Die Bibel an der Bettkante

Vreni Merz
Vreni Merz

 

 

 

Vielleicht gehören Sie zu jenen Eltern, die Ihrem Kind gerne hie und da eine biblische Geschichte erzählen würden, wenn Sie nur wüssten, wie Sie es am besten machen könnten. Denn so viel ahnen Sie bestimmt: In der Bibel stecken Lebensweisheiten, die bis heute aktuell sind und die sowohl Ihnen selbst als auch den Kindern Kraft und Orientierung geben können.

Auch wenn Sie mit dem “Buch der Bücher” wenig vertraut sind, können Sie es wagen. Beachten Sie dazu sechs kleine Tipps – mit großer Wirkung:

Packen Sie die Gelegenheit beim Schopf!

Viele Kinder sind für eine biblische Geschichte besonders am Abend empfänglich. Sie haben bereits den Schlafanzug angezogen und legen sich hin, und Sie setzen sich zu ihm an den Bettrand. Die Geschichte ist sozusagen der Übergang vom Tag zur Nacht – ein besonders sensibler und wichtiger Moment. Mit einer Erzählung aus der Bibel können wir es getrost in den Schlaf entlassen.

Schalten Sie das Handy aus!

Nichts ist störender, als wenn Sie beim Erzählen einer Geschichte vom Telefon mitten aus dem Satz gerissen werden. Der Spannungsbogen zerbricht – und zwar für alle: Für die erzählende Person so sehr wie für jene, die zuhören. Gönnen Sie sich und Ihrem Kind diese kleine geschützte Oase des Erzählens.

Setzen Sie sich hin!

Nur in einer entspannten Haltung ist es möglich, sich ganz und gar auf das Geschehen einzulassen. Das ist für Sie als erzählende Person genau so wichtig wie für das Kind. Kinder nehmen in der Regel von selbst dort Platz, wo sie am besten zuhören können und ihnen ja nichts entgeht – möglichst nahe bei Ihnen. Wenn Sie sich aber nur halb hinsetzen, sitzen Sie nicht wirklich, und es könnte sein, dass dann auch die Erzählung nicht “sitzt” .

Leben Sie mit!

Biblische Geschichten erzählt man also am besten so, als hätte man sie selbst erlebt oder noch besser so, als würde man mitten im Ereignis stehen. Es gibt nur einen Weg dazu, nämlich sich von den überlieferten Texten in einer geeigneten Fassung (siehe Buchhinweis) ansprechen zu lassen, und zwar derart, dass man das Faszinierende, das Erstaunliche oder auch Erschreckende darin innerlich mitempfindet.

Erzählen Sie spannend!

Viele biblische Berichte lassen uns aufhorchen, wenn wir den Inhalt ernst nehmen. Die Texte haben ihre Grösse in sich und brauchen kein fantasievolles Ausschmücken, um ihre innere Dynamik zu entfalten. Am besten erzählen wir die Geschichten so, wie sie sich selbst erzählen. Man muss sie nicht zusätzlich spannend machen, aber man darf ihre eigene innere Kraft auch nicht abschwächen. Ein bewährtes Mittel dazu sind kleine Pausen zwischen den Sätzen, vor allem dort, wo man fast von selbst den Atem anhält, wenn man innerlich wirklich mitlebt.

Greifen Sie Spontanes auf!

Die biblischen Geschichten enthalten alles, was die Menschen betrifft: Freude und Leid, Lust und Schmerz, Trost und Verzweiflung. Wenn wir den Kindern aus der Bibel erzählen, wird es mit allen Facetten des Lebens konfrontiert. Reagieren Sie mit Interesse auf Zwischenrufe Ihres Kindes – mitten in der Erzählung. Seine spontanen Äußerungen können ein interessantes Gespräch auslösen, das Sie mit ihm führen.

Biblische Geschichten schärfen den Blick für Großartiges und Unfassbares. Mehr noch: Sie prägen unser Bewusstsein. Denn ihr hoher literarischer Wert ist zeitlos. Solche Texte ermutigen auch heute noch und können helfen, das Leben zu meistern.
 

Literatur

  • Vreni Merz: Die Bibel an der Bettkante. Ein Familienbuch. Vorlesegeschichten. Erzählideen. Rituale. Kösel Verlag München 2007.
     

Quelle

Aus: “Horizonte” 16/15. April 2007

Weitere Beiträge der Autorin hier in unserem Familienhandbuch

Autorin

Vreni Merz
geboren 1948 in Zürich, verstorben am 11. Oktober 2011

Religionspädagogin und dipl. Supervisorin BSO, Autorin und ErwachsenenbildnerinTätig in der Aus- und Fortbildung von Erzieherinnen und Lehrkräften.Lehraufträge für Fachdidaktik Religion/Ethik an den Universitäten Luzern und Fribourg sowie an der Pädagogischen Hochschule Luzern.
Redakteurin der Zeitschrift “ferment”

Erstellt am 13. April 2007, zuletzt geändert am 6. November 2014

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