Mit dreien ist man kinderreich… – Der Übergang zur Dreikind-Familie

Dr. Christiane Rille-Pfeiffer
Rille-pfeiffer Christiane

Ob und wie viele Kinder man haben möchte, stellt eine sehr individuelle Entscheidung dar. Dabei bedeutet zunächst der Schritt vom kinderlosen Dasein zur Erstelternschaft sicherlich die größte Herausforderung. Das zweite Kind folgt bei vielen Menschen fast zwangsläufig, da es zu ihrem Idealbild von Familie gehört. Dies hängt u.a. auch damit zusammen, dass die meisten Eltern ihrem Kind eine Geschwisterbeziehung wünschen. Die Entscheidung für ein drittes Kind markiert wiederum einen gewissen Sprung. Was mit zwei Kindern möglich ist, erscheint mit Dreien schon schwierig. Warum wagen manche Paare dennoch den Schritt zu einem dritten Kind?

Ein vom ÖIF im Auftrag des BMWFJ durchgeführtes Forschungsprojekt mit dem Titel „Der Übergang zur Dreikind-Familie“ machte sich zur Aufgabe, den Entscheidungsprozess für oder gegen ein drittes Kind nachzuzeichnen und diesbezüglich Erklärungsansätze zu liefern. Dazu wurden Paare mit zwei und drei Kindern zu ihren Motiven sowie anderen möglichen Einflussfaktoren, aber auch zu den Auswirkungen ihrer Entscheidung für oder gegen ein drittes Kind befragt. Die Interviews wurden in teilstandardisierter biographischer Form durchgeführt, um einen Einblick in die Lebensgeschichte der Paare zu bekommen.

Die Forschungsergebnisse zeigen, dass zunächst die in der Kindheit und Jugend entstehenden frühen Vorstellungen über den eigenen Lebensentwurf bei der Entscheidung für Kinder von Bedeutung sind. Jene Personen, die von konkreten Fantasien oder klaren Wünschen aus ihrer Kindheit berichteten, sind auch innerhalb der Paarbeziehung aktiver im Vorantreiben der Realisierung des Kinderwunsches als ihre PartnerInnen. Ausgeprägte kindliche Wunschfantasien, später Kinder zu haben, scheinen also zu einer Realisierung des Kinderwunsches zu drängen oder werden zumindest in Form einer grundsätzlichen Bereitschaft für Kinder im Lebensplan verinnerlicht.

Aber auch die Geschwisterbeziehungen und die Geschwisteranzahl in der Herkunftsfamilie nehmen starken Einfluss auf die Gestaltung der eigenen Familie. Es wird die Vorstellung geprägt, welche Familiengröße für einen selbst ideal oder zumindest denkbar wäre. Eine positiv erlebte Geschwisterkonstellation wird überdies als sehr nachahmenswert empfunden und soll daher den Kindern in gleicher Weise geboten werden. Negativ besetzte Erfahrungen (viel Streit oder fehlender Kontakt) mit den Geschwistern werden für korrigierbar gehalten und überwiegend an einem zu großen Altersabstand festgemacht. Im Versuch, den Kindern positive Geschwistererfahrungen zu ermöglichen, wird in diesem Fall ein eher kurzer Altersabstand zwischen den Kindern gewählt.

Die Realisierung des Kinderwunsches hängt des Weiteren von der Stabilität der Partnerschaft ab. Die befragten Paare leben alle in einer langjährigen Partnerschaft und scheinen bis dato Wege gefunden zu haben, mit Konflikten und Problemen in der Paarbeziehung umzugehen. Auch fällt auf, dass der Gedanke an eine Familie mit dem/der jeweiligen Partner/Partnerin von Anbeginn vorhanden war.

Der Entscheidungsprozess für das erste, zweite oder dritte Kind verläuft generell unterschiedlich. Zunächst geht es um die Entscheidung, ob überhaupt ein Kind bzw. weitere Kinder gewünscht werden. Wenn dies zutrifft, schließt sich die Frage an, welcher Zeitpunkt als geeignet für eine Realisierung erscheint. Die Paarinterviews zeigen, dass die ersten Kinder zwar das Ergebnis einer grundsätzlichen Entscheidung für Kinder in dieser Partnerschaft darstellen, jedoch meist zu einem früheren Zeitpunkt als geplant kommen. Die Entscheidung für ein zweites Kind stellt sich als sehr bewusst und geplant dar – sowohl was die grundsätzliche Absicht als auch den konkreten Zeitpunkt betrifft. Demgegenüber hat es keine aktive gemeinsame Entscheidung für ein drittes Kind bei den befragten Paaren gegeben. Die dritten Kinder in unserer Befragung sind also „passiert“.

Die Frage nach den für die Entscheidung relevanten Motiven ergibt, dass die Gründe für ein drittes Kind meist emotionaler Natur und wenig konkret sind. Gründe gegen ein drittes Kind liegen hingegen überwiegend auf der rationalen Ebene und beziehen sich auf die persönlichen Lebensumstände. Bei den Pro-Argumenten spielen die positiven Seiten der Kinder als einzigartige Persönlichkeiten und das Miterleben des Aufwachsens und der Entwicklung sowie das Gefühl, dass noch ein Platz in der Familie unbesetzt ist, die zentralen Rollen. Die Contra-Argumente umfassen finanzielle Aspekte, einen zu geringen Wohnraum und die als schwierig empfundene Vereinbarkeit von Mutterrolle und Erwerbstätigkeit. Jedoch wird auch die Erwartung miteinbezogen, dass ein drittes Kind zu einer persönlichen und/oder partnerschaftlichen Überforderung führen würde. Dies betrifft vor allem den Anspruch, den Bedürfnissen der Kinder dann nicht mehr gerecht werden zu können. Auch wenn Kinder eine zentrale Rolle im Leben einnehmen, so sind für unsere Befragten auch die Wiedergewinnung eigener Freiräume, die persönliche Entwicklung und ausreichend Zeit für die Paarbeziehung wichtig.

„Aufgeschoben ist auch aufgehoben“: Ursprünglich geplante dritte Kinder werden oft nicht realisiert, wenn die Geburt des zweiten Kindes schon länger zurückliegt. Ist der Wunsch nach einem dritten Kind zwar vorhanden, wird dieser aber aus finanziellen oder anderen rationalen Gründen zu einem früheren Zeitpunkt verworfen, werden später, wenn das Thema drittes Kind bei einem der PartnerInnen wieder aktuell wird, andere Hemmfaktoren wirksam, wie z.B. das eigene Alter und die Befürchtung einer Behinderung des Kindes oder ein zu großer Abstand zwischen den Geschwistern.

Gesellschaftliche und strukturelle Bedingungen spannen den Rahmen, in den ein Leben mit mehreren Kindern eingebettet ist. Wie auch in unseren Interviews zu sehen ist, sind diese Bedingungen zwar nicht unmittelbar ausschlaggebend bei der Entscheidung für oder gegen ein drittes Kind, werden jedoch im Hintergrund mitgedacht. Als von den Paaren unzureichend erlebte Rahmenbedingungen, wie z.B. mangelhafte, infrastrukturelle Bedingungen für Familien mit mehreren Kindern oder schlechte Vereinbarkeitsmöglichkeiten von Familie und Beruf, werden als Hemmfaktoren bezüglich weiterer Kinder thematisiert. Gute strukturelle Rahmenbedingungen sind vor allem für kinderreiche Familien in der Bewältigung ihres Lebensalltags wichtig. Ob sie jedoch die aktive Entscheidung für ein drittes Kind begünstigen, scheint aufgrund unserer Ergebnisse eher fraglich.

Die Studie: Die Studie widmet sich den individuellen Motivlagen, die bei der Entscheidung für oder gegen ein drittes Kind eine Rolle spielen. Im Rahmen der Studie wurden 16 fokussierte Interviews mit Paaren im gebärfähigen Alter (bis 45 Jahre) mit 2 bzw. 3 Kindern durchgeführt.
 

Quelle

Dieser Artikel erschien in “beziehungsweise” , dem Informationsdienst des Österreichischen Instituts für Familienforschung (ÖIF) an der Universität Wien Ausgabe Juni 2009, Seite 1 – 3.

Abdruck mit freundlicher Genehmigung durch:

Österreichisches Institut für Familienforschung
Grillparzerstr. 7/9
A – 1010 Wien

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Autorin

Dr. Christiane Rille-Pfeiffer studierte Soziologie und Geschichte an der Universität Wien mit dem Schwerpunkt Familiensoziologie. Arbeitsschwerpunkte: Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Familienpolitik in Österreich, Projektevaluationen.

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Erstellt am 7. August 2009, zuletzt geändert am 7. August 2009

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