Alleinerziehende zwischen Beruf, Haushalt und Familie

Anna Hausherr und Christiane Faschon

Alleinerziehende Mütter oder Väter kämpfen an vielen Fronten für ihre Rechte. Zudem reiben sie sich im Alltag oft zwischen der Kindererziehung und dem Beruf auf. Die Autorinnen zeigen Bedürfnisse und Probleme von alleinerziehenden Elternteilen in der Schweiz auf und beschreiben Unterstützungsmöglichkeiten.

Einelternfamilien: Wie viel Berufstätigkeit darf es sein?

Die Mütter schulpflichtiger Kinder sind heute in der Schweiz zu 75 Prozent berufstätig – und dies bei einem mangelhaften außerfamiliären Kinderbetreuungsangebot und einem Schulsystem, das die Berufstätigkeit der Mütter behindert. Nicht kostenpflichtige Tagesschulen sowie Blockzeiten im Schulunterricht sind erst vereinzelt zu finden.

2004 hat die Schweiz an der OECD-Studie über die Vereinbarkeit von Beruf und Familie teilgenommen. Als Fazit empfehlen deren Verfasserinnen und Verfasser eine Erhöhung der öffentlichen Ausgaben zu Gunsten der familienergänzenden Betreuung von Kindern (im Vorschul- und Schulalter) und eine stärkere Unterstützung von Initiativen, welche Unternehmungen auf die Problematik zugeschnittene Beratungen anbieten.

Zudem müsse die Besteuerung den Belastungen Rechnung tragen. Auch hier besteht in der Schweiz Handlungsbedarf. Beispielsweise fallen heute viele Einelternfamilien-Kinder durch die Besteuerung der Kinderalimente beim allein erziehenden Elternteil – in den meisten Fällen ist dies die Mutter – aus der Prämienverbilligung der Krankenkasse oder der Krippe. Dazu kommt, dass die Kosten der Kinderbetreuung nur zu einem kleinen Teil bei den Steuern abgezogen werden dürfen.

Die Sozialhilfe soll außerdem so ausgestaltet werden, dass sie die Eltern nicht finanziell abschreckt, ihr Arbeitspensum zu erhöhen. So übernimmt etwa die Sozialhilfe die Krankenkassenprämien. Fällt eine Person aus der Hilfe heraus und muss die Prämien wieder für mehrere Kinder und sich selbst übernehmen, hat sie oft ein massiv kleineres Einkommen.

Arbeit nur mit Kinderbetreuung

Für allein erziehende Mütter potenzieren sich die Probleme. Viele Arbeitgeber beschäftigen sie nur, wenn sie eine geregelte Betreuung der Kinder nachweisen können. Krippen sind aber vor allem in ländlichen Gebieten Mangelware und zudem oft kostspielig – für manche Betroffene zu kostspielig.

Außerdem entsprechen die Öffnungszeiten nicht immer den Bedürfnissen berufstätiger Mütter. Für die meisten allein Erziehenden sind deshalb nur Teilzeitjobs bei oft nicht optimaler Bezahlung möglich. Zumal die Frauenlöhne in der Schweiz im Schnitt immer noch 20 Prozent unter denen der Männer liegen!

Zu beachten ist auch, dass die Regionalen Arbeitsvermittlungsstellen RAV nur Arbeitslosenhilfe auszahlen, wenn die Kinderbetreuung ausgewiesen und gesichert ist. Denn nur dann gelten die Mütter als vermittlungsfähig. So hat das Eidgenössische Verwaltungsgericht Ende 2004 bestätigt, dass einer Mutter, die dies nicht nachweisen kann, kein Arbeitslosengeld zusteht!

Eine Mutter, die Teilzeitarbeit sucht, muss außerdem für Kurse des RAV eine beschränkte Zeit 100 Prozent zur Verfügung stehen, um unterstützungsberechtigt zu sein. Wenn Sie sich beim RAV anmelden, organisieren Sie vorher die Kinderbetreuungsmöglichkeiten und/oder fragen Sie dort danach.

Kinderbetreuung organisieren

Kinderbetreuungsmöglichkeiten suchen Sie unter

  • Krippe: Fragen Sie auch in Spitälern oder bei Firmen an. Manche geben Plätze, die ihre Angestellten nicht beanspruchen, an andere Eltern weiter.
  • Mittagstisch: Vermehrt bieten neben Städten und Gemeinden auch kirchliche Einrichtungen Mittagstische an. Fragen Sie bei Ihrer Gemeinde, Kirchgemeinde/ Pfarrei oder Kantonalkirche nach.
  • Tageseltern: Der Tageselternverein bietet Betreuungsmöglichkeiten bei Tagesmüttern und -vätern an. Wichtig ist, dass diese Betreuungsperson und Sie einen guten Kontakt miteinander pflegen, um Ihrem Kind einen entspannten Aufenthalt zu ermöglichen. Tageseltern können tage- oder wochenweise inklusive der Mahlzeiten Ihr Kind betreuen. Manchmal besteht auch die Möglichkeit für eine Übernachtung.
  • Verwandte, Grosseltern und Freunde sind ebenfalls mögliche Betreuungspersonen. Wichtig ist dabei, dass bei regelmäßigem Einsatz klare Abmachungen bestehen über Zeitpunkt, Umfang und Häufigkeit. Der freiwillige Einsatz sollte nicht überstrapaziert werden.

Kinder brauchen Geld

Kinder allein Erziehender sind weit häufige und intensiver von Armut betroffen als Kinder aus Zweielternfamilien. Neben der eingeschränkten Möglichkeit zur Berufstätigkeit ist ein weiterer Grund, dass viele Kinderalimente nicht regelmäßig oder gar nicht ausbezahlt werden.

Recht auf Alimente

Erhält das Kind keine Alimente, hat es das Recht auf Alimentenbevorschussung – allerdings nur, wenn es gerichtlich Alimente zugesprochen bekommen hat oder ein von der Vormundschaftsbehörde genehmigter Unterhaltsvertrag besteht. Zudem richten die meisten Kantone keine Vorschüsse aus, wenn das Einkommen der Einelternfamilie einen bestimmten, niedrig bemessenen Betrag übersteigt. Um die Kinder besser abzusichern, berät das Bundesparlament zur Zeit darüber, diese Aufgabe dem Bund zu übertragen.

Volljährige Kinder müssen ihre Alimente selbst per Gericht einklagen, wenn sie sie nicht erhalten. Jugendliche, die Sozialhilfe beziehen, werden von der Behörde dazu veranlasst.

Jugendliche, die über längere Zeit keinen Kontakt zur alimentenpflichtigen Person aufrechterhalten, verlieren nach einem Entscheid des Bundesgerichts ihr Recht auf Alimente. Es ist bis jetzt juristisch unklar, wer in diesem Fall etwa die Ausbildung des Kindes finanziert.

Zu wenig Geld führt zu großen Problemen

Zahlreiche Untersuchungen zeigen, dass die Folgen finanzieller Notsituationen die Hauptursache sind, wenn Kinder allein Erziehender Probleme haben. Armut kann dazu führen, dass Kinder eine mangelhafte medizinische und zahnmedizinische Behandlung bekommen – mit gravierenden Folgen für das spätere Leben. Zudem werden sie im Ausbildungsbereich zurückgesetzt. Laut der Caritas-Studie von 2004 ist aber fehlende Bildung das Armutsrisiko Nummer eins. Ein Ausstieg aus der Armut wird so außerordentlich schwierig.

Sparen Sie also nicht an der Ausbildung und Gesundheit Ihrer Kinder. Verschiedene Fonds sowie Organisationen wie die Caritas bieten in besonderen Situationen Hilfe an. Auch der SVAMV gibt Ihnen Auskunft (Adresse siehe unten).

Nehmen Sie auch Sozialhilfe in Anspruch; diese steht Ihnen und Ihren Kindern bei Bedarf zu. Laut einer OECD-Untersuchung von 2003 beansprucht in der Schweiz nur die Hälfte aller Berechtigten Sozialhilfe. Armut gilt hier oft als Schande. Doch jede allein erziehende Person erbringt große Leistungen durch die Betreuung und Erziehung der Kinder. Unterstützung steht Ihnen zu!

Sozialhilfe beanspruchen

Die Sozialhilfe sichert den Lebensunterhalt von Menschen, die dies aus eigener Kraft nicht tun können. Sie berät die Betreffenden, damit sie ihre Lebenssituation verbessern können.

Sozialhilfe ist kein Almosen. Allerdings muss sie unter bestimmten Umständen zurück bezahlt werden und fällt unter die Verwandtenunterstützung. Außerdem müssen Sie Ihre finanziellen Verhältnisse dort offen legen. Eine Begleitperson kann manchmal dabei helfen, den Behördengang zu erleichtern.

Die Richtlinien der Sozialhilfe sind zu finden hier.

Die Beziehung zum anderen Elternteil

Wenn die Beziehung des getrennt lebenden Elternteils zum Kind von Fürsorge, Interesse und einer gewissen Regelmäßigkeit geprägt ist, und wenn klare, mit der Mutter abgesprochene Regeln gelten, wirken sich die Besuchstage positiv für Kind und Vater aus und bedeuten eine echte Entlastung für die Mutter. Der andere Elternteil hat aber keine Besuchspflicht.

Das neue Scheidungsrecht von 2000 besagt, dass die Betreuungsleistungen des nicht obhutsberechtigen Elternteils bei der Bemessung der Alimente berücksichtigt werden sollen: Väter, die die Besuche und Ferientage nicht wie vorgesehen mit ihren Kindern verbringen, sollen finanziell einen Beitrag leisten müssen. Damit kann z.B. ein Babysitter bezahlt werden, damit auch Sie Freizeit verbringen können.

Das gemeinsame Sorgerecht

Elterliche Sorge bedeutet, dass die Eltern die Entscheidungen für das Kind treffen, die es wegen seines Alters nicht selbst fällen kann. Immer wieder wird das gemeinsame Sorgerecht als Mittel dafür gepriesen, dass getrennte Eltern weiterhin gute Eltern bleiben. Hier werden aber Ursache und Wirkung verwechselt: Die gemeinsame elterliche Sorge wird gewählt, weil sich die Eltern trotz Trennung gut verstehen, und nicht umgekehrt. Bei elterlichen Konflikten dagegen kann es ein wichtiger Schutz für das Kind sein, wenn der allein erziehende Elternteil die elterliche Sorge alleine innehat.

Überlegen Sie sich gut, ob Sie in Zukunft alle Entscheide im schulischen, medizinischen und ausbildungsmäßigen Bereich mit dem Vater der Kinder fällen können. Spannungen können dadurch verewigt werden, dass ein Elternteil die ganze Alltagsarbeit erledigt, der andere aber ständig mitbestimmen will. Es ist schon vorgekommen, dass der eine Elternteil sich gegen den Besuch des Gymnasiums des Kindes aussprach, weil er längere Alimentenzahlungen befürchtete.

Nicht die rechtlichen Regelungen sind ausschlaggebend, damit es dem Kind gut geht, sondern sichere Verhältnisse. Dazu gehört, dass im Bedarfsfall diejenige Person die nötigen Entscheide treffen kann, die es im Wesentlichen betreut. Der andere Elternteil muss in diesem Fall über besondere Ereignisse im Leben des Kindes benachrichtigt und vor Entscheidungen, die für die Entwicklung des Kindes wichtig sind, angehört werden. So haben beide Eltern das Recht auf die Informationen der Lehrkräfte.

Bireligiöse Eltern

In gemischten Ehen kann es bei der Trennung zu großen Problemen kommen, weil das Schweizer Staatsrecht nicht den Vorgaben der anderen Religion entspricht. So gehören im Islam die Kinder dem Vater und dürfen, wenn sie älter als ca. 7 Jahre alt sind, nicht von einer Nichtmuslima aufgezogen werden. Hier kann es zu massiven Problemen kommen, auch wenn das Gericht der Mutter das Sorgerecht zuspricht. Zudem spielt die Großfamilie hier eine bedeutende Rolle.

Auch können die Vorstellungen von einer angemessenen Erziehung weit auseinander liegen. Gerade auch der Bereich “Männer und Frauen” bietet Konfliktstoff. Trennungen von Eltern aus unterschiedlichen Kulturen und Religionen bieten viele Stolpersteine.

Lassen Sie sich in diesem Umfeld unbedingt beraten:

  • Gemeinschaft der Christen und Muslime in der Schweiz, Postfach 6243, 3001 Bern, Tel.: 031/3131010.
  • Frabina Beratungsstelle für Frauen und binationale Paare, Laupenstr. 2, 3008 Bern, Tel.: 031/3812701
  • Auskunftstelle, Frongartenstr. 16, 9000 St. Gallen, Tel.: 071/7222719
  • Eidgenössisches Amt für Zivilstandswesen, Bundesgasse 32, 3003 Bern, Tel. 031/3224768
  • Ferner ist folgendes Buch hilfreich: Rene Pahud de Mortanges/ Erwin Tanner: Muslime und die schweizerische Rechtsordnung. Deutsch/ französisch, Universitätsverlag Freiburg 2002

Sich selbst nicht vergessen

Allein erziehende Eltern erbringen unter schwierigen Umständen große Leistungen; ihre Belastung ist mit denen von Managern zu vergleichen. Deshalb ist Erholung sehr wichtig!

  • Regelmäßige kleine Freuden bauen Stress massiv ab.
  • Bewegung, etwa ein Spaziergang, ist ein Stresskiller.
  • Organisieren Sie sich Zeiten für sich selbst, in denen Sie lesen, Freundinnen und Freunde treffen, Musik hören, ein warmes Bad nehmen…
  • In Bildungshäusern und kirchlichen Einrichtungen können Sie an Kursen teilnehmen oder sich erholen. Sie können hier oft auf Anfrage sozialverträgliche Preise erhalten.
  • Denken Sie an Ihre Familienplanung, auch wenn Sie nicht in einer festen Beziehung leben. Frauenberatungsstellen verweisen auf die nicht seltenen ungewollten Schwangerschaften von allein erziehenden Frauen.
  • Lassen Sie sich regelmäßig medizinisch untersuchen.
  • Pflege ist kein Luxus. Sie hebt das Selbstwertgefühl.

Berufliche Weiterbildung

Berufliche Weiterbildung ist wichtig und oft sehr befriedigend. Das Stipendienwesen ist in der Schweiz wenig ausgebaut. Doch der SVAMV und andere Organisationen bieten finanzielle Hilfen an. Der Verband richtet Stipendien für Alleinerziehende aus (Adresse siehe unten).

Autorinnen

  • Anna Hausherr, lic. phil. I, Psychologin FSP, Zentralsekretärin des Schweizerischen Verbands alleinerziehender Mütter und Väter SVAMV.
  • Christiane Faschon, Fachjournalistin BR

Kontakt

SVAMV Schweizerischer Verband alleinerziehender Mütter und Väter
Postfach 334
CH – 3000 Bern 16

Tel.: 031/3517771

Email

Website- Schweizerischer Verband alleinerziehender
Mütter und Väter

Website - Eineltern in der Schweiz 

EinElternForum
Zeitschrift für Einelternfamilien
Postfach 522
CH – 3000 Bern 25

Email
 

Erstellt am 29. November 2004, zuletzt geändert am 16. Februar 2010

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