 1990er Jahre hinein verhielt es sich mit dem mobilen Telefonieren ähnlich, das heißt, es konnte auf solche bekannten Muster und Regeln zurückgegriffen werden, um das Kostenrisiko zu minimieren. Inzwischen ist das Thema Kosten durch eine Vielzahl möglicher Tarife, durch die erweiterten Funktionen der Handys (z.B. SMS, MMS, Aufspielen neuer Klingeltöne) und vor allem durch den mobilen Internetzugang wesentlich komplexer und komplizierter geworden.

Mit der Multifunktionalität sind auch andere, neue Risiken verbunden, die bei einfachen (monofunktionalen) Telefonen keine Rollen spielten. In diesem Zusammenhang werden in der Regel vier Risikobereiche unterscheiden:

  • Content (unzulässige oder für Minderjährige ungeeignete Inhalte)
  • Contact (riskante Kontakte)
  • Commerce (Kostenrisiken)
  • Privacy (Datenschutz, Privatsphäre).

Problembereich Content

Für technische Medien lassen sich grundlegend zwei Vermittlungsleistungen unterscheiden. Zum einen können Medien Informationen über räumliche Entfernungen hinweg verbreiten, wie es z.B. beim Rundfunk oder beim Telefon der Fall ist, zum anderen können Medien Informationen über die Zeit hinweg vermitteln, indem sie sie speichern. Einige Medien besitzen beide Eigenschaften. Aus Sicht der Mediennutzer/innen heißt das, dass technische Medien unsere Möglichkeiten des Zugangs zu und der Aneignung von Informationen aller Art in räumlicher und/oder zeitlicher Hinsicht erweitern. Das gilt prinzipiell auch für Informationen bzw. Inhalte, die für Minderjährige noch nicht geeignet sind, und auch für Inhalte, die ethisch fragwürdig oder gesetzlich verboten sind. Auch über Handys können solche Inhalte (z.B. gewalthaltige oder pornografische Bilder oder Filme) verbreitet bzw. abgerufen werden. Die Verbreitung solcher Inhalte wird durch gesetzliche Bestimmungen im Jugendschutzgesetz, im Jugendmedienschutz-Staatsvertrag und im Strafgesetzbuch geregelt und eingeschränkt. Beim Jugendmedienschutz geht es primär darum, im Interesse der Heranwachsenden die Verbreitungs- und Verkaufsmöglichkeiten einzuschränken. Strafbar macht sich, wer jemanden für seine/ihre Altersgruppe nicht frei gegebene Inhalte zugänglich macht (z.B. verkauft), strafbar machen sich nicht die Heranwachsenden, die solche Inhalte konsumieren.

Was die mögliche Gefährdung angeht, so sollte unterschieden werden zwischen Kindern und Jugendlichen. Dass sich Jugendliche etwa ab der Pubertät in neuer Weise für Themen wie Sexualität und auch Gewalt interessieren, ist weder neu noch verwunderlich, und ebenso normal ist es, dass sie auch die Medien nutzen, um sich mit diesen Themen auseinander zu setzen. Das lässt sich nicht vermeiden und verhindern, und es scheint mir auch nicht notwendig zu sein, übermäßig viel pädagogisch-erzieherische Mühe darauf zu verwenden, Jugendlichen den Zugang zu solchen Inhalten unter allen Umständen zu verwehren.[17] Wichtiger dürfte es sein, diese Themen und Interessen pädagogisch ernst zu nehmen und die Heranwachsenden damit nicht allein zu lassen bzw. diese Themen nicht lediglich den Medien zu überlassen.

Dass sich Heranwachsende in der Pubertät zunehmend für Erwachseneninhalte interessieren, ist also kein neues Phänomen. Neu ist jedoch, dass mit den digitalen und vernetzten Medien sowohl diese reizvoller werdenden Inhalte für Erwachsene wesentlich leichter zugänglich werden und zu verbreiten sind als auch ethisch sehr fragwürdige oder verbotene Inhalte (z.B. sog. Snuff-Videos oder Kinderpornographie). Es ist unstrittig, dass solche Inhalte in verschiedener Hinsicht als problematisch einzustufen sind und dass eine Gesellschaft hier Gegenmaßnahmen ergreifen muss. Welche Maßnahmen angesichts der Besonderheiten der digitalen und vernetzten Medien geeignet sind, ist allerdings umstritten. Die Bundesregierung hat beispielsweise 2009 eine Initiative zur Sperrung von Internetseiten ergriffen, auf denen Kinderpornographie verbreitet wird. Diese Initiative führte aber zu massiver Kritik von Juristen, IT-Providern, Bürgerrechtlern und anderen, die stattdessen die Löschung solcher Inhalte und eine bessere internationale Zusammenarbeit zur Strafverfolgung der Täter forderten.[18]

Dass mit dem Handy jugendgefährdende Inhalte wie Gewalt- oder Pornofilme getauscht werden (können), ist den meisten Jugendlichen bekannt. Laut aktueller JIM-Studie geben 20% der Befragten an, sie wüssten, dass dies im Freundeskreis oder bei Bekannten vorgekommen ist.

„Selbst betroffen waren vier Prozent, Jungen stärker als Mädchen. Insbesondere die mittleren Altersstufen und Jugendliche mit geringerer formaler Bildung haben häufiger diese Inhalte bekommen. Insgesamt betrachtet kann man allerdings feststellen, dass diese Problematik deutlich zurückgegangen ist. Gegenüber der JIM-Studie 2009 hat sich der Anteil der direkt Betroffenen etwa halbiert“.[19]

Einen Sonderfall stellt das sog. Happy Slapping dar, bei dem Handys genutzt werden, um Rangeleien oder Prügeleien zu filmen, wobei es sich mehrheitlich nicht um gestellte Situationen zu handeln scheint.[20] Problematisch daran ist nicht nur die Gewaltausübung, sondern der Umstand, dass die Filmaufzeichnung nicht selten für weitere Demütigungen des Opfers genutzt wird (Mobbing). Es handelt sich um ein Problem des Nutzerverhaltens, das verdeutlicht, dass der sozial verantwortliche Umgang mit den Medien inzwischen zu einem besonders wichtigen Teilbereich des sozialen Lernens geworden ist.

Problembereich Contact

Der Problembereich Contact kann als Kehrseite der mit Medien verbundenen Erweiterung von Kontakt- und Kommunikationsmöglichkeiten betrachtet werden. Kinder und Jugendliche können über das Handy (z.B. mobile Chat-Dienste) in Kontakt mit sexuell motivierten Erwachsenen kommen oder sie können über das Handy bedroht oder belästigt werden (bis hin zum Stalking). Diese Risiken eines leichtsinnigen Nutzerverhaltens müssen ihnen bewusst gemacht werden. Heranwachsende mussten immer schon lernen, Fremden nicht leichtsinnig zu vertrauen. Diese Lern- und Bildungsaufgabe hat sich im Zeitalter von Handy und anderen neuen Medien erweitert, weil es neue Kontakt-Foren und Kommunikationswege gibt, die in dieser Hinsicht eben auch neue Risiken mit sich bringen. Auf der anderen Seite sind Kinder und Jugendliche teilweise auch als Täter aktiv, die andere bedrohen, belästigen oder in anderer Weise schädigen.

Problembereich Commerce

Verträge mit Mobilfunkanbietern können nur Volljährige abschließen, insofern sind für die Kosten der Handynutzung von Kindern letztlich Erwachsene (i.d.R. die Eltern) verantwortlich. Gleichwohl tragen einige Jugendliche ihre laufenden Handykosten teilweise oder gänzlich selbst.[21] Insgesamt scheinen die Heranwachsenden die Handykosten unter Kontrolle zu haben, „nur vier Prozent der Handybesitzer geben an wegen des Handys schon einmal Geld geliehen bzw. Schulden gemacht zu haben. In den allermeisten Fällen haben dabei die Eltern ausgeholfen. Der sehr geringe Anteil derjenigen, die schon einmal Schulden machen mussten, ist über die letzten Jahre rückläufig“.[22] Trotzdem sollte das Kostenrisiko nicht unterschätzt werden. Je nach Vertrag können hohe Kosten der Mobilkommunikation entstehen, wenn bestimmte zusätzliche Dienste (z.B. Klingelton-Abonnement, Internetnutzung, Auslandsgespräche) in Anspruch genommen werden, über deren Kosten sich die Heranwachsenden nicht bewusst sind. Dazu können auch betrügerische Angebote beitragen, wenn z.B. Flirt-SMS versendet werden, die zum Rückruf einer kostenpflichtigen Nummer animieren sollen. Eine bessere Kostenkontrolle bieten Prepaid-Karten, auf die vor allem jüngere Handy-Nutzer (bzw. ihre Eltern) zurückgreifen. Laut aktueller JIM-Studie benutzen 81% der 12- bis 13-Jährigen ein Prepaid-Handy, 77% der 14- bis 15-Jährigen, 67% der 16- bis 17-Jährigen und 49% der 18- bis 19-Jährigen.[23] Ein Kostenfaktor sind aber auch die Handys selbst. Vor allem die neuen Smartphones sind mit hohen Anschaffungskosten (teilweise 500 Euro oder mehr) verbunden, die entweder einmalig anfallen oder – meist mit Aufpreis – auf die monatlichen Vertragskosten umgelegt werden.

Problembereich Privacy

Durch die erweiterten Funktionen des Handys verändert sich der Charakter der Kommunikation, ohne dass das den Nutzern immer bewusst ist. Telefonieren lässt sich zunächst dem Bereich der interpersonalen Kommunikation zuordnen, das heißt, über das Telefon kommunizieren Einzelpersonen in Echtzeit miteinander. Was dabei gesprochen wird, gelangt im Normalfall nicht an eine größere Öffentlichkeit. So gehört es zu den ungeschriebenen Regeln des Telefonierens, dass man den Gesprächspartner um sein Einverständnis bittet, bevor man am Telefon den externen Lautsprecher anschaltet, damit andere im Raum Anwesende mithören können. Insofern ist das Telefon – auch das mobile Telefon – zunächst ein sehr privates bzw. persönliches Kommunikationsmedium. Beim Handy verwischen aber die Grenzen zwischen privater und öffentlicher Kommunikation, und auch zwischen interpersonaler und massenmedialer Kommunikation. Wenn man mit dem Handy ein Foto macht und dieses per MMS an Bekannte schickt oder bei Facebook oder auf der Seite einer Foto-Sharing-Plattform im Internet einstellt, dann ist das nicht dasselbe, wie ein Fotoalbum mit Papierabzügen bei der Familienfeier kreisen zu lassen oder die lieben Verwandten mit einer privaten Diaschau zu erfreuen. Über eine Fotodatei, die man weitergegeben oder gar ins Netz gestellt hat, hat man letztlich keine Kontrolle mehr. Dass man bei der Handykommunikation die Grenze von privater zu öffentlicher Kommunikation leicht überschreiten kann, und dass man sich im Internet in einem öffentlichen Raum bewegt, das ist den Handy- und Internetnutzern (nicht nur den jüngeren) oft nicht in vollem Umfang bewusst, und auch nicht, dass man selbst dann für andere sichtbare Spuren hinterlässt, wenn man nicht aktiv kommuniziert, sondern sich z.B. nur Informationen aus dem Internet lädt. Der Nutzer digitaler und vernetzter Medien ist nicht mehr in vergleichbarer Weise unsichtbar und anonym wie der Nutzer klassischer Massenmedien (z.B. des Fernsehens).

Daher besteht das Risiko, dass private Texte, Bilder oder Videos öffentlich (gemacht) werden, sei es durch Unbedachtheit oder Leichtsinn der Nutzer selbst, sei es durch andere, denen diese Inhalte – möglicherweise vertraulich – übermittelt wurden oder die sie sich auf andere Weise beschafft haben. Da viele ihr Handy ständig dabei haben, können sie in beinahe jeder Situation Fotos oder Videos aufnehmen und diese in kürzester Zeit an andere weiterleiten oder auch im Internet öffentlich machen. Insofern ist es mit dem Handy sehr einfach geworden, Privates öffentlich zu machen, auch ohne das Wissen bzw. gegen den Willen anderer Beteiligter. Dabei kann ganz schnell die Grenze von einem harmlosen Spaß zu erniedrigender Bloßstellung, Mobbing und auch Erpressung überschritten werden.

Zum Problembereich Privacy gehört aber auch das Risiko, dass Firmen (unbemerkt) private Daten der Handynutzer sammeln, zum Beispiel indem sie über die GPS-Ortung Bewegungsprofile speichern oder Adressen und andere persönliche Daten auslesen, die im Handy gespeichert sind. Vor allem beim Download von Apps auf aktuelle Smartphones muss man dem Anbieter vor der Installation häufig recht weitgehende Zugriffsrechte auf solche Daten einräumen. Bisher scheint es dafür noch kaum ein Problembewusstsein zu geben, obwohl nicht geklärt scheint, inwiefern diese Praxis mit dem Persönlichkeitsrecht auf informationelle Selbstbestimmung[24] vereinbar ist.

Pädagogischer Ausblick

Handys und Medienpädagogik

Die neuen medialen Bedingungen von Kommunikation und Interaktion in Zeitalter von Internet und digitalen Medien sind für alle eine mehr oder weniger große Lern- und Bildungsherausforderung. Bezogen auf die oben skizzierten Problembereiche ist festzuhalten, dass die möglichen Risiken medialer Kommunikation für die Nutzer digitaler Medien in der Regel nicht unmittelbar sichtbar, sondern in ähnlicher Weise wissensabhängig sind, wie es Ulrich Beck für die Risiken und Nebenwirkungen der Güterproduktion in modernen (bzw. postmodernen) Gesellschaften beschrieben hat.[25] Die Frage ist dann, wie und wo Kinder und Jugendliche das nötige Wissen um die Risiken erwerben, die mit der Nutzung neuer Medien wie des Handys verbunden sind, damit sie nicht unbedacht zu Opfern werden. Wenn es sich überwiegend um verborgene Risiken handelt, dann ist die Vermittlung entsprechenden Risikowissens unabdingbar, ein beiläufiger Wissenserwerb nur durch Ausprobieren reicht hier nicht aus. Inwieweit sich Kinder und Jugendliche über Risiken der Nutzung neuer Medien im Sinne einer Peer-Education austauschen, ist meines Wissens bisher nicht genauer untersucht, aber es ist zu vermuten, dass sich manche negative Erfahrungen (z.B. hohe Kosten durch ein versehentlich abgeschlossenes Abo) im Freundes- und Bekanntenkreis durchaus herumsprechen, während andere Erfahrungen (z.B. Opfer von Mobbing oder Erpressung sein) wohl nur selten thematisiert werden.

Unter den veränderten technologischen Bedingungen mit der extrem niedrigen Schwelle zur Erstellung und medialen Verbreitung eigener Inhalte und Botschaften wird es auf der anderen Seite umso wichtiger, dass die Technologien in sozial verantwortlicher Weise verwendet werden. Auch Kinder und Jugendliche sind, wenn es z.B. um die Verletzung der Privatsphäre geht, nicht nur potenzielle Opfer, sondern auch potenzielle Täter. Der Umgang mit den Medien wird zu einem zunehmend wichtigen Teilbereich des sozialen Lernens bzw. der sozialen Bildung insgesamt, und auch hier stellt sich die Frage, wie und wo Kinder und Jugendliche lernen, die neuen Medien in sozial verantwortlicher Weise zu nutzen, also in einer Weise, die z.B. die Privatsphäre und die Persönlichkeitsrechte von anderen respektiert.

Damit sind aktuelle Aufgaben der Medienerziehung bzw. Medienpädagogik umrissen. Die Aufgabe und Zielsetzung der Medienpädagogik kann aber keineswegs darauf beschränkt werden, die Heranwachsenden mit den möglichen Risiken der Mediennutzung vertraut zu machen. Vielmehr geht es pädagogisch darum, die Menschen beim Erwerb jener Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten zu unterstützen, die sie benötigen, um am gesellschaftlichen Leben, in das digitale Medientechnologien in vielfältiger Weise eingewoben sind, selbstbestimmt und sozial verantwortlich teilhaben und teilnehmen zu können. Es geht also um Persönlichkeitsbildung, im Falle der Medienpädagogik konkretisiert als Förderung einer umfassenden Medienkompetenz und Medienbildung.

Bezogen auf diese Aufgabe stoßen wir auf das bereits eingangs erwähnte Problem, dass Eltern und pädagogischen Fachkräften oft selbst die entsprechenden Kenntnisse und Kompetenzen fehlen. Es gibt zwar mittlerweile einige Veröffentlichungen und Ratgeber, die über Risiken der Handykommunikation und anderer digitaler Medienwelten informieren, und es gibt auch eine Reihe von Fortbildungen und Informationsveranstaltungen (z.B. von den Landesmedienanstalten und den Landesstellen für Kinder- und Jugendschutz), aber dem wachsenden Bedarf können die bisherigen Angebote kaum gerecht werden. Zu fragen ist auch, wie weit die konzeptionellen Grundlagen der handlungsorientierten Medienpädagogik[26], die primär auf aktive und projektförmige Zugänge zur Mediennutzung, Medienanalyse und Mediengestaltung abstellt, sich in der bestehenden Praxis bereits widerspiegeln. Trotz unbestreitbarer Fortschritte kann bisher weder von einer nachhaltigen Verankerung einer professionellen Medienbildung in der Aus- und Weiterbildung von pädagogischen Fachkräften (oder gar in der Eltern- und Familienbildung) noch von einer nennenswerten Berücksichtigung medienpädagogischer Aufgaben in der schulischen wie außerschulischen Pädagogik ausgegangen werden. Hier besteht in der Bildungspolitik wie in der pädagogischen Praxis noch ein erheblicher Handlungsbedarf.

Hinweise für die medienpädagogische Praxis

Das Handy ist, vor allem bei Teenagern, ein besonders persönliches Medium. Kinder und Jugendliche haben, ebenso wie Erwachsene, ein Recht darauf, dass ihre Privat- und Intimsphäre beachtet wird. Auch Eltern (und andere Erziehungsberechtigte) überschreiten daher eine sensible Grenze, wenn sie ausspionieren, welche Bilder, SMS oder sonstigen Inhalte die Kinder auf ihren Handys haben. Daher gilt: Nur was sie von sich aus den Eltern zeigen, ist für sie bestimmt, alles andere ist tabu. Wie bereits ausgeführt, sind Erziehung und Bildung etwas anderes als der Versuch, Kinder und Jugendliche zu kontrollieren und vor allen möglichen Risiken zu schützen. Heranwachsende müssen die Chance haben, eigene Erfahrungen zu sammeln, aber sie müssen eben auch vorbereitet werden auf die Welt, auf die sie treffen. Sie benötigen heute nicht zuletzt eine breite Medienkompetenz, um mit den verschiedenen Medien selbstbestimmt und sachgerecht umgehen und die medialen Botschaften verstehen zu können, und sie benötigen Orientierungs- und Risikowissen (man kann auch sagen: Medienbildung), um die besonderen Bedingungen medialer Kommunikation und Interaktion einschätzen und das eigene Handeln daran ausrichten zu können. Es lassen sich also grob zwei pädagogisch-erzieherische Aufgabenbereiche unterscheiden, zum einen die Unterstützung des Erwerbs medienbezogener Kenntnisse und Kompetenzen, zum anderen die Unterstützung sozialer und persönlicher Bildung unter den Bedingungen zunehmender Medialität. Im ersten Bereich geht es um die Medien (z.B. das Handy) und ihre unterschiedlichen Funktionen, um technische Besonderheiten und die damit verbundenen Möglichkeiten und Risiken, um finanzielle und rechtliche Aspekte und Ähnliches mehr. Im zweiten Bereich geht es um ein Orientierung und Verantwortung in einer durch mediale Kommunikation geprägten Welt, damit aber um soziale Bildung und Persönlichkeitsbildung insgesamt. Wenn bestimmte Kinder in einer Schulklasse ausgegrenzt und z.B. auch Opfer des sog. Happy Slapping werden, dann ist das kein Handyproblem, sondern ein soziales Problem, ein Problem fehlender gegenseitiger Anerkennung bzw. angemessener Umgangsformen mit Anderen. Aus dieser Perspektive ist Medienbildung prinzipiell ein (notwendiger) Bestandteil der allgemeinen Bildung.

An dieser Stelle kann natürlich kein umfassendes Konzept einer Medienerziehung in der Familie entworfen werden. Schon die Rede von der Familie ist angesichts der wachsenden Vielfalt von familiären Lebensformen im Zuge gesellschaftlicher Modernisierungs- und Enttraditionalisierungsprozesse problematisch. Familien sind heute größeren Stabilitätsrisiken ausgesetzt, aber große Teile der kindlichen Sozialisation und Erziehung finden nach wie vor in der Herkunftsfamilie oder einer anderen Art von Familie statt.[27] Das heißt, die Familie begleitet das Aufwachsen der Heranwachsenden in der Regel kontinuierlich, in manchen Fällen auch in wechselnder Konstellation von Erwachsenen. Die Familie unterstützt die Kinder sowohl durch das soziale Netz, in das sie sie einbindet, als auch durch gezielte (pädagogische) Impulse und Maßnahmen bei der Stärkung ihrer Selbstständigkeit, ihrer sozialen Kompetenzen und verschiedener anderer Kompetenzen. In vielen (modernen) Familien (leider nicht in allen) werden Kinder von Anfang als Akteure und Mitgestalter ihres Wissens und ihrer Persönlichkeit anerkannt, was den Erkenntnissen und Forderungen der neueren Kindheitsforschung entspricht. Erziehung heißt demnach nicht, die Kinder – womöglich gegen ihren Willen – in eine bestimmte Richtung zu ziehen, Erziehung bedeutet vielmehr, dass eine Verständigung mit den Kindern stattfindet. Es geht um einen gemeinsamen Prozess der Konstruktion von Sinn- und Sachzusammenhängen. Medienerziehung und Medienbildung sind als integrative Bestandteile einer so gefassten Familienerziehung zu denken und zu verwirklichen.

Bezogen auf das Handy kommt der Familie zunächst die Aufgabe zu, den Einstieg in die Handykommunikation zu begleiten, denn das erste Handy erhalten die Kinder in der Regel von ihren Eltern. Wenn Kinder den Wunsch nach einem eigenen Handy äußern, so bietet das einen Anlass zu einer ersten Verständigung über das Medium, seine Funktionen, die Kosten usw., aber auch über die persönliche Bedeutung, die es hat. Es können mögliche Nutzungsregeln besprochen werden, und es kann auch bereits über mögliche Risiken gesprochen werden. Sobald das Handy da ist, bietet sich die Gelegenheit, dessen Funktionen und Möglichkeiten gemeinsam mit den Kindern zu erkunden, einschließlich der kreativ-gestalterischen Optionen (Foto, Video, Personalisierung usw.). Gerade am Anfang besteht bei den Kindern oft ein großes Interesse, alle Möglichkeiten des neuen Handys kennenzulernen, auszuprobieren und auch vorzuführen, das unterstützt werden sollte und zugleich die Chance bietet, selbst einen besseren Einblick in die Technik zu erhalten und auch einen Eindruck zu bekommen, wie das Kind mit dem Handy umgeht.

Das Handy wird relativ schnell zu einem Alltagsgegenstand, der ganz selbstverständlich und zunehmend routiniert benutzt wird. Es kann aber vorkommen, dass es in einem der genannten Bereiche zu Problemen kommt. Für den pädagogisch-erzieherischen Umgang damit gibt es keine Patentrezepte, vielmehr muss immer der Einzelfall betrachtet und eine dem Fall und der Person angemessene Form der Reaktion gefunden werden. Bezogen auf den Problembereich Content gehört zur Einzelfallbetrachtung unter anderem die Auseinandersetzung mit der Frage, welche Bedeutung z.B. das Anschauen oder Weitergeben gewalthaltiger oder sexueller Inhalte für den Heranwachsenden haben könnte? Aus der Jugendforschung wissen wir beispielsweise, dass das Anschauen von Horrorvideos so etwas wie eine Mutprobe sein oder auch die Gruppenbildung durch gemeinsame Erlebnisse unterstützen oder die Entwicklung von Expertise (z.B. für die Special Effects) haben kann. Wenn Heranwachsende sich mit nicht altersgemäßen Inhalten beschäftigen, kann das auch ein Gesprächsanlass für sonst eher tabuisierte Themen wie Tod, Sexualität usw. sein. Wo die Grenze dessen sind, was Eltern und Erwachsene tolerieren können, lässt sich ebenso wenig allgemein beantworten, wie die Frage danach, in welcher Weise sie den Kindern und Jugendlichen Grenzen setzen und wie sie solchen Grenzen Geltung verschaffen.

Der Problembereich Contact ist in verschiedener Hinsicht sensibel, denn grundsätzlich haben auch Kinder und Jugendliche das Recht, eigene soziale Kontakte aufzubauen und zu pflegen, aber durch Leichtsinn können hier auch Kontakte zu Personen entstehen, die ihnen schaden können. Zum sozialen Lernen gehört, dass Heranwachsende einschätzen lernen, wem sie vertrauen können und wem nicht. Sie müssen wissen, dass fremde Erwachsene ggf. andere Interessen haben können, als sie vorgeben zu haben. Das sind bekannte Aufgaben der (Familien-)Erziehung, die sich durch die neuen Medien zwar nicht grundlegend verändert, es aber erforderlich macht, die Aufmerksamkeit hinsichtlich möglicher Kontaktformen zu erweitern. Wichtig ist vor allem, dass ein Bewusstsein für die Risiken besteht und damit verbunden auch die Notwendigkeit erkannt wird, sich entsprechend umsichtig zu verhalten. Dazu gehört auch, sich mit allen relevanten Einstellungen für den Datenschutz und den Schutz der Privatsphäre der mobilen Geräte zu befassen und diese Einstellungen anzupassen.

Den Problembereich Commerce bzw. Kosten scheinen die meisten Familien recht gut im Griff zu haben (siehe Abschnitt 3.3), aber mit der Verbreitung der Smartphones und des mobilen Internets entstehen hier neue Risiken, die sich nur durch eine genaue Prüfung der Tarife (speziell der Internettarife) minimieren lassen.[28] Auch bei den Gerätekosten lohnt es sich, genauer hinzuschauen und z.B. nachzurechnen, was ein neues Handy wirklich kostet, wenn man es z.B. im Rahmen eines Vertrages mit einer Laufzeit von 24 Monaten kauft. In den App Stores gilt es, sowohl die möglichen Kosten als auch die bei der Installation einzuräumenden Zugriffsrechte (z.B. auf Kontaktdaten) zu prüfen und nicht unbedacht zu bestätigen. Dem Thema Kosten sollte also bereits bei der Anschaffung eines Handys und der Auswahl des Tarifes genügend Aufmerksamkeit geschenkt werden. Wichtig ist es, eine möglichst gute Passung zwischen der Nutzungsweise des Handys und dem Tarif zu finden. Eine hohe Handyrechnung kann ein Indiz dafür sein, dass auf der einen (Tarif) oder anderen (Nutzungsweise) Seite nachgebessert werden sollte. Da die Heranwachsenden an den Handykosten im Regelfall beteiligt werden (siehe MPFS 2011), kann ein gemeinsames Interesse von Kindern/Jugendlichen und Erwachsenen unterstellt werden, die Risiken gering zu halten. Entsprechend offen, sachlich und transparent kann über dieses Thema auch diskutiert werden.

Ähnlich wie beim Problembereich Contact kommt es zur Verringerung der Risiken im Bereich Privacy darauf an, ein Risikobewusstsein zu vermitteln, das sich auf der einen Seite in einem möglichst umsichtigen Verhalten niederschlägt (Zurückhaltung bei der Weitergabe oder Veröffentlichung privater Daten oder Informationen) und auf der anderen Seite in der Bereitschaft, sich (vor allem bei internetfähigen Handys) der ggf. lästig erscheinenden Pflicht anzunehmen, die Einstellungen für den Datenschutz und den Schutz der Privatsphäre zu prüfen und so anzupassen, dass man möglichst sicher im Mobilfunknetz und Internet unterwegs ist. Allerdings ist in diesem Bereich das Problem- bzw. Risikobewusstsein bislang nicht sehr ausgeprägt. Viele Heranwachsende neigen dazu, diese Dimension auszublenden und sich auf die vielen neuen Möglichkeiten der Kommunikation, der Unterhaltung (Stichwort Apps) und des mobilen Internetzugangs zu konzentrieren. Umso mehr sind die Eltern gefordert, sich mit diesen Fragen auseinanderzusetzen, so dass sie als kompetente Gesprächspartner und Ratgeber von den Kindern und Jugendlichen auch akzeptiert und ernst genommen werden. Aber die Erwachsenen können natürlich auch den Umstand nutzen, dass die jüngere Generation sich die neuen Technologien schneller aneignet, und sich von ihr in die Geheimnisse von App-Stores, Privatsphäreeinstellungen oder RSS-Feeds einweihen lassen – und dabei gleichzeitig erfahren, wie ausgeprägt z.B. das Risikobewusstsein in den genannten Bereichen ist.

Entsprechend den Grundgedanken der handlungsorientierten Medienpädagogik[29], die ihre Arbeit und Aufgabe nicht auf Aufklärung und kognitive Belehrung über Risiken und Gefahren des Mediengebrauchs reduziert, sollte auch überlegt werden, mit den Kindern kleine „Projektaufgaben“ zu entwickeln, in denen sie die kreativen Möglichkeiten des Handys erproben und kennen lernen können. Zu denken ist hier beispielsweise an:

  • Fotoprojekte: von der Erstellung eines digitalen Fotoalbums bis hin zur Verbindung von Handyfotos mit den Koordinaten des Aufnahmeortes (sog. Geotagging) und der Integration dieser Fotos in entsprechende Karten im Internet
  • Drehen eigener Handyclips
  • Elektronische Schnitzeljagd mit GPS-Handys

Eltern sollten sich angeregt und aufgefordert fühlen, (mit den Kindern) eigene Ideen zu entwickeln und zu erproben, die Lern-, Erfahrungs- und Reflexionsanlässe bieten. Die technischen Hürden sind inzwischen relativ niedrig, denn wenn ein aktueller Computer mit Internetanschluss vorhanden sind, dann findet man im Netz vielfältige kostenlose Softwaretools, die z.B. bei der Bearbeitung digitaler Fotos, bei der Gestaltung von Fotostorys oder bei der Nachbearbeitung von Audio- oder Filmdateien verwendet werden können. Ebenso findet man (beispielsweise auf der Videoplattform Youtube) im Prinzip für jedes dieser Programme ein Videotutorial und auch Erfahrungsberichte und Kommentare von Nutzern, die ihr Wissen mit der Internetöffentlichkeit teilen.

Literatur

  • Beck, Ulrich, Risikogesellschaft, Frankfurt a.M., 1986.
  • Döring, Nicola, „Handy-Kids: Wozu brauchen sie das Mobiltelefon?“, in: Machen Computer Kinder dumm?, hrsg. v. Ullrich Dittler / Michael Hoyer, München, 2006, S. 45-66.
  • Fromme, Johannes / Meder, Norbert, „Computerspielkulturen und Pädagogik – einige Folgerungen“, in: Computerspiele in der Kinderkultur., v. Johannes Fromme / Norbert Meder / Nikolaus Vollmer, Opladen, 2000, S. 228-240.
  • Initiative „Keine Bildung ohne Medien“, KBoM – kleine Zwischenbilanz. Verfügbar unter: http://www.keine-bildung-ohne-medien.de/ [Stand: 22.05.2012].
  • Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen (LfM), Mobil ins Netz, Düsseldorf, 2011. Verfügbar unter: http://lfmpublikationen.lfm-nrw.de/catalog/product_info.php?products_id=259 [Stand 30.4.2012].
  • Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest (MPFS) (Hrsg.): JIM-Studie 2011. Jugend, Information, Multimedia. Basisuntersuchung zum Medienumgang 12- bis 19-Jähriger, Baden-Baden, 2011.
  • Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest (MPFS) (Hrsg.): KIM-Studie 2010. Kinder + Medien, Computer + Internet. Basisuntersuchung zum Medienumgang 6- bis 13-Jähriger, Baden-Baden, 2010.
  • Schorb, Bernd, „Handlungsorientierte Medienpädagogik“, in: Handbuch Medienpädagogik, hrsg. v. Uwe Sander / Friederike von Groß / Kai-Uwe Hugger, Wiesbaden, 2008, S. 75-86.
  • TrackYourKid. Verfügbar unter: http://www.trackyourkid.de/index.php [Stand: 1.12.2011].
  • Wikipedia (a), Kinderpornografie. Verfügbar unter http://de.wikipedia.org/wiki/Kinderpornografie [Stand: 1.2.2012].
  • Wikipedia (b), Informationelle Selbstbestimmung. Verfügbar unter: http://de.wikipedia.org/wiki/Informationelle_Selbstbestimmung [Stand:1.2.2012].


[1] Positiv kann vermerkt werden, dass die 2009 von führenden Organisationen der Medienpädagogik ins Leben gerufene Initiative „Keine Bildung ohne Medien“ eine breite Resonanz erfahren hat (vgl. Initiative „Keine Bildung ohne Medien“, 2012).
[2] vgl. Fromme / Meder (2000), S. 228ff.
[3] Die Bezeichnung Handy ist übrigens ein Scheinanglizismus. Im englischen Sprachraum heißen die tragbaren Telefone mobiles (bzw. mobile phones) oder cell phones.
[4] Vgl. MPFS 2010, 2011.
[5] Die KIM-Studie wird nicht jährlich durchgeführt. Daher fehlen in der Grafik für einige Jahre die Daten.
[6] vgl. Döring (2006).
[7] vgl. MPFS (2010).
[8] vgl. MPFS (2010), S. 11.
[9] vgl. MPFS (2010), S. 54.
[10] vgl. MPFS (2011), S. 57.
[11] vgl. MPFS (2011), S. 6.
[12] Dieses geflügelte Wort geht zurück auf Heinrich Heines „Deutschland. Ein Wintermärchen“ von 1844.
[13] vgl. hierzu TrackYourKid 2012.
[14] ebd.
[15] Döring (2006), S. 9.
[16] ebd.
[17] Diese Aussage ist so natürlich zu pauschal, im konkreten Fall gilt es je nach Alter und Entwicklungsstand der Heranwachsenden abzuwägen, welche medialen Inhalte noch tolerierbar erscheinen. Zu beachten ist auch, dass sich diese Aussage nicht auf den gesetzlichen Jugendmedienschutz bezieht, sondern auf die pädagogisch-erzieherische Ebene, für die Schutz und Kontrolle eben nicht die leitenden Kategorien darstellen sollten.
[18] vgl. Wikipedia (a).
[19] MPFS (2011), S. 62).
[20] ebd.
[21] vgl. MPFS (2011), S. 57-58.
[22] MPFS (2011), S. 58.
[23] vgl. MPFS (2011), S. 57.
[24] vgl.Wikipedia (b).
[25] Beck (1986).
[26] vgl. Schorb (2008).
[27] Laut Statistischem Bundesamt lebten 2010 immerhin 72% der minderjährigen Kinder mit verheirateten Eltern zusammen, 8,6% in Lebensgemeinschaften und 19,4% bei einem allein erziehenden Elternteil. Dabei ist zu beachten, dass es sich hier um eine Momentaufnahme handelt und es eine starke Tendenz gibt, „unvollständige“ Familien mit einem neuen Partner wieder zu vervollständigen (vgl. Nauck 1993 / Statistisches Bundesamt).
[28] vgl. LfM 2011
[29] Schorb (2008).

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Prof. Dr. Johannes Fromme

Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg
Lehrstuhl für Erziehungswissenschaftliche Medienforschung
Zschokkestr. 32
39104 Magdeburg

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