Genetische Untersuchungen zur Abstammungsklärung – Das neue Gendiagnostikgesetz

Dr. Angie Schneider
Schneider Angie
 

Nachfolgender Artikel beschäftigt sich mit dem im Jahr 2009
eingeführten Gesetz über genetische Untersuchungen bei Menschen, kurz
Gendiagnostikgesetz (GenDG). Erläutert werden die Inhalte und die
Bedeutung des Gesetzes. Darüber hinaus werden die Möglichkeiten und
Besonderheiten der genetischen Abstammungsuntersuchungen aufgeführt und erklärt.

Inhalt

  1. Gesetzliche Regelung von „Vaterschaftstests“
  2. Allgemeines
  3. Genetische Abstammungsuntersuchungen

1. Gesetzliche Regelung von „Vaterschaftstests“

Am 31. Juli 2009 wurde das so genannte „Gesetz über genetische Untersuchungen bei Menschen (Gendiagnostikgesetz – GenDG)“ verkündet. Das Gesetz selbst trat sodann ab dem 1. Februar 2010 in Kraft. Im Rahmen dieses Gendiagnostikgesetzes hat der Gesetzgeber erstmals konkretere Regelungen zu genetischen Untersuchungen bei Menschen festgehalten, die zwar immer heftig diskutiert, aber bislang noch nie umfassender gesetzlich geregelt wurden.

Von besonderer Bedeutung ist § 17 des Gendiagnostikgesetzes (= § 17 GenDG). In diesem hat der Gesetzgeber die genetischen Untersuchungen zur Klärung der Abstammung geregelt, also solche Untersuchungen, die besser unter dem Namen „Vaterschaftstest“ bekannt sind.

2. Allgemeines

Bevor die hier interessierenden Regelungen zur Abstammungsuntersuchung dargestellt werden, seien vorab einige allgemeine Angaben zum Gendiagnostikgesetz gemacht, die ein besseres Verständnis des Gesetzes und seiner Inhalte bewirken können.

a) Zweck des Gesetzes

Der Zweck des Gendiagnostikgesetzes ist in § 1 GenDG selbst erklärt. Danach möchte der Gesetzgeber

– die Voraussetzungen bestimmen für

  • genetische Untersuchungen,
  • im Rahmen genetischer Untersuchungen durchgeführte genetische Analysen,
  • die Verwendung genetischer Proben und Daten und

– eine Benachteiligung auf Grund genetischer Eigenschaften verhindern, um

  • die staatliche Verpflichtung zur Achtung und zum Schutz der Würde des Menschen und
  • des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung zu wahren.

Hinsichtlich der genetischen Abstammungsuntersuchungen sind von diesen Zwecken zum einen die Festlegung der Voraussetzungen für genetische Untersuchungen, Analysen und die Probenverwendung, zum anderen die Wahrung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung relevant. Letztere führt insbesondere, wie nachfolgend noch zu erklären ist, zu einem Ausschluss so genannter „heimlicher Vaterschaftstests“.

b) Inhalt des Gesetzes

Insgesamt enthält das Gesetz folgende (Themen-)Bereiche:

  • Allgemeine Vorschriften (§§ 1 – 6 GenDG)

Dieser Abschnitt regelt unter anderem den soeben geschilderten Zweck des Gesetzes und ein allgemeines Verbot der Benachteiligung aufgrund genetischer Eigenschaften

  • Genetische Untersuchungen zu medizinischen Zwecken (§§ 7 – 16 GenDG)

Die innerhalb dieses Bereichs festgehaltenen Bestimmungen z.B. zur Einwilligung in genetische Untersuchungen, zur Aufklärung und Beratung betreffend die Untersuchungen oder zur Verwendung und Vernichtung entnommener Proben sind allgemeiner Natur. Sie sind daher weitgehend auch bei genetischen Abstammungsuntersuchungen von Bedeutung und werden sogleich näher beschrieben.

  • Genetische Untersuchungen zur Klärung der Abstammung (§ 17 GenDG)

Diese werden anschließend umfassend behandelt.

  • Genetische Untersuchungen im Versicherungsbereich (§ 18 GenDG)

Die Vornahme genetischer Untersuchungen und Analysen wird grundsätzlich im Zusammenhang mit dem Abschluss eines Versicherungsvertrags untersagt.

  • Genetische Untersuchungen im Arbeitsleben (§§ 19 – 22 GenDG)

Auch im Arbeitsrecht ist es dem Arbeitgeber überwiegend verwehrt, genetische Untersuchungen und Analysen vor und nach Begründung des Beschäftigungsverhältnisses durchzuführen oder zu verlangen.

  • Allgemein anerkannter Stand der Wissenschaft und Technik (§§ 23, 24 GenDG)

Eine interdisziplinär zusammengesetzte, unabhängige Gendiagnostik-Kommission wird vor allem mit der Erstellung von Richtlinien nach dem allgemein anerkannten Stand der Wissenschaft und Technik für verschiedene Gebiete des Gendiagnostikgesetzes betraut.

  • Straf- und Bußgeldvorschriften (§§ 25, 26 GenDG)

Diese sollen die Einhaltung der Vorgaben des Gesetzes bewirken und Verstöße gegen das Gesetz ahnden.

3. Genetische Abstammungsuntersuchungen

a) Vaterschaftstests

Genetische Abstammungsuntersuchungen haben die Klärung der Abstammung eines Kindes zum Gegenstand. Weil generell feststeht, wer Mutter eines Kindes ist, konzentrieren sich die Abstammungsuntersuchungen darauf, ein Kind seinem leiblichen, also genetischen Vater zuzuordnen. Und meistens sind die Auftraggeber solcher Untersuchungen auch Väter, die sich Klarheit darüber verschaffen wollen, ob ein Kind von ihnen abstammt oder nicht. Nicht umsonst sind die genetischen Untersuchungen daher unter dem Namen „Vaterschaftstests“ bekannt.

b) Bisherige „Rechtslage“ und Probleme

In der heutigen Zeit genügen schon kleine Mengen DNA-haltiger Körpersubstanz zur Durchführung einer genetischen Abstammungsuntersuchung. Die Entnahme einer Blutprobe ist nicht mehr zwingend erforderlich, die DNA-haltige Körpersubstanz kann etwa einer Speichel- oder Haarprobe entstammen. Genau hier bestand jedoch das Problem: Nicht nur kann eine Speichel- oder Haarprobe zur Bestimmung der genetischen Abstammung ausreichen, diese Proben lassen sich überdies sehr einfach beschaffen und zwar auch ohne Wissen der betroffenen Personen. Nicht von ungefähr berichten die Medien häufig über „heimliche Vaterschaftstests“, bei denen sich der an seiner Vaterschaft zweifelnde Mann die zur Abstammungsklärung erforderliche Probe heimlich beschaffte, indem er einen Schnuller, eine Zahnbürste oder Haare aus der Haarbürste des Kindes ohne dessen Wissen vorlegte. Da es in vielen Fällen neben der väterlichen und kindlichen genetischen Probe nicht zusätzlich derjenigen der Kindesmutter bedarf, waren den heimlichen Vaterschaftstests Tür und Tor geöffnet. Denn verbindliche gesetzliche Regelungen, nach denen sich eine genetische Abstammungsuntersuchung zu richten hatte, existierten nicht.

c) Was soll sich durch das Gendiagnostikgesetz ändern?

Das Gendiagnostikgesetz bezweckt hinsichtlich der genetischen Abstammungsuntersuchungen vor allem zweierlei:

  • Die Festlegung eines klaren Untersuchungsverlaufs von der Aufklärung über die genetische Abstammungsuntersuchung bis hin zur Vernichtung der erlangten Untersuchungsergebnisse und
  • den Schutz des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung, womit genetische Abstammungsuntersuchungen ohne Wissen der betroffenen Personen, also heimliche Vaterschaftstests verhindert werden sollen.

d) Wie verläuft eine genetische Abstammungsuntersuchung nach dem Gendiagnostikgesetz?

Der Gesetzgeber hat folgende Stationen der genetischen Abstammungsuntersuchung vorgesehen:

  • Die Personen, deren genetische Probe untersucht werden soll, müssen über die Untersuchung aufgeklärt werden (aa)
  • Nach der Aufklärung über die Untersuchung erfolgt abhängig von dem Willen der betreffenden Personen die Einwilligung in die genetische Untersuchung und Gewinnung der dafür erforderlichen Proben (bb)
  • Die genetischen Proben werden entnommen und entweder für die Untersuchung verwendet oder vernichtet (cc)
  • Die Ergebnisse einer vorgenommenen Untersuchung werden der betreffenden Person mitgeteilt oder vernichtet (dd)
  • Die Untersuchungsergebnisse werden für eine bestimmte Zeit aufbewahrt und anschließend vernichtet (ee)

Alle Bereiche der Abstammungsuntersuchung (mit Ausnahme der Entnahme der genetischen Probe) unterliegen dabei einem so genannten Arztvorbehalt (§ 7 GenDG). Dies bedeutet, dass sie nur durch Ärzte oder Ärztinnen vorgenommen werden dürfen. Im Bereich der genetischen Abstammungsuntersuchungen kommt diese Kompetenz über die Ärzte hinaus auch nichtärztlichen Sachverständigen zu, wenn diese auf dem Gebiet der Abstammungsuntersuchung erfahren sind und eine abgeschlossene naturwissenschaftliche Hochschulausbildung vorweisen können (§ 17 Absatz 4 GenDG).

aa) Aufklärung

Eine genetische Untersuchung darf nur vorgenommen werden, wenn die Person, deren genetische Probe untersucht werden soll (im Regelfall Vater, Mutter und Kind), zuvor über die Untersuchung aufgeklärt worden ist (§ 17 Absatz 1, § 9 GenDG). Die Aufklärung hat sich auf Wesen, Bedeutung und Tragweite der Abstammungsuntersuchung zu beziehen. Dies verlangt insbesondere eine Aufklärung über

  • Zweck, Art, Umfang und Aussagekraft der genetischen Untersuchung,
  • die vorgesehene Verwendung der genetischen Probe wie des Untersuchungsergebnisses,
  • das Recht, die Einwilligung jederzeit widerrufen zu können und
  • das Recht, das Untersuchungsergebnis nicht zur Kenntnis zu nehmen, sondern vernichten zu lassen (sog. Recht auf Nichtwissen).

bb) Einwilligung

Nach der Aufklärung erhalten die betroffenen Personen zunächst eine angemessene Bedenkzeit, innerhalb derer sie sich für oder gegen die Einwilligung bzw. den genauen Umfang der Einwilligung entscheiden können. Die Einwilligung soll verhindern, dass genetische Abstammungsuntersuchungen ohne Wissen der betroffenen Person durchgeführt werden. Dem jeweils Betroffenen bieten sich folgende Möglichkeiten (§ 17 Absatz 1, § 8 GenDG):

– Sie erteilt ihre Einwilligung nicht.

In diesem Fall darf bereits die für die genetische Untersuchung erforderliche genetische Probe nicht entnommen werden.

– Sie erteilt ihre Einwilligung in die Untersuchung und Gewinnung der dafür erforderlichen genetischen Probe. Die Einwilligung umfasst dabei die Entscheidung über den Umfang der genetischen Untersuchung als auch die Entscheidung über die Kenntnisnahme des Untersuchungsergebnisses.

Nun steht der Abstammungsuntersuchung grundsätzlich nichts mehr im Weg.

– Sie erteilt ihre Einwilligung in die Untersuchung und Gewinnung der dafür erforderlichen genetischen Probe. Die Einwilligung umfasst dabei die Entscheidung über den Umfang der genetischen Untersuchung, doch entscheidet sich die betroffene Person gegen die Kenntnisnahme des Untersuchungsergebnisses und damit für dessen Vernichtung.

Auch hier kann die Untersuchung durchgeführt und ihr Ergebnis den anderen betroffenen Personen mitgeteilt werden. Hinsichtlich derjenigen betroffenen Person, die keine Kenntnisnahme der Ergebnisse wünscht, muss aber die Mitteilung des Ergebnisses unterbleiben und dieses in ihren jeweiligen Untersuchungsunterlagen vernichtet werden.

Zu beachten ist dabei:

  • Die Einwilligung muss ausdrücklich und schriftlich erfolgen, sonst ist sie unwirksam mit der Folge, dass schon keine genetische Probe entnommen werden darf.
  • Die Einwilligung kann schriftlich widerrufen werden. In diesem Fall hat eine noch nicht begonnene Untersuchung zu unterbleiben und eine bereits begonnene ist unverzüglich abzubrechen.
  • Eine Einwilligung in die Kenntnisnahme der Untersuchungsergebnisse kann nach erfolgter Kenntnisnahme nicht mehr widerrufen werden.

cc) Verwendung oder Vernichtung der genetischen Proben

Liegt eine Einwilligung der betroffenen Person zur Probenentnahme vor, dürfen die Proben nur entsprechend der Einwilligung verwendet werden (§ 17 Absatz 5, § 13 GenDG). Hat der Betroffene nur in die Probenentnahme zum Zwecke einer genetischen Abstammungsuntersuchung eingewilligt, so muss sich die Verwendung der Probe auf diesen Bereich beschränken.

Es ist möglich, die genetische Probe darüber hinaus auch für andere, z.B. Forschungszwecke zu verwenden. Eine solche Verwendung setzt allerdings voraus, dass der Betroffene sowohl über die weitergehenden Zwecke unterrichtet wurde als auch seine Einwilligung ausdrücklich und schriftlich auf die Zwecke erweitert hat.

Die Vernichtung der genetischen Probe hat unverzüglich nach der Entnahme zu erfolgen, wenn

  • die Probe für die Untersuchungszwecke, für die sie entnommen wurde, nicht mehr benötigt wird oder
  • die betroffene Person ihre Einwilligung in die Untersuchung widerruft.

dd) Mitteilung oder Vernichtung der Untersuchungsergebnisse

Nach dem oben Gesagten muss der Betroffene bereits bei der Einwilligung in die genetische Untersuchung ebenfalls eine Entscheidung darüber treffen, ob er das Untersuchungsergebnis mitgeteilt bekommen möchte oder ob es vernichtet werden soll (§ 17 Absatz 1 und 5, § 11 Absatz 2 – 4, § 8 GenDG). Und nur diese beiden Optionen stehen ihm wahlweise zur Verfügung. Dies bedeutet zum einen, dass er das Untersuchungsergebnis nicht zuerst zur Kenntnis nehmen und danach dessen Vernichtung verlangen kann. Zum anderen kann er seine Einwilligung in die Mitteilung und Kenntnisnahme des Untersuchungsergebnisses nur so lange widerrufen, wie er das Untersuchungsergebnis noch nicht mitgeteilt bekommen hat.

Problematisch könnte hierbei sein, dass von der genetischen Abstammungsuntersuchung grundsätzlich drei Personen betroffen sind, nämlich der Vater, die Mutter und das Kind. Problematisch insoweit, als ja die Entscheidung einer der Personen für die Vernichtung der Ergebnisse auch die anderen Personen betreffen könnte. Tatsächlich bleibt die Entscheidung jeder Person für oder gegen die Mitteilung und damit gegen oder für die Vernichtung der Ergebnisse nur auf diese Person beschränkt. Erteilt die Kindesmutter ihre Einwilligung beispielsweise nur hinsichtlich der Durchführung der Untersuchung und möchte sie die Ergebnisse nicht mitgeteilt haben, so hindert dies nicht die Mitteilung des Untersuchungsergebnisses an den Vater und an das Kind. Auch die Vernichtung des Untersuchungsergebnisses beschränkt sich auf die eigenen Untersuchungsunterlagen der Mutter und greift nicht auf diejenigen des Vaters und des Kindes über.

Bezieht sich die Einwilligung auf die Mitteilung der Untersuchungsergebnisse, so dürfen diese nur der jeweils einwilligenden Person, nicht aber ohne deren schriftliche Einwilligung Dritten mitgeteilt werden. Dies ist wieder eine Ausprägung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung.

ee) Aufbewahrung und Vernichtung der Untersuchungsergebnisse

Die Ergebnisse der genetischen Abstammungsuntersuchung sind in den Untersuchungsunterlagen der jeweils betroffenen Person aufzubewahren (§ 17 Absatz 5, § 12 GenDG).

Eine Vernichtung der Untersuchungsergebnisse hat unverzüglich zu erfolgen, wenn

  • sich der jeweils Betroffene für die Vernichtung der Ergebnisse entschieden hat oder
  • die Aufbewahrungsfrist abgelaufen ist. Die Aufbewahrungsfrist beträgt bei Abstammungsuntersuchungen 30 Jahre (bei anderen genetischen Untersuchungen demgegenüber zehn Jahre).

e) Besonderheiten bei genetischen Abstammungsuntersuchungen

Die bislang geschilderten Vorgaben bezogen sich auf den „Normalfall“ der genetischen Abstammungsuntersuchung. Folgende Besonderheiten sollen noch erwähnt werden.

aa) Nicht einwilligungsfähige Personen

Besonderheiten sind zu beachten, wenn eine nicht einwilligungsfähige Person in die Entnahme einer genetischen Probe „einwilligen“ soll (§ 17 Absatz 3 GenDG). Die mangelnde Einwilligungsfähigkeit ist typischerweise gegeben, wenn das von der Abstammungsuntersuchung betroffene Kind noch minderjährig ist. In diesem Fall ist zu berücksichtigen:

  • Der nicht einwilligungsfähigen Person muss die genetische Untersuchung soweit wie möglich verständlich gemacht worden sein,
  • sie darf die Abstammungsuntersuchung und die dafür erforderliche Gewinnung der genetischen Probe nicht ablehnen,
  • der Vertreter (bei Minderjährigen generell die Eltern im Falle eines gemeinsamen Sorgerechts) der nicht einwilligungsfähigen Person muss über die Abstammungsuntersuchung aufgeklärt worden sein und in diese sowie in die Gewinnung der dafür notwendigen genetischen Probe einwilligen und
  • die nicht einwilligungsfähige Person soll über das für Probenentnahme und Untersuchung erforderliche Maß hinausgehend nicht gesundheitlich beeinträchtigt werden.

bb) Pränatale genetische Abstammungsuntersuchung

Pränatale, also vorgeburtliche genetische Abstammungsuntersuchungen sind grundsätzlich unzulässig. Eine Ausnahme besteht (§ 17 Absatz 6 GenDG), wenn nach ärztlicher Erkenntnis an der Schwangeren eine Straftat nach den §§ 176 – 179 Strafgesetzbuch, also z.B. eine Vergewaltigung begangen wurde und dringende Gründe dafür sprechen, dass die Schwangerschaft auf diese Tat zurückzuführen ist. Die mit der Straftat verbundenen psychischen Belastungen der Schwangeren sollen in diesen Ausnahmefällen zum einen die schon vorgeburtliche Abstammungsuntersuchung rechtfertigen. Zum anderen haben sie zur Folge, dass hier ein reiner Arztvorbehalt besteht, die vorgeburtliche genetische Abstammungsuntersuchung mithin nicht von qualifizierten nichtärztlichen Sachverständigen durchgeführt werden darf.

cc) Gerichtliche Ersetzung der Einwilligung in Abstammungsuntersuchung

Nach § 1598a Bürgerliches Gesetzbuch besteht seit einiger Zeit die Möglichkeit des Vaters, der Kindesmutter und des Kindes, gegenseitig voneinander die Einwilligung in eine Abstammungsuntersuchung zu verlangen. Wird diese Einwilligung verweigert, so kann sie gerichtlich ersetzt werden. Liegt eine solche rechtskräftige gerichtliche Ersetzung der Einwilligung vor, so soll diese der nach dem Gendiagnostikgesetz notwendigen Einwilligung gleichstehen (§ 17 Absatz 7 GenDG). Insoweit bedarf es daher nicht mehr einer Einwilligung in die Untersuchung, wohl aber einer Aufklärung über dieselbe.

dd) Genetische Abstammungsuntersuchungen mit ausländerrechtlichem Bezug

Die genetische Abstammungsuntersuchung kann einen Bezug zu ausländer- und aufenthaltsrechtlichen Fragestellungen haben. So muss z.B. in einem Passverfahren der Passbewerber die zur Feststellung seiner Person und seiner Eigenschaft als Deutscher erforderlichen Nachweise erbringen – dies kann er mit einer entsprechenden genetischen Abstammungsuntersuchung. Sofern ein solcher oder ähnlicher Auslandsbezug gegeben ist, gelten vor allem folgende Modifikationen des „üblichen“ Verfahrens zur Abstammungsuntersuchung (§ 17 Absatz 8 GenDG):

  • Probenentnahme und Aufklärung können in Pass- und Visumverfahren durch die Auslandsvertretung erfolgen. Hier gilt also nicht der Arztvorbehalt.
  • Der Betroffene hat nicht das Recht, die Kenntnis des Untersuchungsergebnisses abzulehnen und dessen Vernichtung zu verlangen.
  • Es bedarf keiner Aufklärung über mögliche gesundheitliche Risiken. Hintergrund soll sein, dass die genetische Untersuchung mittels Mundschleimhautabstriches erfolgt.
  • Die Untersuchungsergebnisse sind nicht aufzubewahren, sondern unverzüglich zu vernichten, wenn sie nicht mehr gebraucht werden.
  • Ergibt sich der Verdacht einer Straftat, so können das Ergebnis der genetischen Untersuchung und die genetische Probe zum Zwecke der Strafverfolgung übermittelt werden, und zwar auch dann, wenn der Betroffene seine Einwilligung widerrufen hat.

f) Straf- und Bußgeldvorschriften

Um die Einhaltung der Vorschriften des Gendiagnostikgesetzes zu gewährleisten und Verstöße gegen dieselben, insbesondere Verstöße gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung zu verhindern, hat der Gesetzgeber bestimmte Verstöße unter Strafe gestellt (§ 25 GenDG) bzw. mit einem Bußgeld (§ 26 GenDG) belegt. Hierzu gehören im Bereich der genetischen Abstammungsuntersuchung u.a.:

  • die Vornahme solcher genetischer Untersuchungen, auf die sich die Einwilligung der betroffenen Person nicht bezieht (Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe, § 25 Absatz 1 Nr. 3 GenDG),
  • die Vornahme genetischer Abstammungsuntersuchungen ohne die erforderliche Qualifikation (Ordnungswidrigkeit, § 26 Absatz 1 Nr. 1 GenDG),
  • fehlende oder nicht rechtzeitige Vernichtung einer genetischen Probe oder des Untersuchungsergebnisses (Ordnungswidrigkeit, § 26 Absatz 1 Nr. 2 und 4 GenDG) oder
  • die Vornahme einer genetischen Abstammungsuntersuchung ohne die erforderliche Einwilligung (§ 26 Absatz 1 Nr. 6 GenDG).

Zu beachten ist, dass die als Straftaten eingestuften Verstöße gegen das Gendiagnostikgesetz nur auf Antrag verfolgt werden (§ 25 Absatz 3 GenDG).

Autorin

Akademische Rätin Dr. Angie Schneider

  • Studium der Rechtswissenschaften von 1999 bis 2004 an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf
  • 2004 bis 2005 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Forschungsinstitut für Deutsches und Europäisches Sozialrecht der Universität Köln
  • 2005 bis 2007 Rechtsreferendariat im Bezirk des OLG Düsseldorf (LG Düsseldorf)
  • 2006 Promotion; Dissertation zum Thema: “Vom Erzeuger zum Vater?- Zur rechtlichen Stellung des biologischen Vaters unter besonderer Berücksichtigung des Rechts zur Anfechtung der Vaterschaft”
  • Seit 2008 Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Institut für Arbeits- und Sozialrecht

Kontakt

Universität zu Köln
Institut für deutsches und europäisches Arbeits- und Sozialrecht
Albertus-Magnus-Platz
50923 Köln

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Erstellt am 28. März 2011, zuletzt geändert am 30. September 2013

 

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